Wohin geht die Reise am Bau? Steigende Grundstückspreise, explodierende Preise für Baumaterialen und wachsende Auflagen etwa für den Brand- und Klimaschutz machen Bau von neuen Wohnungen teuer. Kann ein Investor in Dortmund am Ende noch so bauen, dass er die Wohnungen für weniger als 10 Euro (kalt) pro Quadratmeter vermieten kann? © Archiv

Immobilien

Günstig Wohnen im Neubau in Dortmund? „Wir laufen in eine Katastrophe“

400.000 neue Wohnungen pro Jahr hat sich die neue Ampel-Koalition zum Ziel gesetzt - drei Viertel frei finanziert. Wir fragen: Sind in Dortmund noch Neubau-Mieten unter 10 Euro möglich?

Dortmund

, 26.11.2021 / Lesedauer: 6 min

134 der 400.000 Wohnungen, die die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP pro Jahr in Deutschland anstrebt, entstehen gerade im neuen Kaiserquartier an der Ecke Kaiserstraße/Klönnestraße. Im nächsten Jahren werden die durchweg frei finanzierten Mietwohnungen in der östlichen Innenstadt bezugsfertig sein.

Einziehen werden dort Besserverdiener und Senioren mit einer guten Rente, denn der Wohnkomfort ist hoch und die Mieten sind dementsprechend nicht gerade günstig. Bauherr des Kaiserquartiers ist der Dortmunder Unternehmer Eric Schmidt, Inhaber des Autohauses Autowelt Schmidt.

Er hat in den vergangenen Monaten erlebt, wie die Preise für Baumaterialien gestiegen sind. Die Erzeugerpreise für Betonstahlmatten lagen beispielsweise nach Angaben des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie im Oktober 2021 um 70,1 Prozent über dem Niveau von Januar. „Die Preiserhöhungen haben uns teilweise getroffen. Das ändert aber nichts an unseren Mietvorstellungen. Die Mieten müssen auch im frei finanzierten Wohnungsbau ja bezahlbar bleiben“, sagt Eric Schmidt.

Im neuen Kaiserquartier beträgt die Miete bis zu 14 Euro

Nun mag man sich darüber streiten, was „bezahlbar“ ist. Die Wohnanlage im Kaiserquartier kommt mit exklusiver Ausstattung samt Tiefgarage, Aufzügen und energiesparender Technik daher. Die Kaltmiete beträgt 12,50 bis 14 Euro pro Quadratmeter - je nach Ausrichtung und Größe der Wohnung.

Im Durchschnitt liegt der Mietpreis für eine Neubauwohnung in Dortmund aktuell bei 11,10 Euro/m². Bei aller Exklusivität scheint mit 14 Euro im Kaiserquartier also wohl eine Grenze erreicht.

Im Dreieck zwischen Klönne- und Kaiserstraße wächst das neue Kaiserquartier. 134 exklusiv ausgestattete Mietwohnungen entstehen hier - und sind bei Kaltmieten zwischen 12,50 und 14 Euro pro Quadratmeter schon zu 80 Prozent vergeben. Die Nachfrage sei enorm, berichtet der private Investor Eric Schmidt. © Luftbild Blossey

Und dabei baut Eric Schmidt auf einem Grundstück, das zum Teil schon lange in Familienbesitz war und dessen größeren Teil er 2005 von einer Nachfolgegesellschaft der Deutschen Bahn gekauft hat. Seitdem ist der Grundstückspreis in dieser Innenstadtlage enorm gestiegen. Nach den Daten des Informationssystems Boris-NRW, das die Preisentwicklung über zehn Jahre ausweist, lag der Bodenrichtwert dort 2011 bei 300 Euro/m² und liegt jetzt bei 500 Euro/m². Seit 2005 dürfte er sich also verdoppelt haben.

Mieterverein: Vermieter fördern, die bezahlbare Mieten anbieten

„Dieses Objekt“ sagt Eric Schmidt zu seinem Kaiserquartier, „wäre heute wirtschaftlich nicht mehr darstellbar.“ Er sieht für den frei finanzierten Wohnungsbau, auf den die neue Bundesregierung so sehr setzt (nur 100.000 der 400.000 Wohnungen jährlich sollen sozial gefördert werden) schwarz: „Auch mit einer nicht so hochwertigen Bauweise und weniger exklusiver Ausstattung ist im Neubau eine Kaltmiete unter 10 Euro aus meiner Sicht nicht darstellbar. Da laufen wir in ein riesengroßes Problem.“

