Im Gespräch in der DSW21-Zentrale in der Deggingstraße gibt sich Guntram Pehlke aufgeräumt und bester Stimmung. Aus dem Posten als Stadtkämmerer heraus war er 2006 an die Spitze des Stadtkonzerns DSW21 gewechselt. Jetzt sind dort seine letzten Tage angebrochen, Ende Mai geht er in den Ruhestand - zwei Jahre vor Auslaufen seines Vertrages.
In Pehlke (SPD) verabschiedet sich ein streitbarer Geist, der Kritikern im Rathaus und in Teilen der Politik zeitweise zu unbequem geworden war - und trotzdem immer wieder von einer Mehrheit aus SPD und CDU in seinem Amt bestätigt wurde. Im großen Abschieds-Interview spricht er über große Projekte, schlafose Nächte und Konflikte.
Herr Pehlke, Sie steigen vorzeitig aus Ihrem Vertrag aus. Einige Ihrer Weggefährten sind irritiert und sprechen von „Flucht“. Vor wem oder wovor müssen Sie fliehen?
Ich habe frühzeitig deutlich gemacht, dass ich nicht bis zu einem Alter von 65 Jahren arbeiten möchte. Die Option, zwei Jahre früher auszuscheiden, ist Bestandteil meines Vertrages. Ich fliehe nicht, im Gegenteil. Der Zeitpunkt ist optimal. Es ist alles sauber abgeschlossen, die DSW21-Gruppe verfügt über eine grundsolide Struktur. Insofern bin ich sehr zufrieden.
In den 17 Jahren als Vorstandschef von DSW21 haben Sie Höhen und Tiefen erlebt. Beschreiben Sie uns die doch bitte mal.
Natürlich habe ich über die lange Strecke betrachtet auch Fehler gemacht. Aber es war eine tolle Zeit, in Summe bin ich sehr zufrieden. Ich bedauere, dass die vor Jahren geplante Kooperation der beiden Häfen Dortmund und Duisport letztlich aus verschiedenen Gründen gescheitert ist.
Ein richtig dickes Brett waren die Verhandlungen mit dem VRR über die Frage, unter welchen Voraussetzungen DSW21 weiterhin die Verkehrsleistungen für die Stadt Dortmund erbringen darf – oder ob eben private Anbieter zum Zuge kommen. Am Ende haben wir eine Konstruktion gefunden, die alle zufriedenstellt und mit der wir erfolgreich arbeiten können.
Die millionenschweren Flughafen-Verluste, die DSW21 als Hauptgesellschafter jährlich auffängt, haben Ihnen keine schlaflosen Nächte bereitet?
Der Flughafen war über die Jahre hinweg eine permanente Herausforderung. Trotz ständiger Behinderungen durch Teile der Politik haben wir es geschafft, das EU-Verfahren zum Thema Subventionen erfolgreich abzuschließen. Das hing lange Zeit wie ein Damoklesschwert über uns. Mittlerweile hat der Airport seine Verluste deutlich verringert und die Zielvorgaben der EU sogar früher erreicht als vorgegeben.
Die Kosten für die Infrastruktur und für hoheitliche Aufgaben wie Flugüberwachung oder Feuerwehr ausgeklammert, bin ich überzeugt, dass der Dortmunder Flughafen bei entsprechenden Rahmenbedingungen in den nächsten Jahren schwarze Zahlen schreibt. Nein, schlaflose Nächte hat mir zwischendurch eher der Bau des Phoenix-Sees bereitet.
Warum das? Der Phoenix-See gilt als eines der markantesten und bedeutsamsten Stadtentwicklungsprojekte überhaupt.
Am Ende ist es ein tolles Projekt geworden, darauf bin ich auch stolz. Aber es gab eine Phase, in der die Kosten für die Hinterlassenschaften des oberflächennahen Bergbaus aus dem Ruder liefen und wir 100.000 Tonnen mehr Stahlbeton im Erdreich gefunden haben, als alle Recherchen und Bohrungen im Vorfeld ergeben hatten. Uns drohten ein immenser Bauverzug und ein massiver Kostensprung. Ich bin meinen Mitarbeitern wirklich dankbar, dass wir das Projekt gestemmt haben und an die Stadt übergeben konnten.

Herr Pehlke, neben fünf weiteren Ruhrgebiets-Stadtwerken hat sich auch DSW21 2010 und 2014 am Kauf des Essener Kohleverstromers Steag beteiligt. Heute stellen Sie ernüchtert fest: ‚Die Kommunen waren keine guten Eigentümer‘. War das wegen der permanent klammen Kassen nicht absehbar?
Ich muss einräumen, dass ich die Komplexität der Prozesse mit einer Fülle von Partnern unterschätzt habe. Mit Blick auf die zahlreichen Volten der Bundesregierung in Sachen Energieversorgung und den damit verbundenen Herausforderungen war das Thema Steag sicher mein langwierigstes und schwierigstes Projekt.
Ich möchte nur daran erinnern, dass die Bundesregierung noch 2008 ausdrücklich für den Bau von Kohlekraftwerken geworben hatte. Rückwirkend betrachtet muss ich sagen, dass auch die Abstimmungsprozesse unter den Eigentümern oft zäh und zermürbend waren. Jetzt haben wir einen Weg gefunden, den wir gemeinsam gehen. Der Verkaufsprozess läuft zielstrebig und wird in diesem Jahr abgeschlossen.
DSW21 ist mit 36 Prozent größter Steag-Gesellschafter und hat mit rund 220 Millionen Euro das meiste Eigenkapital in Steag gesteckt. Wie groß ist die Chance, dass DSW21 das Geld wiedersieht?
