Bewerberflut bei IT-Unternehmen Adesso Dortmund 10.000 Bewerbungen im Monat

IT-Unternehmen Adesso erhält rund 10.000 Bewerbungen im Monat
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Ein Tochterunternehmen von Adesso hat einigen Mitarbeitern gekündigt, wie im Juni bekannt wurde. Es herrsche Unruhe, so ein Insider. Adesso gilt als äußerst beliebter Arbeitgeber. Im Mai 2014 haben wir über die außergewöhnliche Bewerberflut berichtet, die das Unternehmen managt. Angesichts der aktuellen Kündigungen und dem großen Interesse haben wir uns entschieden, den Artikel vom Mai an dieser Stelle erneut zu veröffentlichen.

Vielen Unternehmen fehlt Personal. „Wir suchen dich“ oder „Komm in unser Team“ steht auf der Hecktür von fast jedem Firmenwagen. Mit dem Angebot „Werde Genussberater“ wirbt eine Bäckereikette um Bäckereifachangestellte. Restaurants bleiben montags und dienstags geschlossen, weil sie kaum Personal haben. Das Nahverkehrsunternehmen DSW21 ging an Autobahnraststätten und versuchte Brummifahrer abzuwerben, weil Busfahrer fehlen.

Da fragt man dreimal nach, wenn man die Zahl an Bewerbungen hört, die monatlich bei dem Dortmunder IT-Dienstleister Adesso eingehen. Es sind rund 10.000 (!). „Im ersten Quartal dieses Jahres haben wir rund 30.000 Bewerbungen erhalten. Das ist rekordverdächtig“, sagt Kristina Gerwert, Personalvorstand bei Adesso. Die Bekanntheit im Markt führe dazu, dass sich immer mehr Menschen für einen Job bei Adesso interessieren.

Die Adesso Group mit ihrem Hauptsitz auf der Stadtkrone Ost ist mit über 9900 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von über 1,1 Milliarden Euro eins der größten deutschen IT-Dienstleistungsunternehmen. Und es setzt weiter auf Wachstum. „Das ist in der Branche nicht mehr die Regel. Generell wird weniger eingestellt. Auch deshalb erleben wir eine Bewerberschwemme“, sagt Kristina Gerwert. Beim Mitbewerber Materna, der im kommenden Monat von der Voßkuhle in einen spektakulären Neubaukomplex auf Phoenix-West umzieht, ist das übrigens ähnlich: dort gehen, so die Auskunft, monatlich gut 4000 Bewerbungen ein.

Adesso auf Wachstumskurs

Aber zurück zu Adesso. Das Umsatzwachstum von Adesso im deutschen Markt liegt bei 17 Prozent. „Und mit diesem Wachstum geht einher, dass wir auch Personal einstellen. Die Anzahl der auf Vollzeitstellen umgerechneten Mitarbeitenden wurde im ersten Quartal dieses Jahres um 17 Prozent und damit überproportional zum Umsatz auf 9.926 (Vorjahr: 8.513) ausgebaut“, sagt Kristina Gerwert.

Adesso ist als IT-Dienstleister vor allem bei Öffentlichen Verwaltungen – unter anderem auch bei der Stadt Dortmund – und im Gesundheitswesen gefragt. Der Dortmunder Standortortleiter Jens Spitczok von Brisinski begründet das derzeitige Wachstum so: „Trotz einer eher verhaltenen allgemeinen Entwicklung von Konjunktur und Wettbewerb trifft das Portfolio von Adesso für die weitere Digitalisierung von Unternehmen auf eine grundsätzlich gute Nachfrage.“

Jens Spiczok von Brisinski ist Standortleiter von Adesso in Dortmund. „Wir wollen der beste Arbeitgeber sein. Für Wachstum brauchen wir auch Kultur“, sagt er.
Jens Spiczok von Brisinski ist Standortleiter von Adesso in Dortmund. „Wir wollen der beste Arbeitgeber sein. Für Wachstum brauchen wir auch Kultur“, sagt er. © Adesso

Aber nicht nur der Wachstumskurs, sondern auch die Attraktivität von Adesso als Arbeitgeber ziehe Bewerber an. Jens Spitczok von Brisinski verweist auf den frisch bezogenen Neubau mit rund 400 zusätzlichen Arbeitsplätzen an der B1. Die modernen, offenen Büroflächen fördern die kreative Zusammenarbeit. Ergänzt werden sie durch zahlreiche Rückzugsmöglichkeiten in Form kleinerer Büros für konzentriertes Arbeiten. Dazu kommen 24 Tagungs- und Meetingräume, Interaction Rooms für die gemeinsame Ideenfindung sowie ein Aufnahmestudio für Bewegtbild- und Audioformate. Einzigartig ist die 5. Etage: Neben einer Eventküche für gemeinsame Kocherlebnisse findet sich dort eine Skylounge mit Bar und Billardtisch für Veranstaltungen und zum Entspannen. „Wir wollen der beste Arbeitgeber sein. Für Wachstum brauchen wir auch Kultur“, sagt Jens Spitczok von Brisinski.

