
© Menne/Fritschi+Baum
Boulevard Kampstraße: Sind die alten Pläne überhaupt noch zeitgemäß?
Dortmunder City
Der Boulevard Kampstraße ist der Dauerbrenner unter Dortmunds Baustellen. Jetzt kündigt die Stadt eine weitere Verspätung an. Und die Politik soll entscheiden, auf ein wichtiges Element zu verzichten.
Wenn, wie am 3. Mai, zwei Ausschüsse des Rates zu einer gemeinsamen Sondersitzung zusammenkommen, geht es meist um wichtige Angelegenheiten. In diesem Fall um die Zukunft eines zentralen Projekts zur Belebung der City: den Boulevard Kampstraße. Gute Nachrichten gibt es dazu nicht.
Zur Erinnerung: 1999 gewann das Düsseldorfer Architekturbüro Fritschi und Stahl den Wettbewerb zur Umgestaltung der Kampstraße, der sich nach dem Verschwinden der Straßenbahn in einen Boulevard verwandeln sollte. Westentor-Allee und der neugestaltete Brüderweg sind die ersten fertiggestellten Teilstücke. Noch immer fehlt allerdings der zentrale Abschnitt zwischen Petri- und Reinoldikirche.
Hier wollen die Planer einen Lichtboulevard anlegen, der die beiden Citykirchen schnurgerade verbinden soll - begleitet von einer breiten asphaltierten Promenade, einem Wasserlauf und drei Wasserbecken.
Um viele Jahre verzögert
Die Umsetzung des Entwurfs, eigentlich bis 2016 angekündigt, hat sich immer wieder verzögert und wurde von zahlreichen Pannen begleitet. So gingen Fördermittel des Landes in Millionenhöhe wegen der Verzögerungen verloren. Zuletzt gab es einen Baustopp bei Arbeiten rund um den Reinoldi-Pylon, weil Schäden in der darunterliegenden Stadtbahn-Station aufgetreten waren.
Und inzwischen wird nicht nur in der Politik die Frage diskutiert, ob die mehr als 20 Jahre alten Pläne noch in die Zeit passen. Nicht zuletzt darum wird es in der gemeinsamen Sitzung der Ausschüsse für Stadtgestaltung und Mobilität am 3. Mai gehen, zu der sich auch Architekt Benedikt Stahl angekündigt hat.
Die städtischen Planer räumen selbst ein, dass der Entwurf mit Blick auf Themen wie Nachhaltigkeit, Grün und Radverkehr neu bewertet werden müsse. „Als der Entwurf für den Boulevard Kampstraße entwickelt wurde, waren diese Aspekte noch kein maßgebendes Thema“, heißt es in einer Vorlage der Verwaltung. Und es sei auch nur bedingt möglich, die heute aktuellen Aspekte „funktionsgerecht in den bestehenden Entwurf einfließen zu lassen“.
„Versickerungsfähiges Baumaterial“ komme etwa für die Verkehrsflächen nicht infrage, teilen die Bauexperten der Verwaltung zu einem entsprechenden Wunsch aus der Politik mit. Einem Verzicht auf die dunkle Asphaltierung der Promenade, die zur Aufheizung der City beitragen könnte, erteilt die Verwaltung nach Rücksprache mit den Architekten ebenfalls eine Absage.
Kein Spielraum bei Farbgestaltung
„Bei der Farbgebung des Promenadenteppichs sieht das planende Architekturbüro keinen Spielraum“, heißt es in der Vorlage. Der starke Kontrast zwischen Promenadenteppich und umgebendem Pflaster sei ein maßgebliches Gestaltungselement. Ein Verzicht auf den Kontrast, „würde den Entwurf so stark schwächen, dass in diesem Fall besser über eine komplette Neuplanung nachzudenken wäre“.

