
© Oliver Schaper
Besondere Dortmund-Tour: Hier verewigten sich Legenden der Graffiti-Szene
Mini-Serie: Dortmunder „Lialo“-Touren
Wie viel Spaß steckt in einer App, die Stadtführungen mit Schnitzeljagd-Elementen kombiniert? Wir testen die Dortmund-Touren von lialo.com. Diesmal verspricht die Tour ein Treffen von „Streetart und Foodporn“.
Mit der Touren-App Lialo.com können Nutzer per Baukastensystem touristische Spaziergänge erstellen und Karten anderer User nachspielen.
Drei Touren gibt es neuerdings dort, mit denen Dortmund erkundet werden kann. Entworfen haben sie Romy Schneider und Tobias Franke. Ein Dortmunder Paar, das auch das Reise- und Nachhaltigkeits-Blog leavingcomfort.zone betreibt.
Die Dortmunder haben bei Lialo.com Touren für jeden Anspruch erstellt. Eine führt durch den Althoffblock, eine zweite durch das Unionviertel. Die dritte Tour geht durch’s Kreuzviertel. Wir haben die Touren getestet.
In der ersten Folge unserer Mini-Serie haben Fabian Paffendorf und Oliver Schaper bereits die Tour durch den Althoffblock gespielt - und waren begeistert.
Kann die zweite Tour da mithalten? So viel sei schon verraten: Was sich hinter dem Titel „Dortmunder Unionviertel - Streetart trifft Foodporn“ verbirgt, ist eine gänzlich andere Erfahrung als die erste Tour.
15 Stopps und viel fürs Auge
Abermals starten wir an der Möllerbrücke, aber diesmal geht es nach der ersten Quizfrage in eine andere Richtung - nämlich die Ritterhausstraße entlang zum Westpark. Diese Tour beinhaltet 15 Stopps und 8 Aufgaben. Alle Stationen sind barrierefrei zu erreichen. Zwischen 1 und 4 Kilometer - je nach Vorlieben - ist man unterwegs.
Laut Kurzbeschreibung erwarten uns bei diesem Spaziergang Biergärten, kulinarische Geheimtipps und jede Menge Kunst aus der Spraydose. Diesmal sind wir ohne unsere Tour-Guides Tobias und Romy unterwegs - werden also allein mit den von ihnen in der App hinterlegten Informationen und Routen das Viertel erkunden.

Wir erkunden das Unionviertel. © Oliver Schaper
Auf in den Westpark
Uns wird empfohlen, uns bei Bedarf mit Snacks und Getränken im Rewe-Markt an der Möllerbrücke einzudecken. Keine schlechte Idee. Der erste Stopp befindet sich gleich neben dem Supermarkt. An der oberen Ritterhausstraße wird uns der nicht ohne Weiteres offensichtliche Zugang zum Club Silent Sinners angezeigt.
Aufgrund der Corona-Pandemie ist der leider bis auf Weiteres geschlossen. Aber unsere Tour findet ja eh am Nachmittag statt, sodass es sowieso noch lange hin wäre, bis das Clubleben in Dortmund in gewöhnlichen Zeiten erwachten würde.
Gerade an den Wochenenden sehr belebt ist auch der Westpark, der uns als nächster Stopp nahegelegt wird. Corona-bedingt haben wir leider keine Chance uns im Café Erdmann einen Platz im Außenbereich zu sichern. Unsere Tour fand noch vor der Wiedereröffnung der Außengastronomie statt.
Im Herzen des Viertels
100 Meter weiter wartet mit dem großen Spielplatz des Parks ein echtes Highlight für Familien mit Kindern. Während sich die Kleinen also dort auf den Riesenschaukeln austoben können, lockt Erwachsene vielleicht die Boulebahn, die man einige Meter weiter im Westpark findet.
Die App schickt uns weiter zum Friseur-Salon Kinkys. Nicht-Dortmundern ist der dortige Dienstleister Frank Griewel vielleicht aus dem TV bekannt. Definitiv kein Laden wie jeder andere - und für Dortmund-Unerfahrene eh einen Besuch wert. Passt!

