Matthias Hilgering möchte die Mehrwertsteuersenkung künftig direkt an der Kasse abziehen.

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Alles billiger dank Mehrwertsteuer-Senkung? Cityring-Chef prophezeit Ärger

rnKonjunkturpaket

Ab Juli sinkt für alle Produkte die Mehrwertsteuer. Für die Händler bedeutet das vor allem: Arbeit. Und ob die Senkung beim Kunden überhaupt ankommt, ist durchaus umstritten.

Dortmund

, 08.06.2020, 05:30 Uhr / Lesedauer: 2 min

Ab dem 1. Juli werden auf den Nettopreis vieler Produkte nur noch 16 statt wie bisher 19 Prozent Mehrwertsteuer aufgeschlagen. Bei Lebensmitteln fließen künftig sogar nur fünf Prozent (statt sieben) direkt in die Staatskasse. Doch wer profitiert davon?

Matthias Hilgering ist sich nicht sicher, was die Händler von der Mehrwertsteuersenkung haben werden: „Die Maßnahme ist ja lieb gemeint und nett gedacht.“ Mehr Lob hat Hilgering, der den gleichnamigen Weinhandel am Westenhellweg betreibt, für die Maßnahme der Bundesregierung aber nicht übrig.

„Nett gedachte Maßnahme“

Innerhalb eines Monats muss der Handel die Mehrwertsteuersenkung umsetzen. „Sehr kurzfristig“, findet Weinhändler Hilgering. Er bezweifelt, ob dabei jemand an die Kosten für die nötigen Vorkehrungen gedacht hat.

Denn zunächst einmal muss jeder Händler Ladenkasse und die entsprechende Branchensoftware auf die niedrigere Mehrwertsteuer umstellen lassen. Das kann nur ein Fachmann. „Und die lassen sich jeden Schritt fürstlich entlohnen“, meint Hilgering. Eine andere Baustelle beschäftigt ihn aber noch mehr.

Umetikettieren der Produkte wird zum Problem

Als Teil des Konjunkturpakets soll die Mehrwertsteuersenkung dazu animieren, wieder mehr Geld auszugeben. Dafür müssen sie aber auch die niedrigeren Preise vor Augen haben - durch neue Etiketten zum Beispiel. „Eigentlich muss ich den ganzen Laden umzeichnen“, erklärt Hilgering. In seinem Fall wären das 4000 Produkte. Dazu ist er nicht bereit.

Stattdessen möchte der Weinhändler rechtlich prüfen lassen, ob er es bei der alten Preisauszeichnung belassen kann, um anschließend an der Kasse „für die Kunden nachvollziehbar“ einen Rabatt abzuziehen.

Je teurer das Produkt, desto größer die Ersparnis

Ist man an einem lauen Sommerabend eingeladen und möchte eine gute Flasche Wein mitbringen (ca. 20 Euro), würde man trotzdem nur 50 Cent sparen. Je teurer das Produkt, desto größer die Ersparnis. Logisch. Hilgering hat auch Weine im vierstelligen Bereich im Angebot: „Aber wer so viel Geld dafür ausgibt, entscheidet sich nicht dafür, weil er drei Prozent spart.“

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Bei einem Fernseher oder einer teuren Anlage könnte das schon anders sein. Weiterer Vorteil für Elektronikhändler: Dank elektronischer Preisschilder und eigener Kassen-Software haben sie deutlich weniger mit den negativen Seiten der Mehrwertsteuersenkung zu kämpfen.

Umstellung für Technikunternehmen „keine Herausforderung“

Kein Wunder, dass eine Sprecherin des Unternehmens Ceconomy (MediaMarktSaturn) mitteilt, der Prozess der Umstellung würde „keine Herausforderung“ darstellen und man sehe in den Maßnahmen der Regierung zur Stimulierung des privaten Konsums ein „starkes Signal“ für den Einzelhandel.

In Dortmund ist man da skeptischer. „Das Konjunkturpaket an sich ist ja gut, aber die Mehrwertsteuersenkung an sich halte ich für überflüssig“, meint Dirk Rutenhofer. Überhaupt hat die Mehrwertsteuer für den Vorsitzenden des Cityrings ein hohes Konfliktpotential.

Experte sieht Konfliktpotential in Mehrwertsteuer

„Wenn ich jetzt als mündiger Bürger einen Burger essen gehe“, führt er aus, „und der in einem Monat genauso viel kosten sollte wie heute, frage ich doch den Wirt, ob der sich die gesparte Mehrwertsteuer eingesteckt hat.“ Rutenhofer ist sich sicher, dass da noch einige Diskussionen geführt werden. Und bezweifelt auch, dass die Mehrwertsteuersenkung wirklich überall beim Kunden in Form von niedrigeren Preisen ankommen wird.

Den Todesstoß verleiht der Maßnahme in seinen Augen aber ein anderes Detail: die Laufzeit. Schließlich gilt die Mehrwertsteuersenkung nur bis Ende des Jahres. „Was als Umsatzanschubrakete gestartet ist, verglüht als Wunderkerze“, urteilt der Unternehmer.

Ein Profiteur steht jetzt bereits allerdings fest: die Wartungsfirmen der Registrierkassen. Denn die werden ordentlich zu tun bekommen.

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