
© Irina Höfken
„Der Lockdown ist ein riesiger Fehler“
Coronavirus
Restaurants müssen coronabedingt weiter geschlossen bleiben. Wird die Gastro-Branche in der Krise perspektivlos? Ein Dortmunder Gastronom berichtet, was der Lockdown für sein Team bedeutet.
Der erste Lockdown sei von Angst und Sorge geprägt gewesen. Zur Wiedereröffnung habe dann Erleichterung und Hoffnung überwogen. Zum zweiten Lockdown im November habe sich „stupide Ernüchterung“ eingestellt. Und inzwischen, zur Verlängerung des Lockdowns bis mindestens zum 31. Januar, sei „Ausharren“ die Devise. So fasst der Dortmunder Gastronom Manuel Kraas seine Gefühlswelt der letzten Monate zusammen.
Lieferdienst garantiert Kurzarbeitergeld - mehr nicht
Während des Interviews sitzt Kraas in seinem leeren Restaurant Westermanns Deli in der Kaiserstraße 24, das er mit seiner Geschäftspartnerin Anke Westermann Anfang 2019 eröffnet hat. „Im Jahr 2019 gab es Höhen und Tiefen, im Februar 2020 lief es dann richtig gut - und dann kam der erste Lockdown“, erzählt er.
Direkt an Tag eins des ersten Lockdowns habe er einen Lieferservice anbieten können - so auch jetzt. Die gesamten Einnahmen gingen seitdem für das Kurzarbeitergeld der Mitarbeiter drauf - Kraas muss hier in Vorleistung gehen. Die Corona-Hilfen seien beantragt, das Geld aber noch nicht geflossen.
Nach eigenen Angaben arbeitet er selbst momentan umsonst: „Kein Gewinn - kein Geld. Als Geschäftsführer fällt das unter die Kategorie ‚unternehmerisches Risiko‘.“ Jetzt aufzugeben, das komme für ihn trotzdem nicht in Frage. Die Freude an seiner Arbeit versuche er sich zu erhalten.
Gastronomie in der Perspektivlosigkeit?
Bei Westermanns mit Hauptsitz in Lünen und in der Deli-Filiale in Dortmund sind insgesamt 23 Mitarbeiter beschäftigt - vor dem ersten Lockdown waren es noch 36. 13 Mitarbeiter hätten selbst gekündigt, da sie keine Perspektive mehr in ihrem Berufszweig sähen, erzählt der Gastronom. Sein Ziel sei es, alle verbliebenen Mitarbeiter halten zu können.
Und sie zu beschäftigen: Die Restaurantfachfrau, die sonst im Service eingesetzt ist, tapeziert nun die Wände im Restaurant neu. Der Kochazubi kocht zwar noch, schwingt sich aber jetzt auch aufs Rad oder in den neu gekauften Elektro-Smart und liefert das Essen aus. So habe sich das niemand von ihnen jemals vorstellen können.

Das Westermanns in der Dortmunder Kaiserstraße ist leer: Mit Lieferdienst und Abholservice hält sich das Restaurant während des Lockdowns über Wasser. © Irina Höfken
Er sei alles andere als ein Corona-Leugner und wisse um die Gefahren der Krankheit, betont der Gastronom - aber seiner Einschätzung nach sei der harte Gastro-Lockdown seit November „ein riesiger Fehler“. So seien die Menschen jetzt ins Private gedrängt, wo keinerlei Kontrollen stattfänden.
Im Gegensatz zu etwa den Restaurants, in denen alles regelmäßig desinfiziert und dokumentiert würde: „Von Mitte Mai bis Ende Oktober hat es weder in unserem Hauptsitz in Lünen noch in der Filiale in Dortmund einen einzigen bekannten Corona-Fall unter der Belegschaft oder bei den Kunden gegeben. Unsere Konzepte haben funktioniert“, sagt Kraas.
Keine Hoffnung auf Öffnung vor März
Er könne nicht nachvollziehen, warum sich Gastronomen immer wieder neue kreative und innovative Dinge einfallen lassen müssten, um zu überleben, während die Regierung auf erhöhte Fallzahlen stets mit Verschärfungen der gleichen Maßnahmen reagiere: „Wo bleibt an dieser Stelle Flexibilität und Kreativität?“ Kinder erziehe man doch auch nicht nur mit Verboten.
Jeder spreche über Homeoffice und Digitalisierung - was aber sei mit den Berufszweigen, die davon ausgenommen sind? Gerieten diese etwa in Vergessenheit oder, schlimmer noch, seien irrelevant? Das alles fragt sich Manuel Kraas.
Der Großteil seiner Mitarbeiter sei zuhause und müsse darauf warten, dass das Geschäft wieder richtig los geht. Die Motivation dabei zu behalten, sei schwierig.
Dass er sein Restaurant vor März wieder öffnen dürfe - von dieser Hoffnung habe sich Manuel Kraas schon verabschiedet, sagt er. Er und sein Team hätten aber alles getan, was sie hätten tun können - und damit sei er zufrieden.
„Hömma, hasse dat schon gehört?“ So (oder so ähnlich) beginnen die besten Geschichten aus dem Pott, wo ich zu Hause bin. Es gibt nichts Besseres, als diese aufzuspüren und dann in Text, Bild und Video festzuhalten.
