3 Prozent weniger Mehrwertsteuer: Wie stark sinken die Preise für den Endverbraucher?

Coronavirus

Die Große Koalition hat sich auf ein gigantisches Konjunkturpaket geeinigt. Als besonderes wichtig gilt die Senkung der Mehrwertsteuer. Kommt die Entlastung auch vollständig bei den Verbrauchern an?

Hannover

05.06.2020, 05:00 Uhr / Lesedauer: 4 min
Die Mehrwertsteuersätze sollen ab Juli sinken. Verbraucher profitieren davon, wenn Händler das eins zu eins an die Kunden weitergeben.

Die Mehrwertsteuersätze sollen ab Juli sinken. Verbraucher profitieren davon, wenn Händler das eins zu eins an die Kunden weitergeben. © picture alliance/dpa

Olaf Scholz ist nicht gerade für seine überschwängliche Rhetorik bekannt. Doch bei der Vorstellung des schwarz-roten Konjunkturpakets zeigte der Bundesfinanzminister, dass er auch anders kann. „Wir wollen mit Wumms aus der Krise kommen“, sagte Scholz.

Wumms. Gleich mehrmals wiederholte der SPD-Politiker den Begriff. Damit auch allen klar ist, dass die Regierung im Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie klotzt und nicht kleckert. Und in der Tat: Union und SPD haben ein gigantisches Konjunkturpaket geschnürt. 130 Milliarden Euro will die Regierung in den nächsten eineinhalb Jahren in die Hand nehmen, um die taumelnde deutsche Volkswirtschaft zu stabilisieren.

Die Senkung der Mehrwertsteuer kostet 20 Milliarden Euro

Das „Herzstück“ - wie der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) es nennt - ist dabei die geplante Mehrwertsteuersenkung. Ab dem 1. Juli sind statt 19 Prozent nur noch 16 fällig. Der ermäßigte Steuersatz, der u.a. für Lebensmittel gilt, sinkt von 7 auf 5 Prozent. Die Steuersenkung ist befristet bis zum 31. Dezember, die Kosten für den Staat liegen bei 20 Milliarden Euro. Es ist die teuerste Einzelmaßnahme im Konjunkturpaket. Und eine, die dazu überraschend kam.

In den letzten Wochen kreiste die Diskussion - auch auf der Druck der Autolobby - vor allem um mögliche Kaufprämien für Fahrzeuge. Doch die sind, abgesehen von der E-Auto-Förderung, jetzt vom Tisch. Dafür werden alle Verbraucher entlastet. Die Senkung der Mehrwertsteuer ist dafür ein geeignetes Instrument, da sie, wie Ökonomen es nennen, zielgenau ist. Sie erreicht auch Menschen mit geringem Einkommen, die keine Einkommenssteuer zahlen.

Wer wenig hat, spart in der Regel nicht - und gibt das Geld sofort aus. So wird die Binnennachfrage gestützt. Auch mittlere Einkommen profitieren, da sie ebenfalls einen Großteil des Geldes für Konsumausgaben aufwenden. Und: Wer nur ein geringes Einkommen hat, wird proportional sogar stärker entlastet. Das Geld kommt also genau bei den Menschen an, die es brauchen. Soweit die Theorie.

Lob für die Idee hinter der Steuersenkung

Dafür allerdings muss die Steuersenkung auch weitergegeben werden. Ob die Unternehmen das in vollem Umfang tun, ist ungewiss. Möglich wäre auch, dass der Handel einen Teil der Steuer einbehält - und so seine Marge erhöht. „Wir wissen es leider nicht genau“, sagt Stefan Bach, Steuerexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Es fehlten Vergleichswerte, zumindest für Deutschland. Bach verweist allerdings - ebenso wie der Ökonom Christian Odendahl - auf das Beispiel Großbritannien.

In der Finanzkrise 2008/2009 hat die Regierung im Vereinigten Königreich die Umsatzsteuer gesenkt, die Unternehmen gaben sie zu großen Teilen (75 Prozent) auch an die Verbraucher weiter. „In Großbritannien waren die Erfahrungen nicht so schlecht“, sagt Bach. Auch wenn bisher unklar ist, ob die Verteilung in Deutschland ähnlich sein wird, lobt Bach die grundsätzliche Idee hinter der Steuersenkung: „Wir setzen damit einen starken Impuls für den Konsum“, so der DIW-Experte gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Einzige Bedingung: Damit die Steuersenkung zielgenau wirken kann, die Menschen in wirtschaftlich unruhigen Zeiten mehr kaufen, müssten die Unternehmen eben auch die Preise senken.

