
© Oskar Neubauer (A)
Brennpunkt-Impfung sorgt für Verwunderung – sogar ein Schloss ist im Gebiet
Corona-Schutzimpfung
An diesem Freitag (28.5.) startet in Dortmund die erste Sonder-Impfaktion für sozial benachteiligte Stadtteile. Die Auswahl der Wohnquartiere durch die Stadt sorgt allerdings für Verwunderung.
Bodelschwingh, ganz im Westen von Dortmund, ist ein beschaulicher Stadtteil mit viel Grün. Es gibt einen alten Dorfkern, mehrere Eigenheim-Siedlungen und auch einige Mehrfamilien- und Hochhaus-Quartiere. Vor allem im Übergang zu Westerfilde gelten einige Straßen, ebenso wie im benachbarten Nette, als sozialer Brennpunkt mit beengten Wohnverhältnissen. Auch die Corona-Inzidenz lag hier zeitweise über dem Durchschnitt.
Das ist der Grund, warum die Ortsteile nun Schauplatz für eine Sonderimpfaktion sind. Das Land hat Dortmund 4555 Impfdosen mit dem Impfstoff von Johnson&Johnson zur Verfügung gestellt.
„Wir kommen mit dem Sonderkontingent dem Wunsch der Städte nach, gezielt in vulnerablen Sozialräumen mit einer hohen 7-Tages-Inzidenz impfen zu können“, hatte NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann erklärt. Erste Sonder-Impfaktionen gab es bereits in der Trabantenstadt Köln-Chorweiler und im Duisburger Stadtteil Marxloh.
Dortmund hat vier Bereiche für die Sonderaktion ausgewählt. Sie liegen in den Stadtbezirken Innenstadt-Nord, Lütgendortmund, Eving und Mengede - in diesem Fall mit den „Sozialräumen“ Westerfilde, Bodelschwingh und Nette.
Hier soll am Freitag (28.5.) um 14 Uhr in der Sporthalle des Heinrich-Heine-Gymnasiums an der Dörwerstraße in Nette die Impf-Sonderaktion für sozial Benachteiligte starten. Am Samstag und Sonntag geht es dann jeweils von 8 bis 13 und von 14 bis 19 Uhr weiter. Insgesamt 2000 Impfdosen stehen hier zur Verfügung.
Verwunderung bei Bezirksbürgermeister
Sie müssen theoretisch für knapp 20.000 Anwohner in den drei Stadtteilen reichen. Denn die Auswahl der Impfberechtigten beschränkt sich nicht auf die Bewohner der Siedlungen mit engen Wohnverhältnissen, die als soziale Brennpunkte bekannt sind.
Auch die Bewohner von Einfamilienhaus-Siedlungen mit Straßennamen wie Kräutergarten oder Am Schlosspark sind dabei - und sogar von Schloss Bodelschwingh.
Das sorgt für Verwunderung - etwa bei Mengedes Bezirksbürgermeister Axel Kunstmann. „Ich hätte mir gewünscht, dass bei der Auflistung der Straßenzüge von Seiten der Stadt eine genauere Überprüfung stattgefunden hätte, wo genau die relevanten Quartiere liegen, in denen schwierige soziale Verhältnisse vorherrschen“, erklärt der Grünen-Politiker.
„Auch wenn Westerfilde, Bodelschwingh und Nette insgesamt als Aktionsräume definiert sind, so sind diese Ortsteile im Stadtbezirk doch nicht pauschal über einen Kamm zu scheren und eine gut gemeinte Aktion könnte möglicherweise den gewünschten Effekt verfehlen“, stellt Kunstmann fest.
Stadt antwortet auf Kritik
Die Stadt antwortete am Donnerstagabend (27.5.) auf die Anfrage, warum man die Impfberechtigten nicht gezielter auswähle. Es gehe darum, den Erlass des Landes umzusetzen, teilte Stadtsprecherin Anke Widow mit. Man gehe davon aus, dass sich das Infektionsrisiko nicht auf einzelne Baublöcke beziehe.
„Die Menschen aus diesen Baublöcken bewegen sich im Stadtteil, etwa beim Arzt, beim Friseur, am Arbeitsplatz, im Lebensmittelladen, bei Freizeitaktivitäten, auf dem Spielplatz“, erklärt Anke Widow.
Außerdem wolle man „Stigmatisierungen“ und Konflikte vermeiden. Das wäre etwa der Fall, wenn viele Menschen nicht nachvollziehen könnten, wenn Nachbarn aus demselben Stadtteil, die einem ähnlichem Infektionsrisiko ausgesetzt sind, unterschiedlich berücksichtigt würden.
Die Menschen in schwierigen Lebenslagen würden außerdem gezielt angesprochen – „im Rahmen der bereits etablierten Beratungsstrukturen im jeweiligen Quartier“. Netzwerk-Partner „werden die Menschen im Vorfeld der jeweiligen Impfangebote informieren und im Falle der Impfbereitschaft auch die notwendigen Infos geben, damit die Menschen den Weg ins Impfangebot finden“.
Oliver Volmerich, Jahrgang 1966, Ur-Dortmunder, Bergmannssohn, Diplom-Journalist, Buchautor und seit 1994 Redakteur in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten. Hier kümmert er sich vor allem um Kommunalpolitik, Stadtplanung, Stadtgeschichte und vieles andere, was die Stadt bewegt.
