Firmenchef Rudi Stegemöller verteidigt die Botschaften auf seinen Lastwagen, von denen sich die Stadt Dortmund distanziert. Und Schüler des Goethe-Gymnasiums in Hörde protestierten dagegen.

Firmenchef Rudi Stegemöller verteidigt die Botschaften auf seinen Lastwagen, von denen sich die Stadt Dortmund distanziert. Und Schüler des Goethe-Gymnasiums in Hörde protestierten dagegen. © Montage

Ärger um Lkw-Botschaften: Warum arbeitet die Firma noch auf städtischen Baustellen?

rnUnternehmen provoziert

Vermeintlich rechtspopulistische Aufschriften auf den Lkw einer Kamener Baufirma sorgten am Goethe-Gymnasium für Protest. Stellung bezieht dazu die Stadt Dortmund – auch der Firmenchef äußert sich.

Dortmund, Kamen

, 26.05.2022, 11:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Es sind verschiedene Botschaften, mit denen die großen Kipplaster einer Baufirma aus Kamen durch die Gegend fahren. Das Unternehmen Stegemöller für Baustoffgroßhandel und Transporte hat vor Jahren schon mit der Abbildung leicht bekleideter Frauen auf den Aufliegern für Aufmerksamkeit gesorgt.

Jetzt sind es vermeintlich rechtspopulistische, von Schwarz-Rot-Gold begleitete Parolen wie „Meinungsfreiheit ist bei uns eine Mutprobe“ oder „Sei stolz auf dein Land - nur lass dich als Deutscher nicht erwischen“.

Als die Stegemöller-Lkw mit diesen Aufschriften auf der Sporthallen-Baustelle am Goethe-Gymnasium auftauchten, sorgte dies für eine Protestaktion der Schülerinnen und Schüler. Sie hielten den Lkw beispielsweise Spruchbänder mit der Aufschrift „Menschenverachtung ist keine Meinung“ entgegen und setzten ein Zeichen für Courage und gegen Rassismus.

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Auch die Stadt Dortmund distanzierte sich umgehend von den Lkw-Botschaften. Sie entsprächen „erkennbar nicht dem, wofür die Stadt Dortmund steht - als Stadt der Vielfalt, Weltoffenheit und der Toleranz.“

Stadt Dortmund darf bei Vergabe „nicht diskriminierend handeln“

Vor einem Jahr allerdings war die Firma Stegemöller auf einer Schulbaustelle an der Burgholzstraße in der Nordstadt schon mal aufgefallen. Im März 2021 beschwerten sich Anwohner über Parolen wie „Wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd“.

Damals bereits verurteilte die Stadtverwaltung solche Lkw-Botschaften. Warum aber wird das Kamener Unternehmen offensichtlich immer noch beauftragt?

Auch diese Reaktionen gab es: Irgendjemand hängte diese Plakate an den Bauzaun am Goethe-Gymnasium in Dortmund, die die Firma Stegemöller unterstützen. „Eindeutig: Meinungsfreiheit ist eine Mutprobe“ steht da unter anderem.

Auch diese Reaktionen gab es: Irgendjemand hängte diese Plakate an den Bauzaun am Goethe-Gymnasium, die die Firma Stegemöller unterstützen. „Eindeutig: Meinungsfreiheit ist eine Mutprobe“ steht da unter anderem. © Jörg Bauerfeld

„Die Stadt hat die Firma nicht beauftragt. Weder damals noch heute“, sagt Stadtsprecher Christian Schön. Sie sei von Subunternehmern beauftragt worden. Und das sei nicht zu verhindern. „Zu berücksichtigen ist“, erklärt Schön, „dass das Vergaberecht einen umfassenden und diskriminierungsfreien Wettbewerb festsetzt. Die Stadt Dortmund darf bei der Auftragsvergabe nicht rechtswidrig bzw. diskriminierend handeln.“

Was eigentlich positiv sei, könne – wie in diesem Fall – eben auch Nachteile haben. „Denn wenn eine Firma aufgrund ihrer zur Schau getragenen Gesinnung oder Haltung bei Vergabeverfahren ausgeschlossen wird, obwohl die Gesinnung oder Haltung selbst gar keinen Bezug oder keinen Einfluss auf die ausgeschriebene Leistung hat, wird es problematisch“, erklärt der Stadtsprecher.

