Die SPD-Bundestagsfraktion berät über einen „bundesweiten Mietenstopp“. Sie will Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) bewegen, die Miet-Erhöhungen in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt auf maximal sechs Prozent in drei Jahren zu begrenzen. Gut möglich, dass das nach der Kindergrundsicherung das nächste Thema ist, dass die Regierungskoalition bei ihrer Klausur in Meseberg (bis Mittwoch, 30. August) auseinandertreibt.
Aber: In Dortmund gibt es trotz Rekordmieten gar keine Mietpreisbremse – noch. Denn der Dortmunder Mieterverein hatte zuletzt eine solche gefordert. Jetzt widerspricht Haus & Grund, die Interessensvertretung der Vermieter und Hausbesitzer in Dortmund. Ist die Einführung einer Mietpreisbremse in Dortmund überhaupt realistisch? Warum gibt es sie derzeit nicht? Und: Werden Miet-Wohnungen zwischen Höchsten und Brechten bald unbezahlbar? Die wichtigsten Fragen zum Thema Mieten und mögliche Reformen.
Wie ist die Lage in Dortmund?
In Dortmund sind die Mieten im vergangenen Jahr laut städtischem Wohnungsmarktbericht auf ein Rekordniveau gestiegen. Für Bestandswohnungen – also Wohnungen, die fertiggestellt sind und 2022 zur Vermietung angeboten wurden – ist der Preis im Vergleich zum Vorjahr um 4,4 Prozent auf 8,26 Euro pro Quadratmeter gestiegen. Das sind 74 Cent mehr als vor zwei Jahren. Vor fünf Jahren hatte der Mietpreis noch bei 7 Euro gelegen.
Noch deutlicher ist der Anstieg bei Neubauten, also Wohnungen, die zum ersten Mal vermietet wurden. Hier knackte der Wert mit 12,09 Euro pro Quadratmeter erstmals die Zwölf-Euro-Grenze. Das sind fünf Prozent mehr als 2021 oder einen Euro mehr je Quadratmeter im Vergleich zu 2020. Vor fünf Jahren lag er bei 10,50 Euro. Erhoben wurden die Kalt-Mieten von Wohnungen, die auf dem Markt angeboten wurden. Der Euro-Wert ist der sogenannte Median – das heißt die Hälfte der Mietpreise liegt über diesem Wert, die andere Hälft drunter.
Welche Wohnungen in Dortmund werden besonders teuer?
Bei großen Wohnungen sind die Preise besonders stark gestiegen – „das mangelnde Angebot an großen Wohnungen im unteren und mittleren Preissegment wird vom Großteil der Befragten als vorrangiges Problem des Dortmunder Mietwohnungsmarkt benannt“, notiert dazu der Wohnungsmarkbericht.1743 Haushalte stehen auf der Warteliste für eine öffentlich geförderte Wohnung – „für Single Haushalte sowie große Familien mit fünf und mehr Personen wird es immer schwieriger, eine bezahlbare Wohnung zu finden“.
Warum gilt in Dortmund keine Mietpreisbremse?
Wo eine Mietpreisbremse gilt, legt das Land fest. Es ermittelt anhand von vier Kriterien, wo ein angespannter Wohnungsmarkt herrscht. „Für Gebiete, in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist, enthält das Bürgerliche Gesetzbuch besondere Vorschriften zum Schutz von Mieterinnen und Mietern“, erläutert Dennis Soldmann, Haus & Grund-Geschäftsführer.
In NRW hat die Firma Empirica diese Gebiete ermittelt – „die Ergebnisse wurden 2020 präsentiert und der Dortmunder Wohnungsmarkt gehört nicht dazu“, so Dennis Soldmann. In Münster, Köln und 16 anderen NRW-Gemeinden gilt sie hingegen.
Was regelt die Mietpreisbremse?
Sie dämpft zum einen den Preis-Anstieg bei Neuvermietungen – die neu vereinbarte Miete darf nur zehn Prozent über der ortsüblichen Miete liegen. Diese Regelung soll nach der jetzt auf dem Tisch liegenden SPD-Forderung bis 2029 verlängert werden.
Außerdem darf derzeit die Miete von Bestands-Wohnungen in den erwähnten 18 NRW-Gemeinden nicht stärker als 15 Prozent in drei Jahren angehoben werden. Das soll – wie im Koalitionsvertrag vereinbart – auf 11 Prozent gesenkt werden. Für Gemeinden, in denen der Wohnungsmarkt offiziell nicht angespannt ist – wie eben Dortmund – gilt lediglich für Bestandsmieten eine 20-Prozent-Grenze in drei Jahren.