Da bin ich sehr tiefenentspannt. Gehen Sie davon aus, dass wir unser Invest auf jeden Fall in voller Höhe zurückerhalten – plus einen Betrag X. Es wäre aber zu früh und damit unseriös, jetzt schon eine konkrete Zahl zu nennen.
„Warum sollten wir Aktien verkaufen?“
Aus Teilen der Dortmunder Politik gab es immer mal wieder die Forderung, DSW21 als Energieholding solle das RWE-Aktienpaket verkaufen. Sie haben aber das glatte Gegenteil gemacht und sogar zugekauft. Fühlen Sie sich aktuell in Ihrer Haltung bestätigt?
Zunächst einmal: Der Verkauf von Aktien ist ausschließlich Angelegenheit des Vorstandes einer AG. Dazu kann er nicht angewiesen werden. Mittlerweile hält DSW21 rund 24,4 Millionen RWE-Aktien.
Zum Vergleich: Ende der 80er Jahre hat uns die Stadt ihre VEW-Aktien zur Finanzierung des Nahverkehrs übertragen. Rechnet man den damaligen Bestand in RWE-Aktien um, waren es gerade mal acht Millionen. Nein, ich war mir sicher, dass RWE den Transformationsprozess einschlagen und auch meistern würde. Die Dividende ist wieder attraktiv.
Was erwarten Sie denn fürs Geschäftsjahr 2023?
2021 hat RWE 80 Cent pro Aktie ausgeschüttet, im vergangenen Jahr 90 Cent. Aus dem Geschäftsjahr 2023 erwarten wir rund einen Euro. Wir haben zum ersten Mal in der Geschichte des Konzerns eine verlässliche Dividendenentwicklung. Warum also sollten wir Aktien verkaufen?
„Manchmal muss man streitbar sein“
Herr Pehlke, Sie galten als streitbare Führungsperson, die nur wenigen Konflikten aus dem Weg gegangen ist und manchen Leuten in der Politik und im Rathaus zeitweise zu eigenmächtig geworden war. Beispielsweise in wichtigen Personalfragen. Wie bewerten Sie das?
Ich habe immer dann, wenn es um die Interessen von DSW21 ging, keinen Spaß verstanden. Und ich bin rückblickend stolz darauf, dass ich die Interessen des Konzerns stets an die erste Stelle gesetzt habe. Aber ich habe trotzdem immer versucht, einen Kompromiss zu finden, der auch der Stadt weiterhilft und von dem sie profitiert.
Ja, ich gebe zu, die damalige Aufregung um die Bestellung von Udo Mager zum Flughafenchef war berechtigt. Aber: Hätte ich ihn nicht im Husarenritt und zunächst ohne Ratsbeschluss durchgesetzt, hätten wir den bestmöglichen Kandidaten für die Geschäftsführung des Flughafens zum damaligen Zeitpunkt nicht bekommen.
In anderen Fällen wiederum war die Aufregung bei genauem Hinsehen eben nicht gerechtfertigt. Im Übrigen muss man manchmal auch streitbar sein.

Der Effekt ist, dass der Rat städtische Unternehmen wie DSW21 enger an die Kandare nimmt und die Instanz für das alles entscheidende Wort sein will. Stichwort: ‚Primat der Politik‘. Gut oder schlecht aus Ihrer Sicht?
Wir haben den Willen des Rates immer beachtet und umgesetzt. Aber: Politische Meinungsbildung und Willensbekundungen finden, zumal im Falle einer Aktiengesellschaft, bisweilen ihre Grenzen an der Gesetzgebung und an der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens.
Mein Ziel war es immer, die unterschiedlichen Interessen unter einen Hut zu bekommen. Das gelingt im Alltag mal besser, mal schlechter. Politik ist für den Rahmen zuständig, aber nicht fürs Tagesgeschäft.
„Energie- und Verkehrswende werden wir aus eigener Kraft allein nicht stemmen können“
DSW21 hat eine Menge Projekte finanziert. Weitere kündigen sich an: von der Entwicklung der Speicherstraße über die Verkehrs- und Energiewende bis hin zur möglichen Neugestaltung des nördlichen Bahnhofsumfeldes: Wann ist die Grenze zur Überforderung erreicht?
Richtig ist, dass wir aufgrund der Situation an den Energiemärkten auf der Ebene unserer Tochter DEW21 in einem Maße Liquidität nachweisen müssen, wie wir das bislang nicht gekannt haben. Wir müssen beispielsweise die Terminhandelsgeschäfte von DEW21 absichern. Weil das unheimlich viel Kapital bindet, brauchten wir ja auch die Bürgschaft der Stadt Dortmund.
Für die Zukunft kann ich nur sagen: Aufgaben wie die Energie- und Verkehrswende werden wir aus eigener Kraft allein nicht stemmen können. Hier sind wir auf Fördermittel aller Ebenen angewiesen, einschließlich des Landes.
Herr Pehlke, vor Ihnen und Ihrer Familie liegt nun ein Jahr in Australien. Und was kommt nach der Rückkehr? Erzählen Sie uns bitte nicht, dass Sie dann Bücher lesen, die Sie schon immer lesen wollten und sich gepflegt dem Vorgarten widmen.
Auf die Gefahr hin, dass Sie es mir nicht glauben: Ich freue mich auf meinen Ruhestand, und ich gehöre nicht zu den Menschen, die sich aus ihrem Ruhestand heraus aufdrängen. Ich übe einige Ehrenämter aus, die ich weiter wahrnehmen werde, fahre gern Motorrad und bin in Sportvereinen aktiv. Für all das werde ich künftig mehr Zeit haben.
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