Was hat es wohl mit den kleinen Häuschen entlang des Westparks auf sich? Die App hält dazu einige Informationen bereit. © Oliver Schaper
Durch die Barmer Straße geht's weiter - rein in das Herz von Dortmunds ältestem Wohnviertel. Wir bahnen uns den Weg und bleiben immer wieder mal stehen, um die wirklich beeindruckenden Fassaden der alten Häuser zu bestaunen.
Popkultur hält Einzug
Wir gehen die Albrechtstraße entlang und finden an deren Ende zahlreiche Kunstwerke. Mal sind ganze Häuser mit kunstvoll arrangierten Graffiti-Motiven veredelt, dann wiederum haben sich mehr oder weniger begabte Amateure an der Spraydose versucht.
Zu sehen gibt es jedenfalls sehr viel, wenn man an Street Art interessiert ist. Vom Space-Shuttle-Start bis hin zum Death Star Trench Fight aus Star Wars wurden Motive aus der Popkultur hier verewigt.
Wer bei der Tour nun Bock auf Vinyl bekommen hat, dem empfehlen Tobias und Romy einen Abstecher in die Sternstraße, wo der Amsterdam Record Shop residiert.
Weg in den Hinterhof
Mit der Adresse Adlerstraße 59 ist hingegen laut unseren Guides der beste Kiosk der Stadt ausgewiesen.
Im Hof hinter dem Büdchen soll uns ein weiterer Augenschmaus in Form von Graffiti-Kunst geboten werden. Also biegen wir neben dem Kiosk in eine Einfahrt ab, die von außen betrachtet erst einmal nicht so aussieht, als wenn sich dahinter irgendetwas lohnenswertes befinden würde.
Der erste Eindruck täuscht. Das ist viel weniger ein Hinterhof, als denn mehr eine Freiluft-Galerie für Street Art. Wir sind umringt von Bildern berühmter Charaktere aus der Popkultur. Die Figuren aus Disneys Alice im Wunderland blicken uns ebenso an wie Box-Legende Muhamet Ali oder Bruce Lee.

Sightseeing im Hinterhof der Adlerstraße. © Oliver Schaper
Legende der Graffiti-Kunst
Unsere Tour ist nicht unbemerkt geblieben. Ein Mann im schwarzen Jogginganzug folgt uns und weist darauf hin, dass wir womöglich einen überaus wichtigen Schriftzug an einer Hauswand übersehen haben könnten.
Und er hat damit Recht! So unscheinbar und in der Masse bunter Farbtupfer an den Fassaden wenig hervorstechend wie der Schriftzug „CornBread“ da gesprüht wurde, ist er wirklich leicht zu übersehen.
Der Kenner klärt auf: „Der Tag CornBread stammt von einem der weltweit ersten Graffiti-Sprayer überhaupt. Von einem Mann aus Philadelphia, der in den 60er-Jahren zu sprayen anfing, als Graffiti noch etwas waren, mit dem die Briefträger untereinander kommunizierten und sich Schleichwege damit markierten.“
Gino kennt sein Viertel gut
Tatsächlich ist der Urheber jenes Schriftzugs im Hinterhof Darryl McCray, ein US-Amerikaner, der als Urvater der modernen Graffiti-Bewegung gilt. 2018 bei einem Dortmundbesuch hinterließ er seinen Gruß in der BVB-Stadt.
Der Mann, der uns das Graffito näher bringt, heißt übrigens Gino Freiwalt und kennt das Unionviertel und seine Bewohner gut. Er ist hier aufgewachsen, weiß auch um die dunklen Seiten des Lebens hier.
Gino ist Streetworker, in der Drogenberatung tätig. Wie er erzählt, war er früher einer von den schweren Jungs, Drogen und Kriminalität gehörten zu seinem Alltag, zehn Jahre Knast hätten sein Leben dann verändert. Hätten ihn zu jemand anderem gemacht.
Wo ein Megastar feierte
Wir verlassen den Hinterhof, besuchen einen anderen Ort, der bei vielen Dortmundern wohlige Erinnerungen an rauschende Partynächte weckt. Da, wo an der hinteren Rheinischen Straße heute eine Autowerkstatt zu finden ist, stand früher das „Orpheum“.

Wenige Meter neben dem alten Kiosk war lange Zeit die legendäre Diskothek „Orpheum“ zu finden. © Oliver Schaper
Ursprünglich als Kino erbaut und betrieben erlebte das Haus seinen zweiten Lebenszyklus als legendäre Diskothek. Sogar Megastar Prince feierte dort, wie wir in der App nachlesen können.
Unsere nächste Destination ist das Dortmunder U. Der Weg dahin ist gesäumt von vielen kleinen Restaurants, Imbissstuben und Szene-Kneipen. Hier kann man eigentlich überall einkehren, um lecker zu essen und zu trinken. In der Lialo-App haben Romy und Tobias zahlreiche Tipps für Feinschmecker zusammengefasst.

Über die Rheinische Straße geht es in Richtung Dortmunder U. © Oliver Schaper
Fazit: Auch die Tour durchs Unionviertel ist absolut empfehlenswert. Wer mag, kann hier nicht nur ein paar Stunden, sondern durchaus auch mehrere spannende Tage und Nächte verbringen.
Fabian Paffendorf, Jahrgang 1978, kam 2003 zum Journalismus. Ursprünglich als Berichterstatter im Bereich Film und Fernsehen unterwegs, drehte er kleinere Dokumentationen und Making-Of-Berichte für DVD-Firmen. In diesem Zusammenhang erschienen seine Kritiken, Interviews und Berichte in verschiedenen Fachmagazinen und bei Online-Filmseiten. Seit 2004 ist der gebürtige Sauerländer im Lokaljournalismus unterwegs. Für die Ruhr Nachrichten schreibt er seit Herbst 2013.