Wer will die Mietpreisbremse in Dortmund und warum?
Markus Roeser, wohnungspolitische Sprecher des Mieterverein Dortmund fordert mehr Aktivitäten vom Land und – wie die SPD – von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP): „Bei neuen Mietverträgen sind die Menschen in Dortmund weiterhin nicht geschützt. Wer dringend eine neue Wohnung benötigt, muss immer höhere Preise zahlen, auch für Wohnungen mit geringen Standards. Es wird Zeit, dass die Neuvertragsmieten in Dortmund gebremst werden. Die NRW-Landesregierung hat es in der Hand, hier für mehr Mieterschutz zu sorgen“, sagt er.
Sein Argument: Die Bezahlbarkeitsanalyse der Stadt Dortmund habe gezeigt, dass Mieten in Dortmund in den letzten Jahren stärker gestiegen sind als die Einkommen. In der Tat enthält der Wohnungsmarkbericht einen „Exkurs Bezahlbarkeitsanalyse“, der darlegt, dass die indizierte Angebotsmiete seit 2012 um mehr als 50 Prozent gestiegen ist, während das Durchschnittseinkommen noch nicht einmal um 40 Prozent gestiegen ist. „Es bleibt eine starke Diskrepanz zwischen Angebotsmieten- und Einkommensentwicklung.“
Wer ist gegen die Mietpreisbremse in Dortmund und warum?
„Die Forderung einer Mietpreisbremse ist aus unserer Sicht reiner Populismus, da das Problem nicht bezahlbarer Mieten in Dortmund bei der breiten Masse nicht zutreffend ist“, sagt Dennis Soldmann von Haus & Grund. Der Verband hat in einer eigenen Studie ebenfalls die Bezahlbarkeit des Wohnens untersucht – mit dem Ergebnis: Mieten in Dortmund sind für Bezieher von Lohneinkommen in den letzten Jahren bezahlbarer geworden. Nicht die Netto-Kaltmieten, sondern die Nebenkosten seien das Problem.
Und: „Hier muss die Politik Maßnahmen ergreifen, um das Wohnen nicht durch immer weitere Regulierungen und immer neue Bauvorschriften weiter zu verteuern. Die ideologiegetriebene Argumentation der explodierenden Mieten muss endlich enden“, sagt Haus & Grund-Hauptgeschäftsführer Thomas Bach. „Herr Roeser ignoriert mit seinen Ausführungen sowohl die gesetzlichen Vorgaben für eine Mietpreisbremse als auch die Realitäten am Dortmunder Wohnungsmarkt. Es besteht für unsere Stadt auch nicht ansatzweise der Bedarf und die gesetzliche Notwendigkeit, eine Mietpreisbremse einzuführen“, ergänzt er.
Gibt es amtliche Statistiken zum Thema: Wie bezahlbar ist Wohnen in Dortmund?
Ja, am 24. August 2023 hat IT.NRW auf Basis von Daten der Statistischen Ämter des Bunds und der Länder neue Zahlen für 2022 zum Thema „Mietbelastungsquote in NRW“ vorgelegt. Diese Quote beschreibt das Verhältnis zwischen Netto-Einkommen und Miete inklusive Nebenkosten, beantwortet also die Frage: Wie hoch ist der Prozent-Anteil, den ich von meinem verdienten Geld für die Miete ausgeben muss?
Die Antwort für Dortmund: Die Miete pro Quadratmeter ist günstig, der Anteil am Nettoeinkommen überdurchschnittlich hoch. Letzteres gilt für ganz NRW: Im Schnitt zahlten die Mieter an Rhein, Ruhr und Weser im vergangenen Jahr 8,30 Euro pro Quadratmeter – 30 Cent weniger als im Bundesdurchschnitt. Allerdings entsprach das in NRW 28,9 Prozent des Netto-Einkommens, während es in ganz Deutschland lediglich 27,8 Prozent sind.
In Dortmund verstärkt sich diese Tendenz noch einmal: Während die Bruttokaltmiete 2022 hier bei exakt 8 Euro pro Quadratmeter lag, müssen der Dortmunder und die Dortmunderin fast 30 Prozent – exakt 29,5 Prozent – des Nettoeinkommens für die Miete aufwenden. Das ist in NRW überdurchschnittlich. Dortmund liegt auf Rang 9 von 22 kreisfreien Städten – in Köln und Krefeld ist der Satz mit 31,7 Prozent am höchsten.
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