Dortmund braucht mehr direkte Demokratie!

© Verena Hasken (Illustration)

Dortmund braucht mehr direkte Demokratie!

rnKolumne: Klare Kante

Ob Radwege, Schulschließungen oder Hallenbäder: Die Bürger anderer Großstädte nutzen die Chance für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide über relevante Themen viel stärker als die Dortmunder.

Dortmund

, 18.02.2019, 04:11 Uhr / Lesedauer: 3 min

Mögen es viele Dortmunder auch nicht glauben: Ja, auch Bayern ist eine Demokratie. Und manchmal eine sehr vorbildliche. Die Planungen des von der dortigen Staatsregierung favorisierten Baus einer dritten Startbahn am boomenden Großflughafen im Erdinger Moos sind für fünf Jahre auf Eis gelegt worden. Weil der neue Koalitionsvertrag zwischen CSU und Freien Wählern das vorsieht. Vor allem aber auch, weil es schon 2012 ein klares Signal gab: 54,3 Prozent der Münchner Stimmbürger haben damals in einem Bürgerentscheid den Ausbau abgelehnt.

Bürgerbegehren und Bürgerentscheide machen es möglich, Blütenträume der Regierenden mit einer demokratisch erreichten Stimmenmehrheit zu durchkreuzen – oder eigene Vorstellungen durchzusetzen. In unserer Stadt öffnet der Paragraf 8 der Hauptsatzung dazu den Weg:

„Die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Dortmund können beantragen, dass sie anstelle des Rates über eine Angelegenheit der Stadt Dortmund selbst entscheiden“. Dies gilt auch begrenzt auf einen Stadtbezirk. Die Stadt Dortmund sei ihren Bürgerinnen und Bürgern zudem bei der Einleitung eines Bürgerbegehrens „behilflich“, verspricht die Info auf der Website der Stadt.

Sechs Bürgerbegehren: Dortmunder sind sehr zurückhaltend

Jetzt die kalte Dusche: Den Dortmundern ist das piepegal. Sie lassen ihre Chance ungenutzt. Nur sechsmal zeigten Bürger der drittgrößten Stadt in NRW auf diese Weise ihr Engagement, seit 1994 die gesetzlichen Möglichkeiten dazu geschaffen wurden. Bonn ist halb so groß. Aber hier waren es in der gleichen Zeit 16 Unterschriftensammlungen und Abstimmungen, in Bielefeld 14, Düsseldorf und Essen weisen elf auf und Aachen und Duisburg neun. Nur Köln, die Millionenstadt, liegt mit sieben etwa auf dem niedrigen Level Dortmunds.

Die letzte Dortmunder Initiative zu einem Bürgerbegehren ist lange her. 2011 sollte der Stadtbezirk Eving erhalten bleiben. Dem Anliegen fehlte am Ende die Rechtsgrundlage. Zuvor sind einige andere Vorstellungen offenbar wegen fehlender Unterschriften nicht zustande gekommen. Das war 2008, als der Flughafenausbau blockiert und 2002, als ein Minarettbau verhindert werden sollte. Zweimal, beim Erhalt von Bildungseinrichtungen wie Horten und Schulen, übernahm der Stadtrat die Ideen der Initiatoren. Immerhin.

Erfolgreiche Bürgerbegehren in direkter Nachbarschaft

Im Verhältnis zu 784 landesweiten Initiativen für Bürgerbegehren seit 1994 und 242 zustande gekommenen Abstimmungen ist das unterm Strich lächerlich wenig. Dabei können Vorstöße krachende Wirkung haben, wie die Nachbarn vorgeführt haben: In Duisburg kippten 2017 bei einer Beteiligung von 200.000 Bürgern 51,05 Prozent den Plan ihrer Stadt, auf dem Gelände eines alten Güterbahnhofs den Bau des größten Outlet-Centers der Republik zu genehmigen. Sie hatten – siehe Centro Oberhausen – wohl zu Recht Angst um die Attraktivität der City. Auch die Essener machten ihren Stadtoberen einen Strich durch die Absicht, für 123 Millionen Euro die Messe zu modernisieren. Zu teuer.

Wissen die Dortmunder um ihre Möglichkeiten?

Woran liegt es, dass sich Dortmund zur Diaspora der direkten Demokratie entwickelt hat? Etwa, weil es hier derzeit keine Großvorhaben wie Outlet-Center und Messemodernisierungen gibt, die stadtteilübergreifend diskutiert werden? Wären nicht erneut Flughafen oder die leidige B1-Frage ein Thema?

Gut möglich ist auch, dass die Dortmunder einfach zu wenig von ihrem Glück wissen. Es braucht eine neue Informationskampagne, um sie darauf mit der Nase zu stoßen.

Dabei zeigt der Blick in die Liste, die die nordrhein-westfälische Landesorganisation von „Mehr Demokratie e.V.“ zu den für das Jahr 2019 beantragten 19 Bürgerbegehren aufgestellt hat, einen wichtigen Trend.

Radwege, Schulschließungen und Marktplatzgestaltung

Die Leute wollen am liebsten bei ganz alltäglichen Sachen beteiligt sein. Über mehr Radwege abzustimmen gehört dazu, wie in Aachen und Bielefeld. Maßnahmen, um Schulschließungen zu verhindern, wie in Dinslaken. Oft geht es um die Gestaltung eines Marktplatzes. Bürger wollen in diesem Jahr darüber in Essen, Oelde und Geseke entscheiden. Auch Grundstücksgeschäfte und Planungen sind beliebte Themen. Oder das Ja oder Nein zum Erhalt oder Neubau von Hallenbädern.

Direkte Demokratie als Ergänzung repräsentativ zustande gekommener Ratsentscheidungen tut allen gut. Den Bürgern, weil es ihr Selbstbewusstsein als Staatsbürger stärkt. Den Kommunalpolitikern, weil sie lernen können, noch genauer hinzuhören. Allerdings erschwert die NRW-Gemeindeordnung es immer noch, die Einwohner direkt an den wichtigen Entscheidungen in ihrer Kommune zu beteiligen. Dass in Nordrhein-Westfalen 38 Prozent der Initiativen schon an formalen Hürden scheitern, ist nicht hinnehmbar. In Bayern sind es nur 17 Prozent. Könnte die Dortmunder Politik der Landesregierung bitte mal Feuer machen?

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