Der Rewe, der nie gebaut werden durfte: Stadt will Grundsatz-Entscheid

© Oliver Volmerich

Der Rewe, der nie gebaut werden durfte: Stadt will Grundsatz-Entscheid

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Muss der Rewe-Markt an der Kirchhörder Straße wieder abgerissen werden? Die Frage bleibt weiter offen. Denn die Stadt Dortmund will den juristischen Streit jetzt weiterführen.

Lücklemberg

, 24.06.2020, 20:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Der Rechtsstreit um den Rewe-Markt an der Kirchhörder Straße wird schon seit Jahren erbittert geführt. Und er nahm im Februar dieses Jahres - zwei Jahre nach der Eröffnung des Supermarktes - eine unerwartete Wendung.

Nachdem es zunächst eher um formale Fragen gegangen war, gingen die Richter des Oberverwaltungsgerichts ans Grundsätzliche: Sie erklärten die Ansiedlung des Rewe-Marktes für nicht vereinbar mit dem Landesplanungsrecht.

Denn das lässt - außer in begründeten Ausnahmen - die Ansiedlung größerer Handelsflächen mit mehr als 800 Quadratmetern Verkaufsfläche nur in Ortszentren zu. Für eine Ausnahmeregelung seien die Voraussetzungen an der Kirchhörder Straße aber nicht erfüllt, meinen die Richter am OVG.

Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht

Auch die Kläger hatten argumentiert, dass „ein solcher Supermarkt nach der gebotenen Abwägung öffentlicher und privater Belange nicht an einen derartigen Wohngebiets-Standort, sondern vielmehr in sogenannte zentrale Versorgungsbereiche gehört“.

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Nach dieser Vorgabe müsste der Rewe-Markt eigentlich geschlossen und abgerissen werden, zumal eine Revision zum OVG-Urteil nicht zugelassen ist. Doch die Stadt gibt noch nicht auf. Sie hat jetzt vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt. Wird ihr stattgegeben, könnte der Fall neu aufgerollt werden.

Eingriff in kommunales Planungsrecht

Für die Stadt geht es dabei um eine Grundsatzfrage. „Das Urteil ist ein massiver Eingriff in das kommunale Planungsrecht“, sagt Planungsdezernent Ludger Wilde.

Er sieht auch eine Regelungslücke im Landesentwicklungsplan. Zu dessen Zielen gehört, Zentren vor Ansiedlungen auf der grünen Wiese zu schützen. Genau deshalb sind Einzelhandels-Ansiedlungen mit mehr als 800 Quadratmetern Verkaufsfläche außerhalb von Ortszentren nur in Ausnahmefällen zulässig.

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Die Stadt verweist dagegen auf den vom Rat beschlossenen Masterplan Einzelhandel und das Ziel, die Nahversorgung sicherstellen zu wollen. Für die Einwohner in Lücklemberg gab es die nächste Einkaufsmöglichkeit bislang in Wellinghofen und an der Hagener Straße. Die Versorgungslücke, die die Stadtplaner in Lücklemberg ausgemacht hatten, sollte mit der Rewe-Ansiedlung an der Kirchhörder Straße geschlossen werden.

Diskussion um Nahversorgung

So sah es auch der Konsultationskreis Einzelhandel, in dem Vertreter von Verwaltung, Wirtschaft und anderen Organisationen über Ansiedlungspläne beraten. Er hatte die Rewe-Ansiedlung ausdrücklich empfohlen.

Es geht um eine Grundsatzfrage. Die Kläger halten die Auffassung, ein Gebiet gelte als „unterversorgt“, sofern im Umkreis von 500 Metern kein Supermarkt fußläufig erreichbar sei, für lebensfremd. Die Stadtplaner sehen das genau anders. Für sie passen die engen Vorgaben der Landesplanung nicht mehr zur Lebenswirklichkeit.

„Im Kern halten wir die Vorgaben des Landesentwicklungsplans für richtig und wichtig. Aber bei der Frage der Nahversorgung geht er zu weit. Die muss in der Fläche stattfinden“, sagt Planungsdezernent Ludger Wilde. Nicht zuletzt seien fußnahe Einkaufsmöglichkeiten auch mit Blick auf den Klimaschutz ein Gebot der Stunde, ergänzt Planungsamtsleiter Stefan Thabe.

Der Rewe an der Kirchhörder Straße soll nach dem Willen der Stadt die Nahversorgung in Lücklemberg sichern.

Der Rewe an der Kirchhörder Straße soll nach dem Willen der Stadt die Nahversorgung in Lücklemberg sichern. © Oliver Volmerich

Das Problem ist allerdings: Neue Supermärkte sind inzwischen deutlich größer als in früheren Zeiten und haben in der Regel mehr Fläche als die zugelassenen 800 Quadratmeter. Der Rewe an der Kirchhörder Straße hat allein rund 1200 Quadratmeter - und fällt damit nach dem Urteil der Münsteraner Richter aus dem rechtlichen Rahmen.

Ob es Bestand hat, darüber müssen nun die Richter des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig entscheiden. Eine Entscheidung dürfte in den nächsten Wochen fallen. Lassen sie die Revision doch zu, könnte ein neues Verfahren dann allerdings wieder bis zu zwei Jahre dauern.

Die Stadt drängt unterdessen auch auf eine grundsätzliche Klärung der Frage, wo die Grenzen für die Nahversorgung zu ziehen sind. Diese Frage soll etwa über den Städtetag und in Gesprächen mit dem Land beraten werden, kündigen Wilde und Thabe an. Denn allein in Dortmund gebe es eine Handvoll ähnlich gelagerter Fälle.

Mehrfach Thema für Juristen

Im Fall des Rewe-Marktes in Lücklemberg ist es nicht das erste Mal, dass sich Bundesrichter mit der Angelegenheit befassen. Im Juni 2019 gaben sie einer Revision der Stadt Dortmund gegen eine erste Entscheidung des OVG statt. Das hatte in einem ersten Verfahren den Bebauungsplan für die Kirchhörder Straße noch aus formalen Gründen für nichtig erklärt.

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Die Münsteraner Richter seien dabei aber in ihrer Forderung zu Art und Umfang der Umweltinformationen zu weit gegangen und hätten damit gegen Bundesrecht verstoßen, stellte das Bundesverwaltungsgericht fest. Der Fall wurde an das OVG zurückverwiesen, um dort erneut behandelt zu werden - mit der bekannten Grundsatzentscheidung.

Auch an anderer Stelle steht noch eine juristische Entscheidung aus. Denn drei Anlieger haben 2016 auch gegen die Baugenehmigung für den Rewe-Markt geklagt. Eine Entscheidung dort wird es aber wohl erst geben, wenn die Grundsatzentscheidung des OVG rechtssicher ist.