3,6 Prozent eingestellt

Im vergangenen Jahr wurden rund 2 Prozent aller Bewerberinnen und Bewerber bei Adesso eingestellt. „In Dortmund sind es mehr. Hier haben wir 3,6 Prozent eingestellt, weil wir hier am Hauptsitz nicht nur das größte, sondern auch das breiteste Arbeitsplatzangebot mit Jobs auch in der Unternehmensverwaltung haben“, sagt die Personalchefin Kristina Gerwert.

Das neue Firmengebäude von Adesso an der B1 in Dortmund. 11.150 Quadratmeter verteilen sich auf fünf Etagen mit rund 400 Arbeitsplätzen, die die bereits bestehenden 1.000 am Standort Dortmund ergänzen, sowie einer Tiefgarage mit 210 Parkmöglichkeiten. Letztere sind mit 50 Ladepunkten für Elektrofahrzeuge bestückt.
Das neue Firmengebäude von Adesso an der B1. 11.150 Quadratmeter verteilen sich auf fünf Etagen mit rund 400 Arbeitsplätzen, die die bereits bestehenden 1.000 am Standort Dortmund ergänzen, sowie einer Tiefgarage mit 210 Parkmöglichkeiten. Letztere sind mit 50 Ladepunkten für Elektrofahrzeuge bestückt. © Adesso/Marcus Schwier

Bewältigt wird die Flut an Bewerbungen rein digital. „Es gibt keine postalischen Bewerbungen, alle kommen per Mail. Wir schaffen es durch eine Standardisierung von Prozessen, die Bewerbungen zu sichten und die geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten zu ermitteln. Im Durchschnitt dauert es drei Wochen, bis wir im positiven Falle ein erstes Vertragsangebot unterbreiten“, so Kristina Gerwert.

Der Kontrast zu vielen anderen Unternehmen in Dortmund könnte teilweise größer nicht sein – selbst in der IT-Branche, wie Heike Bettermann, die Chefin der hiesigen Arbeitsagentur, feststellt: „Die IT-Berufe zählen zu den von uns für Dortmund identifizierten Engpassberufen – allerdings auf Expertenebene, das bedeutet: mit passendem Studium.“

DSW21 zählt 2600 Bewerbungen

Vor allem im Handwerk und in der Gastronomie gibt es Betriebe, die keine oder kaum Bewerber haben. „Es gibt natürlich Branchen“, sagt Heike Bettermann, „die aus verschiedenen Gründen nicht so nachgefragt sind, sei es wegen weniger attraktiver Rahmenbedingungen, etwa in der Gastronomie und im Bäckereihandwerk, oder aus Lifestyle- bzw. Imagegründen, wie etwa im Fleischereihandwerk.“

Heike Bettermann, Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit in Dortmund, ordnet die enormen Bewerberzahlen bei Adesso ein: „Zahlen in dieser Größenordnung spiegeln nicht den Dortmunder Arbeitsmarkt wider. Im Gegenteil: Die IT-Berufe zählen zu den von uns für Dortmund identifizierten Engpassberufen – allerdings auf Expertenebene.“
Heike Bettermann, Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit in Dortmund, ordnet die enormen Bewerberzahlen bei Adesso ein: „Zahlen in dieser Größenordnung spiegeln nicht den Dortmunder Arbeitsmarkt wider. Im Gegenteil: Die IT-Berufe zählen zu den von uns für Dortmund identifizierten Engpassberufen – allerdings auf Expertenebene.“ © Agentur für Arbeit

Die meisten der Agentur für Arbeit gemeldeten offenen Stellen entfallen derzeit auf die Berufsgruppen Verkauf, Lagerwirtschaft/Post/Zustellung, Gesundheits- und Krankenpflege sowie Altenpflege. Insgesamt zählt die Agentur in diesem Monat 4.200 offene Stellen. Das sind 235 mehr als im Vormonat und 206 mehr als im April des Vorjahres.

Noch ein Vergleich zu den rund 90.000 Bewerbungen bei Adesso im vergangenen Jahr: DSW21 erhielt rund 1000 Bewerbungen für den Fahrdienst und 1600 Bewerbungen für kaufmännische und gewerbliche Jobs. „Die Tendenz der Bewerbenden steigt, was aber auch durch eine Steigerung der Ausschreibungen bedingt ist“, sagt DSW21-Sprecher Frank Fligge. „Bauingenieure aber“, so ergänzt er, „sind weiterhin Mangelware und unser schwer zu besetzender Bereich.“ Immerhin: die Aktion auf den Rastplätzen hat nicht nur mediale Aufmerksamkeit geschaffen, sondern auch zu einigen Bewerbungen für das Busfahren geführt.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 16. Mai 2024.