Diese Sorge teilt Markus Roeser vom Mieterverein Dortmund vor dem Hintergrund, dass in Deutschland schätzungsweise zwei Millionen Wohnungen fehlen. Damit in Dortmund günstiger Wohnraum für Normalverdiener entstehen kann - und darunter versteht er Mieten von 6 bis 8 Euro pro Quadratmeter - fordert er eine stärkere finanzielle Unterstützung für gemeinwohlorientierte Vermieter: „So könnten Grundstücke vergünstigt an Investoren vergeben werden, die dauerhaft günstige Mieten realisieren möchten oder es könnten entsprechende Förderprogramme aufgelegt werden.“

Neubau einer Wohnung kostet 4000 Euro brutto pro m²

Der Präsident des hiesigen Eigentümerverbandes Haus & Grund und Dortmunder Bauunternehmer, Walter Derwald, sagt zu den aktuellen Neubaukosten: „Für den Neubau eines Musterwohnhauses als Mehrfamilienhaus mit rund 14 bis 16 Wohneinheiten betragen die Erstellungskosten fast 4000 Euro brutto pro Quadratmeter Wohnfläche.“

Walter Derwald ist Bauunternehmer und Präsident des Hauseigentümerverbandes Haus & Grund Dortmund. Er sagt: „Wirtschaftlich wird ein Neubau im frei finanzierten Wohnungsbau erst bei Nettokaltmieten von 13 bis 15 Euro/m².“ © ZDB/ axentis.de

Die Kosten des Bauwerks mit Baukonstruktion und Technischen Anlagen haben, so Derwald, mit knapp 2600 Euro (65 Prozent) den größten Anteil an den Erstellungskosten. Stelle man diesen Baukosten eine Nettokaltmiete von 10 Euro/m² gegenüber, betrage die Bruttorendite weniger als 3 Prozent.

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„Das bedeutet“, sagt Walter Derwald, „dass daraus noch Kapitaldienst (Zins und Tilgung), laufende Instandhaltungen und Instandhaltungsrücklagen erbracht werden müssen. Wenn man also allein von einem Zinssatz von mindestens 1,0 Prozent und einer Tilgung von mindestens 2 Prozent ausgeht, dann muss man bereits bei diesem Mietpreis Liquidität zuschießen. Wirtschaftlich wird ein Neubau im frei finanzierten Wohnungsbau unter den aktuellen Rahmenbedingungen also erst bei Nettokaltmieten von 13 bis 15 Euro/m².“

Bei Haus & Grund betrachtet man das mit Sorge. Zwar freut man sich über dennoch viele Bauaktivitäten, die Investitionen müssten jedoch wohl überlegt sein. Man höre bereits eine Reihe von Klagen: Denn meistens fällt die Schlussrechnung noch einmal höher aus als die Kalkulation.

Bauforschung: Kaltmiete unter rund 12,50 Euro nicht möglich

Auch das Fazit der Bauforschungseinrichtung Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (Arge eV), die gerade eine Untersuchung „Bezahlbarer Wohnraum 2021“ vorgenommen hat, lautet klipp und klar: „Ein aktuell frei finanziert errichteter Wohnungsbau lässt eine Kaltmiete unter ca. 12,50 Euro nicht mehr zu.“

Ob diese Mieten in Dortmund erzielbar sind, dazu äußert sich der Hauptgeschäftsführer von Haus & Grund Dortmund, Dr. Thomas Bach: „Aus unserer Erfahrung in der Immobilienvermietung und -vermittlung können wir sagen, dass es in Dortmund ein Nachfragepotenzial auch im hochpreisigen Segment gibt.“

Zu den deutlich über 10 Euro gestiegenen und weiter steigenden Mieten in Neubauten sagt Dr. Thomas Bach, Hauptgeschäftsführer von Haus & Grund Dortmund: „Aus unserer Erfahrung können wir sagen, dass es in Dortmund ein Nachfragepotenzial auch im hochpreisigen Segment gibt.“ © Schaper

Voraussetzung für eine schnelle und erfolgreiche Vermietung sei jedoch die Erfüllung bestimmter Kriterien. „Dabei“, so Bach, „handelt es sich im hochpreisigen Neubausegment im Wesentlichen um die Lage, aber natürlich kommt es auch auf Bauweise, Zuschnitt der Wohnung und Ausstattung an. Bei insgesamt schlüssigen und attraktiven Konzepten sehen wir auch in Dortmund – trotz einer nicht massenhaften Nachfrage – nicht die Gefahr, dass es zu größeren Leerständen in diesem Segment kommt.“ Wichtig sei, dass es am Mietwohnungsmarkt auch weiterhin bezahlbaren Wohnraum gebe und dies sei in Dortmund der Fall.

