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Dortmunder Kassen-Umsteller versinkt in Arbeit: „Schön ist das nicht“
Wegen Mehrwertsteuersenkung
Seit die Mehrwertsteuersenkung beschlossen ist, kann sich Wolfgang Henke vor Aufträgen kaum retten. Der Betrieb des Dortmunders stellt Kassen um. Über den Boom freut er sich aber nicht.
Ab dem 1. Juli tritt eine Mehrwertsteuersenkung in Kraft, die Teil des coronabedingten Konjunkturpakets der Bundesregierung ist. Für die Dortmunder Händler ist die Gesetzesänderung mit viel Aufwand verbunden. Unter anderem müssen sie ihrer Registrierkassen umstellen lassen.
Der Dortmunder Betrieb „Kassen Henke“, der diese Dienstleistung anbietet, profitiert enorm. Ob er schon viele Anfragen bekommen hätte? „Oh ja“, meint Inhaber Wolfgang Henke.
150 Anrufe an einem Tag
Es war am Donnerstag (4. Juni) um 6.30 Uhr, als Wolfgang Henke von der Mehrwertsteuersenkung erfuhr. Auf seinem Bildschirm lief das Frühstücksfernsehen - dort berichtete man über den Beschluss der Bundesregierung.
Seitdem laufen Henke die Telefone heiß - alleine 150 Anrufe erreichten ihn an besagtem Donnerstag. Auch die darauf folgenden Tage kamen stets deutlich über hundert Anrufe am Tag rein.
Normalerweise klingelt 20 Mal am Tag jemand in dem Geschäft an der Märkischen Straße durch. „Ob es ein Blumenladen ist, eine Polizeikantine oder einfach Gastronomie - alles, was eine Kasse hat, muss umgestellt werden“, sagt Henke.
Trotz höherem Umsatz keine Freudensprünge
Auch wenn der Andrang auf sein Geschäft auch einen höheren Umsatz für ihn bedeutet, hält sich seine Freude in Grenzen. Die Situation sei sehr stressig - für ihn, seine Mitarbeiter und auch für die Kunden.

Lehrling Julian Pail an einer der Kassen bei „Kassen Henke“ © Lena Heising
„Schön ist es nicht“, sagt Henke. „Das ist eine große Nummer, die schwer zu bewältigen ist.“ Natürlich sei auch etwas mehr Gewinn schön, aber deshalb mache er keine Freudensprünge - von dem, was er normalerweise erwirtschafte, könne er schließlich gut und stressfrei leben.
Extrem kurze Vorbereitungszeit
Es ist natürlich nicht die erste Umstellung der Mehrwertsteuer, die Henke mitmacht. Doch in den vergangenen Jahren habe er mehrere Monate Zeit für die Umstellung gehabt - dieses mal war es nicht einmal einer.
Nur ein Bruchteil der im Einzelhandel eingesetzten Kassen kann aus der Ferne auf die geringere Mehrwertsteuer umgestellt werden. Wenn dem so ist, „dann eine Sache von 2-3 Minuten“, meint Henke.
Kunden müssen Kassen vorbeibringen
Wer aber keine moderne PC-Kasse besitzt, muss sie schon bei Henke vorbeibringen. Scherzhaft hat der bereits eine Schlange „vom Westenhellweg bis in die Märkische Straße“ vor Augen. Dort hat der 65-Jährige sein Geschäft.
Die Umstellung dauert circa eine Stunde: Die Kassentechniker müssen nicht nur die Mehrwertsteuer umprogrammieren, sondern auch den Text auf dem Kassenbon ändern.
Bereits jetzt steht für Henke fest, dass er und seine Mitarbeiter bis in den September nichts anderes werden machen können, als Kassen auf die geringere Mehrwertsteuer umzustellen. „Wir werden nachts davon träumen, glauben Sie mir“, sagt Henke.
Den Urlaub für die Mitarbeiter sagte er ab, genau wie alle anderen Aufträge. Er habe schließlich eine vierstellige Zahl an Kunden - gleichzeitig könne man im Laden nur 18-20 Kassen am Tag umstellen. Seine Angestellten Überstunden machen zu lassen, lehnt der Geschäftsführer ab. „Wir versuchen, das in der regulären Arbeitszeit zu schaffen.“
Alte Aufträge sind aufgeschoben
An einem normalen Arbeitstag ohne plötzliche Kassenumstellungen, erzählt Henke, haben er und seine drei Mitarbeiter auch genug zu tun. Es gebe nur wenige Kassengeschäfte in Dortmund. Der 65-Jährige begann vor 40 Jahren in der Branche zu arbeiten, 20 Jahre später machte er sich selbstständig.
Seitdem verkaufen Henke und seine Mitarbeiter Kassen, programmieren sie, liefern sie aus oder reparieren sie. Diesen Aufträgen kann er momentan nicht mehr nachkommen.
Sollte ein Kunde neben der Mehrwertsteuerumstellung also noch um eine neue Speisekarte in der Kasse bitten, müsse er zurzeit ablehnen - das sei einfach nicht mehr zu schaffen.
Geboren in Ulm, aufgewachsen im Allgäu, angekommen im Ruhrgebiet schreibe ich über alles, was die Menschen in Dortmund und Umgebung umtreibt.