Brigitte Fischer (62) über Arbeit mit Sterbenden „Dann wurde aus dem Frühstückstreff eine Party“

Brigitte Fischer (62) über Hospiz-Arbeit: Wie aus dem Frühstück eine Party wurde
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Brigitte Fischer, 62 Jahre, Mutter zweier Kinder. Eigentlich aus der Versicherungsbranche. Aber heute auch Sterbebegleiterin. Seit nun rund zehn Jahren arbeitet die Lütgendortmunderin aus Leidenschaft für das Hospiz St. Elisabeth in Dortmund-Westrich. Oder sagen wir so: für die Gäste.

Gäste, das sind die über 1200 Bewohnerinnen und Bewohner, die in das Haus an der Bövinghauser Straße, im Schatten der Fördergerüste von Zeche Zollern, kamen, um zu sterben. Ein 22-Jähriger war der bisher jüngste, eine 95-Jährige die älteste. Von hauptamtlichen Kräften werden sie gepflegt und durch den Tag und die Nacht begleitet. Von Ehrenamtlichen besucht. Wenn sie das wünschen.

Brigitte Fischer hat viele dieser Menschen kommen gesehen. Sie wurden zum Teil nach wenigen Tagen, zum Teil nach Wochen oder Monaten liegend herausgebracht. Tot. Verstorben, aber mit einem Abschied in Würde. Dafür sorgt das Hospiz-Team, hilft Angehörigen und Kranken gleichermaßen in der Angst vor dem Sterben, in der Trauer.

Es fing an mit einer Freundin von Brigitte Fischer: Sie war schwer krank, lag im Sterben, war in einem Hospiz. Ein Haus der Trauer, ein Haus des Elends. So dachte Fischer vorher, als sie vor dem Besuch ihrer Freundin stand. „Gleich am Empfang bin ich freundlich begrüßt worden, von einer Ehrenamtlichen“, erzählt sie, als wir sie am Jubiläums-Tag im Hospiz St. Elisabeth in Westrich antreffen. Das Haus, in das sie kam, war anders. Und diese Begrüßung zum Empfang, die Herzlichkeit, auch die Fröhlichkeit: Das blieb bei ihr hängen.

So kommt man zum Ehrenamt im Hospiz

Beim Martinsmarkt in Lütgendortmund traf sie später auf den Stand der Elisabeth-Grümer-Stiftung. Da war ihre Freundin schon tot. Aber der Gedanke an diesen Moment, der war noch tief in ihr. Sie sprach mit der damaligen Sozialarbeiterin des Hospizes, wollte sich hier einbringen und in Westrich für eine solche Atmosphäre selbst sorgen.

Sie ließ sich zu einem sogenannten Befähigungskurs anmelden. „Es ist wichtig, Menschen in so einer Phase zu unterstützen. Mit ihnen zu sprechen. Ängste zu nehmen. Sie darin... wie soll man sagen: die Hand zu halten. Einfach da zu sein. Auch wenn es zu Ende ist und die Person die Augen für immer schließt.“

Die Mitarbeiter in Haupt- und Ehrenamt wurden zum 10-Jahres-Jubiläum der Einrichtung von der Elisabeth-Grümer-Stiftung und dem Bezirksbürgermeister mit Urkunden ausgezeichnet.
Die Mitarbeiter in Haupt- und Ehrenamt wurden zum 10-Jahres-Jubiläum der Einrichtung von der Elisabeth-Grümer-Stiftung und dem Bezirksbürgermeister mit Urkunden ausgezeichnet. © Tobias Weckenbrock

Man bekomme viel Unterstützung von den Hauptamtlichen. Man müsse damit umgehen lernen. Allein sei das nicht zu schaffen. „Unsere Stunden sind begrenzt. Ich habe im Moment eine Begleitung, so nennen wir das, eine Frau, die besuche ich täglich. Man darf dabei nicht auf die Uhr schauen. Ich nehme mir die Zeit und werde dann aufgefangen durch eine Supervision, an der ich teilnehmen kann.“

