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„Die gesamte Branche ist in die Perspektivlosigkeit geschickt worden“
Dortmunds Clubszene
Leere Hallen statt Konzerte und Messen: Corona hat die Veranstaltungen zum Erliegen gebracht. Die Betreiber von FZW und Warsteiner Music Hall starten mit Sorgen ins Jahr – und ringen um Alternativen.
„Veranstaltung verschoben“, „Veranstaltung abgesagt“ Beim Blick auf den Terminkalender könnte Volker May, Geschäftsführer im FZW an der Ritterstraße, in Depressionen verfallen. Konzerte? Partys? Tanzveranstaltungen? Kann man für Januar komplett vergessen. Abgesehen von einer Filmvorführung über Extremsportarten sind alle Veranstaltungen abgesagt oder werden gestreamt.
„Das zieht sich teilweise schon bis in den Februar“, sagt May.
Bereits 2021 seien „fast 80 Prozent der Veranstaltungen“ ins Wasser gefallen. Und jetzt: erneuter Lockdown, wieder Stillstand. Trotz aller Hygienekonzepte. „Uns fehlt die Perspektive“, klagt der FZW-Geschäftsführer, „und das muss man mental erstmal verarbeiten.“
Sicher, sagt May, die beantragte „Überbrückungshilfe“ funktioniere. Und die insgesamt zehn festangestellten Mitarbeiter könnten zumindest wieder Kurzarbeitergeld beantragen. Größere Sorgen bereiten dem FZW-Chef die rund 60 Aushilfskräfte, die teilweise in der Gastronomie tätig waren. „Die werden nicht alle bei der Stange bleiben, viele suchen sich natürlich neue Jobs“.
FZW: Verhandlungen und Zwangsversteigerungen statt Konzerte
Im Klartext: Sobald das Geschäft wieder anläuft, muss sich das FZW neue Aushilfskräfte beschaffen. Das habe schon 2021 Probleme bereitet, sagt May. Veranstaltungen streamen? Der Aufwand sei hoch, sagt May. „Geld lässt sich damit aber nicht verdienen.“

Eine Szene wie aus einer anderen Zeit: Der Auftritt der "Kapelle Petra" im März 2020 war das letzte Konzert im FZW unter halbwegs normalen Bedingungen. © Petra Hahnefeld
Da kommt es mehr als gelegen, dass die Partyflächen im FZW inzwischen schon für Gerichtsverhandlungen und Zwangsversteigerungen entfremdet werden. „Das bringt zumindest ein bisschen Erlöse“, sagt May. Eine echte Alternative für Dortmunds Party-Location ist das jedoch nicht.
Im Vergleich dazu ist die Warsteiner Music Hall (WMH) auf Phoenix-West besser dran. An die Prävent GmbH vermietet und zum Impfzentrum umfunktioniert, kann Geschäftsführer Alexander Richter zumindest auf regelmäßige Erlöse setzen. „Ich hoffe, dass wir im März wieder in den Regelbetrieb kommen“, sagt Richter.
Warsteiner Music Hall: Gastro-Chefin gab ihren Job auf
„Aktuell beschäftigen wir uns nur mit Absagen – das demoralisiert.“ Veranstalter benötigten in der Regel ein halbes bis ganzes Jahr Vorlauf, abhängig von der Größe des Events. Das zeige, wie schwierig die Planung sei.
Als Betreiber der Music Hall steht Richter vor einem ähnlichen Problem wie das FZW: Woher gutes Personal bekommen? 21 Aushilfen und fünf Festangestellte standen zuletzt auf der Liste. Mitunter verabschieden sich sogar feste Arbeitskräfte.