Der Ausschluss einer Firma könne gerade nicht aus persönlichen Werten oder Vorstellungen heraus erfolgen, da es hier ein sehr breites Spektrum gebe. „Aus gutem Grund“, so Christian Schön, „denn würde man es anwenden, wäre eine Tür zu Willkür und Missbrauch geöffnet. Ein Ausschlussgrund liegt hingegen in einer nachweislich schweren Verfehlung, die die Zuverlässigkeit des Bieters in Frage stellt.“

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Aus rechtlicher Perspektive könne aber in den Schriftzügen auf den Baufahrzeugen keine derartige Verfehlung gesehen werden, die die Zuverlässigkeit der genannten Firma als Bewerber oder Bieter in Frage stellt.

Rudi Stegemöller: „Was ist daran menschenverachtend?“

Firmenchef Rudi Stegemöller unterstreicht denn auf unsere Anfrage auch die zuverlässige Arbeit seines Unternehmens und versteht die Aufregung und Empörung seitens der Stadt und der Goethe-Gymnasiasten nicht.

„Es sollte jeder zu seiner Meinung stehen können. Das ist doch ganz allgemein gesprochen. Was ist daran menschenverachtend?“, sagt er und verweist auf eine Allensbach-Umfrage im vergangenen Jahr, nach der 45 Prozent der Befragten die Meinungsfreiheit in Deutschland in Gefahr sähen.

Eine Nähe zur AfD und ihrer mitunter rassistischen und ausländerfeindlichen Ausrichtung weist Rudi Stegemöller von sich. „Ich war zwar mal auf einer AfD-Veranstaltung, aber ich war auch bei der SPD oder der FDP, um mir eine Meinung zu bilden. Wir sind parteimäßig offen“, sagt er.

Kippverbot an einer Justizvollzugsanstalt

Und dann erzählt er, wie es überhaupt dazu kam, dass er nicht nur Baustoffe, sondern auch politische Botschaften mit seinen Lkw transportiert: „Kinder liegen mir am Herzen. Als ich nach Urteilen zu sexuellem Missbrauch von Kindern ‚Täterschutz statt Opferschutz‘ an die Lkw geschrieben hatte, gab es für uns an einer Justizvollzugsanstalt ein Kippverbot. Da bin ich auf das Thema Meinungsfreiheit gekommen.“

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Wenn er jetzt ausgegrenzt werde, verstehe er das nicht. „Ich bin 70 Jahre alt und habe erlebt, wie dieses Land aufgebaut wurde“, sagt er. Er wolle stolz auf sein Land sein dürfen und Schwarz-Rot-Gold auch dann zeigen, wenn nicht gerade eine Fußball-WM ist. Mit Ausländerfeindlichkeit oder Menschenverachtung habe das nichts zu tun.

„Wir helfen in vielen Fällen. Wir waren zum Beispiel sofort nach der Flutkatastrophe im Ahrtal. Oder: Wir haben mit großem Engagement einen Syrer ausgebildet. Das hat sich gelohnt, den möchten wir heute nicht mehr missen.“

Derweil sind die Plakate, die Schülerinnen und Schüler an einem Bauzaun am Goethe-Gymnasium anbrachten, vom Regen der vergangenen Tage arg ramponiert. „Meinungsfreiheit nicht zu verwechseln mit Kritiklosigkeit“, stand darauf. Vielleicht kommt es ja zu dem, was ein anderes Plakat, das ein Unbekannter aufgehängt hat, fordert: „Miteinander statt übereinander reden.“