Lichtband, Promenade, Wasserbecken und Wasserlauf sind die zentralen Elemente des Entwurfs für den „Boulevard Kampstraße“ - wie die Animation mit dem Platz von Netanya zeigt. © Fritschi+Baum
Die Stellungnahme der Stadtplaner legt der Politik allerdings den Verzicht auf ein weiteres zentrales Element des Entwurfs nahe: Der Rat soll darüber entscheiden, auf den geplanten Wasserlauf zu verzichten, der die Kampstraße eigentlich zu einem „außergewöhnlichen Erlebnisraum“ machen sollte. Stattdessen soll es abschnittsweise nur eine gepflasterte Rinne mit Abläufen für die Entwässerung geben.
Gegen den Wasserlauf, der ohnehin im Bereich der U-Bahn-Station Kampstraße unterbrochen werden müsste, sprechen nach Ansicht der Stadtplaner eine ganze Reihe von Aspekten. So gebe es Probleme mit der Straßenentwässerung und der Reinigung der Rinne. Um ein Überqueren des Wasserlaufs zu ermöglichen, seien teure Brückenelement als Sonderanfertigungen nötig. Und es müsse täglich Frischwasser zugeführt werden, um die Wasserqualität sicherzustellen.
Politik soll über Wasserlauf entscheiden
Nicht zuletzt würden die zu erwartenden Baukosten für Wasserlauf und Brunnen wohl deutlich steigen - von anfangs kalkulierten 2,2 auf aktuell rund 3 Millionen Euro. Und weitere Preissteigerungen seien absehbar. Dazu kämen Betriebskosten von rund 161.000 Euro pro Jahr.
Die Konsequenz: Die Verwaltung fragt, „ob die Wasserrinne aufgrund der hohen Unterhaltungskosten überhaupt noch politisch gewünscht und aus Nachhaltigkeits-Aspekten tragbar ist“. Die drei Wasserbecken sollen unabhängig davon angelegt werden.
Ein Verzicht auf die Wasserrinne würde auch die Nutzung der Fußgängerzone Kampstraße für den Radverkehr erleichtern. Befürchteten Konflikten zwischen Radfahrenden und Fußgängern will man durch ein Kommunikationskonzept mit Schildern und Markierungen begegnen, kündigt die Verwaltung an. Auf jeden Fall sollen 100 Radbügel mit Platz für 200 Räder in den Boulevard integriert werden.

Mobile Grün-Elemente, wie sie Planungsdezernent Ludger Wilde (vorn l.) und Baudezernent Arnulf Rybicki am Platz von Hiroshima vorstellten, sollen auch den "Boulevard Kampstraße" beleben. © Stadt Dortmund/Torsten Tullius
Dazu kommt „mobiles Grün“ - also Elemente, die trotz des schwierigen Untergrunds und der für Veranstaltungen und Rettungswege nötigen Freiflächen dazu beitragen sollen, mehr Bäume und Pflanzen in die City zu bringen.
Finale erste Ende 2029
Während diese Ankündigungen die Politik durchaus erfreuen könnten, gibt es mit Blick auf den Zeitplan erneut schlechte Nachrichten. Denn die zuletzt avisierte Fertigstellung des Boulevards bis Ende 2025 ist passé.
Der aktuelle Zeitplan sieht für 2023 Bauarbeiten im Bereich Platz von Netanya vor. Nach einer Baupause in 2024 wegen der Fußball-EM soll 2025 vor St. Petri und St. Reinoldi und 2026/27 zwischen Hansastraße und Platz von Leeds gebaut werden. Erst Ende 2029 soll der letzte zentrale Abschnitt zwischen Freistuhl und Hansastraße beendet sein - genau 30 Jahre nach dem Entwurf.
Oliver Volmerich, Jahrgang 1966, Ur-Dortmunder, Bergmannssohn, Diplom-Journalist, Buchautor und seit 1994 Redakteur in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten. Hier kümmert er sich vor allem um Kommunalpolitik, Stadtplanung, Stadtgeschichte und vieles andere, was die Stadt bewegt.