Für die Warsteiner Music Hall auf Phoenix-West werden bereits alternative Events geplant. Eine Veranstaltung der Sparkasse gab es schon. © Oliver Schaper
Ende 2021 beispielsweise habe die Gastroleiterin gekündigt. „Sie wollte sich eine Auszeit nehmen“, sagt Richter. Ob sie zurückkommt, ist ungewiss. „Das ist sinnbildlich für die komplette Branche“, sagt Richter. „Die Mitarbeiter laufen weg.“
Insgesamt mache er sich „große Sorgen ums Konzertgeschäft.“ Niemand könne vorhersagen, wie sich das Ausgeh- und Freizeitverhalten nach der Pandemie entwickeln werde, gibt Richter zu bedenken. Natürlich werde die Warsteiner Music Hall weiterhin eine Konzert- und Partyzone bleiben, das schon.
Nachtbeaufragter: Die Szene braucht endlich mehr Anerkennung
Gleichzeitig aber entwickeln Richter und sein Team bereits alternative beziehungsweise ergänzende Konzepte, die Besucher anlocken sollen. „Es geht in Richtung Ausstellungen, Schulungen und Messen“, kündigt Richter an, ohne Details vorwegnehmen zu wollen.
Als ehemaliger „DJ Firestarter“ kennt Christoph Stemann die Befindlichkeiten der Club- und Veranstaltungsszene sehr genau. Er ist Dortmunds erster „Nachtbeauftragter“ und als solcher offiziell bei den städtischen Wirtschaftsförderern angedockt. „Die ganze Branche ist aktuell in die Perspektivlosigkeit geschickt worden“, schimpft Stemann.

Dortmunds Nachtbeauftragter Christoph Stemann: „Die Szene muss endlich als systemrelevant anerkannt werden.“ © Stadt Dortmund
„Da kommen freitags um 16.01 Uhr neue Vorgaben vom Land, die von Clubs und Veranstaltern Knall auf Fall umgesetzt werden müssen, ohne Vorlauf“, schildert Stemann. Dieser Umgang sei es, der die Branche so frustriere, wie Stemann in zahllosen Gesprächen erfahren hat.
„Dabei sind die Akteure absolut bemüht, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden“, bricht Stemann eine Lanze für die Clubszene. Das Problem: Die Szene gilt nicht als „systemrelevant“. Was ein schwerer Fehler sei – und darauf zurückzuführen, „dass es für die Szene keine Lobby gab“, sagt Stemann. Seine Aufgabe sei es, für ein neues Miteinander zwischen der Clubszene und der Dortmunder Stadtverwaltung zu sorgen.
Westfalenhallen hoffen bereits auf die zweite Jahreshälfte
Auch den Westfalenhallen, dem Dortmunder Messe- und Veranstaltungszentrum schlechthin, hat Corona seinen Stempel aufgedrückt. Ein paar Veranstaltungen zum Jahresendspurt 2021 konnte die Halle noch mitnehmen – das war’s dann aber auch. Über das zu erwartende Jahresergebnis 2021 schweigen sich die Verantwortlichen noch aus. „Es war ein wirtschaftlich sehr herausforderndes Jahr“, heißt es in der Pressestelle. Es wäre das Zweite.
Denn schon 2020 war zum Abwinken – und ging „als Jahr mit der geringsten Zahl an Veranstaltungen“ in die Hallen-Chronik ein. Viel erfreulicher dürfte auch die Bilanz des vergangenen Jahres nicht ausfallen. Zumindest darf das städtische Unternehmen auf die Hilfe von „Mutter Stadt“ bauen. Sie hat das für Dortmund so wichtige Messe- und Veranstaltungszentrum am Rheinlanddamm bereits mit einigen Kapitalspritzen unterstützt. Zudem konnte die Halle über die Coronahilfen weitere 7,1 Millionen Euro lockermachen.
Das Jahr 2022 beginnt für die Halle so, wie das Vorjahr zu Ende gegangen ist: Es gibt weitere Absagen, die sich bis ins gesamte erste Quartal hineinziehen. Dass es konkurrierenden Unternehmen in anderen Städten kaum besser geht, kann die Verantwortlichen nur wenig trösten. Je länger die Schutzmaßnahmen und Verbote dauern, heißt es, desto schwieriger werde die Planung. Man hoffe sehr, „zumindest ab Sommer wieder voll ins Veranstaltungsgeschäft einsteigen zu können.“
Jahrgang 1961, Dortmunder. Nach dem Jura-Studium an der Bochumer Ruhr-Uni fliegender Wechsel in den Journalismus. Berichtet seit mehr als 20 Jahren über das Geschehen in Dortmunds Politik, Verwaltung und Kommunalwirtschaft.