Das börsennotierte Dortmunder Unternehmen Adesso hat einigen Mitarbeitern gekündigt. Ein Insider sagt: „Aktuell ist sehr viel Unruhe da.“ Mitarbeiter, die erst vor kurzer Zeit eingestellt wurden, seien betroffen. Die Kündigungen betreffen Mitarbeiter einer Tochtergesellschaft von Adesso, der Adesso Insurance Solutions GmbH. Adesso spricht von 13 Fällen, acht Mitarbeiter seien versetzt worden, fünf mussten das Unternehmen verlassen.
2023 rühmte der Mutterkonzern sich als „bester Arbeitgeber Deutschlands“. Über 10.000 Bewerbungen bekommt das Unternehmen pro Monat. Gehaltsdaten von Kununu zeigen, dass die Adesso Insurance mit rund 70.800 Euro brutto durchschnittlich sogar mehr Gehalt zahlt als der Mutterkonzern mit 62.900 Euro. Erst im April 2024 hat das Unternehmen seinen neues Gebäude eröffnet. Werden die Kündigungen nun zum Image-Problem für Adesso?
Einige Mitarbeiter der Adesso Insurance halten die Firma derzeit für einen schlechten Arbeitgeber. Das Tochter-Unternehmen hat sich Adesso zufolge innerhalb von zwei Jahren von rund 482 Mitarbeitern auf im Mai 2024 fast 605 vergrößert: „Es gibt auch einige Schattenseiten, über die Adesso aber nicht reden will“, berichtet ein Insider.
Adessos aussichtsreiche Verhandlungen
Die Geschichte beginnt Ende 2022. Die Geschäftsführung kalkuliert einem Insider zufolge mit mehr Umsatz. Der Softwareentwickler ist auf die Versicherungsbranche spezialisiert, Verhandlungen über Lizenzen für ihre Software und Service-Leistungen sind geplant. Zu Beginn des Jahres starten diese auch mit zwei potenziellen Großkunden. Die Geschäftsführer der Adesso Insurance rechnen mit mehr Umsatz im Lizenzgeschäft als bisher geplant, so berichtet es ein Insider.
Die Geschäftsführung sei sich in der Sache sicher gewesen: „Im Laufe des Jahres waren die Verhandlungen so aussichtsreich, dass man fest damit gerechnet hat, dass die Verträge abgeschlossen werden“, sagt der Insider. Das Unternehmen habe für 2023 mit einem Umsatz von bis zu 69 Millionen Euro gerechnet. Das wäre ein Plus von rund 23 Prozent gegenüber dem Jahr 2022 – ein Spitzenwert. Der neue Hauptgeschäftsführer der Adesso Insurance Andreas Nolte sagt zu diesen Zahlen: „Unterjährige Plan- oder Forecast-Werte kommunizieren und kommentieren wir nicht.“

Was klar ist: Der Mutterkonzern hat in seinem Geschäftsbericht 2023 erklärt, dass die Adesso Insurance Solutions „aufgrund von nicht ausreichenden Lizenzplatzierungen anders als in den Vorjahren keinen positiven Ergebnisbeitrag 2023 leisten konnte.“ 2023 machte das Unternehmen 56 Millionen Euro Umsatz – in etwa so viel wie 2022. Wachstum? Gab es nicht oder sehr wenig.
Adessos Fehlkalkulation
Nachdem das Unternehmen bereits 2022 neue Mitarbeiter eingestellt hat, folgen laut einem Insider wegen der geplanten Vertragsabschlüsse im Juni 2023 die nächsten Einstellungen. Doch nur zwei Monate später verliert das Unternehmen die Aufträge an die Konkurrenz: Im August 2023 sagt der erste Versicherer ab, kurz danach der zweite.
Die Adesso-Tochter hat aber bereits teure IT-Fachkräfte eingestellt. Diesen wurden laut Insidern rund 80.000 bis 90.000 Euro Brutto-Jahresgehalt gezahlt. Dem Unternehmen entgehen Umsätze in Millionenhöhe. Ein Insider sagt: „Je fortgeschrittener die Verhandlungen waren, desto stärker hat man die Finanzplanung nach oben angepasst.“
Aus der Sicht des Adesso-Hauptgeschäftsführers klingt der Sachverhalt anders: „Der Erfolg oder Misserfolg in einzelnen Ausschreibungen hat keinen Einfluss auf Einstellungen und die langfristige Geschäftspolitik“, schreibt Nolte auf Anfrage. Allgemein gilt: In Unternehmen werden neue Jobs eigentlich nur geplant, wenn sich die Geschäftsführer von den Investitionen auch mehr Umsatz und Gewinn versprechen.
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Adesso kündigt Mitarbeitern
Dass es nun zu Kündigungen gekommen ist, begründet Nolte mit „einer Restrukturierung“. Das Wort beschönigt in der Wirtschaftswelt die Situation von Unternehmen. Eine Restrukturierung heißt oft auch: Das Management hat die Firma in eine schlechte oder stagnierende Lage geführt und muss nun wieder erfolgreicher werden. Kosten durch Entlassungen einzusparen, sind häufig Teil solchen „Restrukturierungen“.
Nolte begründet die fünf Entlassungen vor allem mit „Querschnittsfunktionen, etwa aus dem Marketing, Recht und Finanzen, die nicht zum Kerngeschäftsfeld von Adesso Insurance Solutions gehören.“ Diese seien nun in den Mutterkonzern verlagert worden und sollten von dort zentral organisiert werden.
Eine der Folgen der Fehlkalkulation war auch, dass Andreas Nolte bei Adesso Insurance erst im Januar 2024 übernommen hat. Doch mit ihm ist es im Unternehmen nicht unbedingt ruhiger geworden. Denn er leitete 2024 die „Restrukturierung“ ein, bei der Mitarbeiter das Unternehmen verlassen müssen. Ein Insider sagt: „Selbst Mitarbeiter, die direkt mit Kunden abrechnen, sorgen sich gerade um ihre Zukunft.“
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 25. Juni 2024.