
© Dieter Menne (Archivbild)
Corona kostet Dortmund über 400 Millionen Euro - Finanz-Schock kommt verspätet
Haushalt 2022
Die Stadt Dortmund ist bislang relativ gut durch die Corona-Krise gekommen. Auch in den nächsten Jahren zeigen sich die Stadtfinanzen stabil. Doch das dicke Ende kommt ab 2025.
Es war eine Premiere: Erstmals konnten Dortmunder am Donnerstag (23.9.) die Sitzung ihres Rates per Livestream im Internet mitverfolgen. Mehrere Kameras umringten die Ratsmitglieder in der Westfalenhalle 2. Bis zu 77 Zuschauer am Bildschirm waren dabei, als es gleich zu Beginn um den Dortmunder Haushalt ging.
Es hat schon Tradition, dass Stadtkämmerer Jörg Stüdemann seinen Haushalten einen Namen gibt. Dieses Jahr hat das rund 1400 Seiten starke Mammutwerk mit Blick auf Corona und einem Volumen von fast 2,9 Milliarden Euro gleich zwei Namen: „Es ist ein Haushalt des Bewahrens und der Stabilisierung“ und „ein Haushalt des Neustarts“, sagte Dortmunds oberster Kassenwart.
Was das heißt, führte Oberbürgermeister Thomas Westphal aus; denn die Haushaltseinbringung ist so etwas wie die „Regierungserklärung“ in der Lokalpolitik. Westphal skizzierte, wofür die Stadt in den nächsten Jahren Geld ausgeben will und sprach von einem „investiven Vollwaschgang“.
Wohnungsbau und Radwege
Die Stadt, so der OB, werde in den Glasfaserausbau einsteigen, in den kommunalen Wohnungsbau investieren, dabei über ein Wohnkonzept für die City nachdenken, Kitas, Schulen und Radwege ausbauen und die grüne Infrastruktur ausweiten unter anderem durch Ausweisung von weiteren Flächen für Kleingärten.
Neue Spielplätze, Sportanlagen und die Sanierung von Bädern, aber auch weitere Museen und Bevölkerungsschutz (Stichwort: Hochwasser) stehen laut OB auf der Agenda. Voraussetzung dafür seien stabile finanzielle Möglichkeiten.
Da hatte der Kämmerer für den Rat gute und schlechte Nachrichten. Die gute zuerst: Trotz der Herausforderungen und der schwierigen Lage durch Corona verlangt dieser „stabile“ Haushalt 2021 den Bürgern keine Grausamkeiten ab. Grundsteuern und Gewerbesteuern werden wie in den vergangenen Jahren nicht erhöht, und auch die Entgelte für viele städtische Leistungen bleiben weitestgehend gleich.

Stadtkämmerer Jörg Stüdemann mit seinem Mammutwerk, dem Haushalt 2022. © Gaby Kolle
Große Verwerfungen gebe es nicht, so der Kämmerer. Die Etatplanung für 2022 sieht ein Minus von rund 28,9 Millionen Euro vor, das durch Rücklagen ausgeglichen wird. Die Stadt müsse absehbar nicht in die Haushaltskonsolidierung und an das Gängelband der Kommunalaufsicht, bleibe arbeitsfähig und bei ihren Finanzen eigenständig.
Das gilt aber nur bis 2025 – denn der Corona-Schock kommt mit Verspätung.
Pandemie kostet die Stadt 434 Millionen Euro bis 2024
Insgesamt wird die Pandemie die Stadt von 2020 bis 2024 rund 434,1 Millionen Euro kosten – unter anderem für Mehrausgaben des Gesundheitsamtes, für höhere Reinigungsintervalle an Schulen, unterschiedliche Hygienemaßnahmen, Schnelltests und die digitale Ausstattung für Homeoffice und mobiles Arbeiten.