Spar- und Bauverein bringt Standardisierung des Bauens ins Spiel

Tobias Scholz vom Mieterverein Dortmund sieht die Sache kritisch. Er beobachtet, dass die inserierten Angebote für Neubau-Mietwohnungen in Dortmund schon seit 2016 über 10 Euro hinaus steigen. „2016 lag der Median bei 10,16 Euro, 2019 bei 10,89 Euro und 2020 bei 11,10 Euro“, sagt er.

„Das unterstreicht“, fügt Tobias Scholz hinzu, „die Bedeutung von sozial-gefördertem Wohnungsbau - auch, weil vor allem große Wohnungen fehlen, die für Familien auf dem frei finanzierten Wohnungsmarkt nicht mehr bezahlbar sind.“

Franz-Bernd Große-Wilde ist Vorstandsvorsitzender Spar- und Bauvereins Dortmund. „Der Klimaschutz muss so gefördert werden, dass die Investition in die Energiearmut die Rentabilität nicht kaputt macht“, sagt er. © Frauke Schumann Fotografie

Was eben diesen frei finanzierten Wohnungsmarkt angeht, teilt Franz-Bernd Große-Wilde die Sorge von Haus & Grund, ob die Renditevorstellungen der Eigentümer in Zukunft noch realisierbar sind. „Es stimmt“, sagt der Vorstandsvorsitzende des Spar- und Bauvereins Dortmund, „für einen Investor bleibt als Rendite nicht viel übrig. Es muss an einigen Stellschrauben gedreht werden.“

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Große-Wilde verweist auf das in diesem Jahr fertiggestellte Neubauprojekt seiner Genossenschaft am Königswall. Dort liege die Nettokaltmiete der 36 Wohnungen bei 9 bis 10 Euro. „Möglich wurde das durch die Kombination mit den wesentlich höheren Mieten für die gewerblichen Mieter“, sagt er.

Außerdem bringt der Chef des Spar- und Bauvereins die serielle Errichtung von Typenhäusern ins Spiel. „In der Standardisierung liegt die Chance“, sagt er und fügt an: „Es braucht außerdem staatliche Unterstützung. Der Klimaschutz muss so gefördert werden, dass die Investition in die Energiearmut die Rentabilität nicht kaputt macht“.

Dogewo21 sieht Möglichkeiten nur im geförderten Wohnungsbau

Während der Spar- und Bauverein in Hostedde gerade die Dachausbauten als nachhaltige und bezahlbare Form der Wohnraumversorgung (8 Euro Kaltmiete) vorantreibt, will man an der Schüruferstraße 113 und 119 (ehemalige Tanzschule) demnächst aber auch wieder komplett frei finanziert in den Mehrfamilienhaus-Neubau investieren.

In Hostedde treibt der Spar- und Bauverein im Quartier In der Liethe/Mohlweg/Pücklerweg derzeit den Ausbau der Dachgeschosse voran. Die Genossenschaft sieht darin einen Weg, neuen Wohnraum ohne neue Flächenversiegelung zu schaffen. Und der Dachausbau ist günstiger als der Hausbau. Hier kann eine Wohnung für 8 Euro pro Quadratmeter angeboten werden. © Spar- und Bauverein

„Wir werden im Standard bauen, auf kostentreibende Elemente wie eine Tiefgarage, mehrere Aufzüge oder teure Treppenhäuser verzichten und innovative Konzepte für die es Fördergelder gibt, wie E-Mobilität oder Ausstattung zur CO2-Reduktion, verfolgen. Die Mietpreise stehen noch nicht fest, aber ich glaube, dass wir auch über die Streckung der Rentabilität bei rund 10 Euro Nettokaltmiete landen können“, sagt Franz-Bernd Große-Wilde.

Als Chef einer kommunalen Tochtergesellschaft wie der Dogewo21 mit 16.400 Mietwohnungen in Dortmund muss Klaus Graniki bei seinen Bauvorhaben eine schwarze Null vorweisen, kann also die Rentabilität nicht auf später verschieben. Er wird aber durch den DSW21 Konzern durch Grundstückseinlagen unterstützt.

„Zuletzt“, sagt Klaus Graniki, „haben wir an der Schüruferstraße am Phoenix-See gebaut und konnten dort mit einer Fördermiete von damals 6,25 Euro im öffentlich geförderten Wohnungsbau vermieten. Aus eigener Kraft sind solche Projekte bei den derzeitigen Rahmenbedingungen für kommunale Unternehmen wirtschaftlich nicht zu verantworten.“

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