Wenn derjenige in Ruhe einschlafen könne, dann könne sie sagen: Ja, du hast ihn begleitet und dafür gesorgt, dass er in Frieden von dieser Erde gehen kann. „Eine Frau hat mir vor Jahren gesagt, sie hätte nie gedacht, dass das Sterben so schön sein könne. Wir haben ihr die Angst davor genommen. Sie war voller Hoffnung, hat es genossen, hier sterben zu können.“

Gespräche über Musik, Sport, Politik und „Layla“

Jeder Mensch sei unterschiedlich. Jeder sterbe auf seine Art und Weise. „Es gibt kein Rezept“, sagt Brigitte Fischer. Sie sehe sich an, wie der Mensch sein Zimmer im Hospiz eingerichtet habe. Welche Fotos dort stehen. „Wir kommen dann mit ihnen ins Gespräch.“ Es gebe auch Leute, die seien einsam, hätten niemanden um sich herum. Und einige, die gar keine Gespräche wollten. „Mit der Zeit bekommt man die Erfahrung, die es braucht.“

In der Regel passe es aber. Brigitte Fischer sagt, sie kenne sich in vielen Themenwelten aus: Über Sport oder Musik könne sie sich immer unterhalten, über Allgemeinwissen oder auch politische Fragen – mit ihr seien alle Themen möglich. Auch Diskussionen, ob Helene Fischer oder Andrea Berg die bessere Künstlerin sei, habe sie geführt.

Hospiz-Leiterin Sandra Tietze (l.) und Stefan Braun machen das Erinnerungsfoto mit Stiftungsgründerin Elisabeth Grümer (r.), Bezirksbürgermeister Heiko Brankamp und einigen der Mitarbeiter.
Hospiz-Leiterin Sandra Tietze (l.) und Stefan Braun machen das Erinnerungsfoto mit Stiftungsgründerin Elisabeth Grümer (r.), Bezirksbürgermeister Heiko Brankamp und einigen der Mitarbeiter. © Tobias Weckenbrock

„Eine Bewohnerin im letzten Jahr kannte den Song ‚Layla‘ nicht“, erzählt Brigitte Fischer. Der Song, der aufgrund des darin vermittelten Frauenbildes als Sexobjekt hochumstritten war und bei vielen Festivals aus dem Programm genommen wurde. „Wir haben den bei einem Frühstückstreffen hier gespielt. Und die Frau fand das Lied so super“, sagt Fischer.

Daraufhin seien Auszubildende auf „Der Zug hat keine Bremse“ gekommen. Das lief danach, und aus dem Treffen wurde eine kleine Frühstücksparty. Im Hospiz, wo alle zum Sterben hingehen. „Kurz vor ihrem Tod sagte die Frau zu mir: Danke, jetzt weiß ich auch, wer diese ‚Layla‘ ist.“

„Dann habe ich meine Aufgabe erfüllt“

Für die Arbeit im Hospiz müsse man sich mit dem Tod auseinandersetzen können. Es sei kein Spaßraum, auch wenn mal gelacht wird. „Man kann hier auch hospitieren und sich das anschauen. Auch Aufgaben, die nicht mit den Gästen direkt zu tun haben, gibt es hier reichlich zu erledigen“, sagt Brigitte Fischer.

Das Leben sei irgendwann vorbei. „Wenn ich auf dem Weg zum Tod jemandem ein Lächeln mitgeben konnte, dann habe ich meine Aufgabe erfüllt“, so die Lütgendortmunderin. Klar, es gebe Ehrenämter, da würde Leben erweckt, und hier zum Ende geführt. „Aber das ist für die Gesellschaft, für die Gemeinschaft, für denjenigen Menschen wichtig.“

Sie trauere manchmal mit, wenn ein Gast stirbt. Aber wenn sie wisse, dass jemand in Frieden und Ruhe von dieser Welt gehen könne – „das finde ich dann auch schön“.

Brigitte Fischer im Interview über das, was Hospizarbeit ausmacht und wie sie sie lebt auf rn.de/luetgendortmund

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