Eine vom Land NRW vorgegebene „interessante Form der Finanzakrobatik“, so Stüdemann, erlaubt es der Stadt, ihre Corona-bedingten Ausgaben aus dem Haushalt zu isolieren und in einer Art Nebenbuchhaltung zu führen.
Das wiederum führt zu einem neuen Schuldenberg, der ab 2025 über 50 Jahre wieder abgetragen werden muss mit jeweils knapp 9 Millionen Euro pro Jahr – ein Verlagern der Corona-Schäden in die nächsten Generationen.
Dortmunds Haushaltsloch verdreifacht sich 2025
Und das schlägt sich dann erstmals 2025 nieder, wenn die in den letzten Jahren gebildeten Rücklagen aufgebraucht sind und das Haushaltsloch von 50,3 Millionen Euro in 2024 auf dann 152,3 Millionen Euro springt.
Diese Summe ist zum größten Teil eine Folge von Corona, verursacht durch Steuerausfälle (30 Mio. Euro) und rückläufige Schlüsselzuweisungen aufgrund der erwarteten konjunkturellen Belastungen. Darin enthalten ist auch die Annahme steigender Zinsen mit einer dann fast verdoppelten Belastung von bis zu 55 Mio. Euro pro Jahr.
Stadt muss ab 2025 dickes Minus allein stemmen
Dieses dicke Minus muss die Stadt nach bisherigem Stand allein stemmen – zusätzlich zu den Schulden von mehr als 3,8 Milliarden Euro, die sie an Überziehungs- und Investitionskrediten ohnehin hat.
Man werde weiter innerhalb der Verwaltung sparen, um mit eigenen Anstrengungen gegenzusteuern und das Finanzloch von 152 Millionen Euro ab 2025 doch noch abzuwenden und damit dramatische Langzeitfolgen zu verhindern, kündigte Stüdemann an.
Größter Posten beim Hochbau sind die Kitas
Das ist eine wichtige Grundlage für den „Haushalt des Neustarts“, der Investitionen von insgesamt 486,2 Millionen Euro (davon 379,3 Millionen als Kredit) vorsieht und mit sehr vielen wie von Westphal erwähnten Baumaßnahmen im Hoch- und Tiefbau garniert ist.
Allein im Hochbau sind es 257,7 Millionen Euro. Davon entfällt der größte Posten auf den Kita-Ausbau; denn die Versorgungsquote für die unter Dreijährigen soll von 36,7 auf 50 Prozent steigen – das sind 30 bis 40 neue Einrichtungen mit rund 200 Gruppen –, und für über Dreijährige auf über 100 Prozent.
Weil es seit ein paar Jahren vier Prozent mehr Kinder pro Jahr gibt, muss die Stadt wieder mehr Modulbauten für den Schulunterricht (rund 110 Millionen) aufstellen.
Hinzukommt der vom Bund beschlossene Ausbau des Ganztags ab 2023/24 mit einer 100-Prozent-Quote. Auf das Schulbauprogramm entfällt im nächsten Jahr ein Investitionsvolumen von 138,3 Millionen Euro. Dazu gehören auch Sportanlagen – laut Stüdemann „das Riesenthema für die nächsten Jahre“.
Jetzt ist der Rat am Zug. Er wird in den nächsten Wochen über den Haushalt diskutieren, eigene Akzente setzen und den Haushalt am 16. Dezember beschließen.
Transparenz-Hinweis: In der Ursprungsversion dieses Artikels wurde das Haushaltsvolumen mit 2,9 Millionen beziffert. Das war ein Versehen. Es sind natürlich 2,9 Milliarden. Wir bitten um Entschuldigung.
Stellvertretende Leiterin der Dortmunder Stadtredaktion - Seit April 1983 Redakteurin in der Dortmunder Stadtredaktion der Ruhr Nachrichten. Dort zuständig unter anderem für Kommunalpolitik. 1981 Magisterabschluss an der Universität Bochum (Anglistik, Amerikanistik, Romanistik).