Chef der Wirtschaftsweisen dämpft Erwartungen

Preise senken? Das gilt - zumindest was den Umfang angeht - unter Ökonomen noch längst nicht als ausgemacht. Der Chef der Wirtschaftsweisen, Lars Feld, warnt bereits vor zu großen Erwartungen an die Mehrwertsteuersenkung. „Auf den Konsum wirkt sie nur, wenn sie in den Preisen weitergegeben wird. Das ist nach allen vorliegenden Erkenntnissen aus der Forschung nicht eindeutig zu erwarten“, sagte Feld der „Rheinischen Post“. Optimistischer äußerte sich der Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest. Im „Deutschlandfunk“ sagte er: „Es ist eine Maßnahme, mit der man kurzfristig den Umsatz ankurbeln kann“.

Darauf setzt auch die Politik in Berlin, die vorsorglich bereits die Unternehmen in die Pflicht nimmt. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer forderte dazu auf, die Steuersenkung an die Verbraucher weiterzugeben. „Wir machen sehr deutlich, dass wir erwarten, dass es eins zu eins weitergegeben wird. Das liegt im Interesse von jedem“, sagte sie im „Morgenmagazin“ von ARD und ZDF.

Dass das jedoch nicht immer der Fall ist, hat ein anderes Beispiel erst kürzlich gezeigt. Auf massiven Druck von Verbraucherschützern und aus Teilen der Gesellschaft hat der Bundestag die Mehrwertsteuer für Frauen-Hygieneprodukte wie Tampons und Binden von 19 auf 7 Prozent gesenkt. Die Steuersenkung trat zum 1. Januar in Kraft. Doch die Ernüchterung folgte bald: Bis heute ist die Steuersenkung nicht beim Endverbraucher angekommen, pünktlich zum Jahresbeginn erhöhten viele Hersteller einfach ihre Preise.

Steuerexperte: Politik muss Druck aufbauen

DIW-Steuerexperte Bach appelliert an die Politik, es diesmal anders zu machen - und schon jetzt Druck aufzubauen. Auch Verbraucherverbände sollten ein Auge darauf haben, ob die Entlastung wirklich beim Kunden ankommt. Und auch die Unternehmen könnten die Steuersenkung nutzen - und damit werben. „Für den Handel wäre das ein Marketinginstrument“, sagt Bach. Ebenfalls Einfluss könnten die Produzenten nehmen, die es, so Bach, nicht gerne sehen, wenn der Handel das Geld einfach in die eigene Kasse lenkt. Es gebe also Wege, auf die Weitergabe der Entlastung hinzuwirken, sagt der Experte.

Einige Branchen haben auch schon entsprechende Signale gesendet. Die zuletzt so in die Krise geratenen Autobauer haben angekündigt, den Preisvorteil voll an ihre Kunden weiterzugeben. Die im Verband der Automobilindustrie organisierten Hersteller schafften die Voraussetzungen dafür, dass die Absenkung der Mehrwertsteuer in vollem Umfang den Kunden zu Gute kommen könne, teilte der VDA mit. Was allerdings auch keine große Überraschung ist: Die Industrie hat zwar nicht die so vehement von ihr geforderte Kaufprämie bekommen, mit der Mehrwertsteuersenkung erfolgt die Unterstützung aber durch die Hintertür.

Auch die Bahn will ihre Tickets günstiger anbieten. „Wir prüfen mit Hochdruck, wie und in welcher Form wir die Mehrwertsteuersenkung an die Kunden weitergeben können“, sagte DB-Vorstandsmitglied Ronald Pofalla am Donnerstag. Dies sei keine Frage des „ob“.

Regierung erwartet Preissenkungen

Es wird sich zeigen, wie sehr auch der Handel mitzieht und was bei den Verbrauchern tatsächlich als Entlastung ankommt. Finanzminister Olaf Scholz machte jedenfalls bei der Vorstellung des Konjunkturpakets schon einmal klar: Die Regierung erwarte „dringend“, dass die Unternehmen die Senkung der Mehrwertsteuer an die Verbraucher weitergeben und die Preise entsprechend senken.

Sonst klappt es am Ende womöglich doch nicht mit dem Wumms.

RND

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