Heike Wulf beschreibt eine Szene, die sie an einem Freitag in diesem Frühjahr an der U-Bahn-Station Stadtgarten in der Dortmunder City erlebt hat. Die Stadtführerin war mit einer sechsköpfigen Gruppe Senioren aus dem Sauerland unterwegs. Wie üblich bei ihren historischen Rundgängen wollte sie den Besuchern den Gedenkstein am Stadtgarten zeigen, der an den früheren Standort der Nicolaikirche erinnert.
Die Gruppe kam vom Hansaplatz über die Wißstraße und lief in Richtung U-Bahn-Station. Mittlerweile, sagt Heike Wulf, schaue sie bei den Führungen immer schon von Weitem, wie viele Menschen sich gerade an den Sitzgelegenheiten aufhalten, die zwischen Wißstraße und U-Bahn-Station liegen. Häufig sind dort Menschen zu sehen, die der Dortmunder Drogenszene zugeordnet werden.
So war es auch an besagtem Freitag. „Wenn es zu viele sind, gehe ich mit den Gruppen gar nicht mehr dorthin“, sagt Heike Wulf. Dazu dürfte das Erlebnis beigetragen haben, das sie im Folgenden schildert.
Um mehr Abstand zu den Drogenkranken halten zu können, sei sie mit den Führungsteilnehmern über ein kleines Stück Wiese gegangen. Doch als die Gruppe nahe dem hübsch bepflanzten Rundbeet gestanden habe, habe sie sich plötzlich inmitten eines Drogendeals befunden.
„Kunden waren entsetzt“
Von beiden Seiten des Wegs seien jeweils fünf bis sechs Männer auf die Gruppe zugekommen. „Die waren gar nicht in der Welt und sind in uns hineingerannt“, erinnert sich Heike Wulf. Mit ihrer Gruppe ging die Stadtführerin wieder ein Stück auf die Wiese. „Wir hatten gar keine andere Wahl.“
Von dort habe sie beobachtet, wie zwischen den Männergruppen eine Drogenübergabe stattgefunden habe. Ihre Kunden habe sie derweil versucht abzulenken. „Ich habe gesagt, dass wir uns jetzt mal die Blumen angucken.“
Doch selbstverständlich hätten die Senioren, alle über 70 Jahre alt, zumindest von der Begegnung mit den Männern Notiz genommen. „Meine Kunden waren entsetzt. Sie haben gesagt, dass sie nicht mehr in den Stadtgarten gehen würden.“

Unangenehme Begegnungen wie diese mit augenscheinlich Drogenkranken seien inzwischen Bestandteil jeder Stadtführung. „Es vergeht keine Führung, ohne dass man belästigt wird“, sagt die 56-Jährige. Seit ein bis zwei Jahren nimmt Heike Wulf eine starke Häufung solcher Situationen wahr.
Sie vermutet, dass der Crack-Konsum, der in Dortmund stark zugenommen hat, ursächlich ist. Sie findet auch den sehr zentralen Standort des Drogenkonsumraums problematisch. Die Stadt und die Polizei haben wegen der Crack-Krise kürzlich einen Sonderstab eingerichtet.
Fehlendes Sicherheitsgefühl
Heike Wulf sagt über die Drogenkranken: „Mir tun die Leute wirklich leid.“ Sie unterscheidet aber zwischen Obdachlosen, die „sich einfach nur hinsetzen und einen Becher aufstellen“ und den „völlig Durchgeknallten, die die Leute nicht in Ruhe lassen“. Letztere zeigten kaum noch Hemmungen. Heike Wulf spricht von „100 bis 150 Leuten, die die Stadt tyrannisieren“.
Während sie ihrem Ärger am Mittwoch (13.9.) im Stadtgarten in unserem Gespräch Luft macht, kontrollieren Ordnungs- und Polizeikräfte Personen, die sich rund um den Platz an der U-Bahn-Station aufhalten. „Das sieht gut aus“, kommentiert Heike Wulf das Geschehen. Sie wünscht sich mehr Präsenz der Sicherheitskräfte.
Denn: „Das Sicherheitsgefühl ist irgendwie nicht mehr da.“ Sie sagt aber auch, dass den Drogenkranken dringend geholfen werden müsse, spricht über Streetworker und Drogenberatung.
„Ich habe auch keine Lösung“, sagt Heike Wulf. Doch sie ist sicher: Wenn sich das Problem mit den Drogenkranken verringere, gehe es mit der Stadt insgesamt bergauf.
Heike Wulf hatte sich 2019 mit „Stadt-Litera-Tour“ als Stadtführerin selbstständig gemacht. Damals, sagt sie, seien ihre Touren stets ausgebucht gewesen. Inzwischen würden manche Besuchergruppen Dortmund meiden. „Mir tut das leid für die Stadt.“
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