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Recht auf Sterben: Todkranker Dortmunder droht Wolfgang Schäuble mit Anzeige
Sterbehilfe
Der Dortmunder Helmut Feldmann ist für sein Recht, selbstbestimmt zu sterben, bis vors Bundesverfassungsgericht gezogen. Er gewann - und kämpft nun trotzdem weiter. Für andere.
Einmal hat Helmut Feldmann schon gewonnen - und zwar vor keiner geringeren Instanz als dem Karlsruher Bundesverfassungsgericht. Gemeinsam mit drei anderen todkranken Menschen, die mittlerweile alle verstorben sind, hatte er gegen das Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe geklagt - und im Februar 2020 tatsächlich Recht bekommen.
Der unheilbar an COPD und einem Lungenemphysem erkrankte Dortmunder kann nun über den Zeitpunkt seines Todes selbst entscheiden. Doch sein Kampf ist noch nicht beendet.
Miterlebt, wie die eigene Schwester qualvoll starb
„Eigentlich war die Sache damit für mich ja erledigt“, sagt der 74-Jährige, der einst miterleben musste, wie seine Schwester Anni aufgrund der Lungenkrankheit COPD qualvoll erstickte.
Die jahrelange Auseinandersetzung mit Gerichten, die vielen Fragebögen und Arztberichte im Laufe des Prozesses - all das hatte Feldmann zuletzt arg mitgenommen: „Ich war mental ziemlich am Ende.“ Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sollte der letzte Schritt auf seinem langen Weg zu mehr Gerechtigkeit sein.

Helmut Feldmann mit einem Bild seiner Schwester Anni, die vor 17 Jahren qualvoll an COPD starb. Auch Feldmann leidet unter der chronischen Lungenkrankheit. © Michael Schuh
Doch auch nach dem Urteil klingelte bei dem Dortmunder, der mittlerweile bei seiner Tochter in Marl lebt, immer wieder das Telefon. Schwerkranke Menschen berichteten, dass deren Ärzte aus Angst, sie könnten die Zulassung verlieren, ihnen kein Sterbemittel verschreiben würden.
Denn auch ein halbes Jahr nach dem Urteil von Karlsruhe hätten zehn der insgesamt 17 deutschen Ärztekammern ihre Statuten diesbezüglich noch nicht geändert, sagt Feldmann.
Die Anrufer weinten bitterlich - „Das hat mich berührt“
„Die Leute haben am Telefon teilweise bitterlich geweint und das hat mich sehr berührt“, erzählt der 74-Jährige. Und da es ihm trotz seines stark verringerten Lungenvolumens momentan relativ gut geht, setzte er sich ein weiteres Mal für die Betroffenen ein. „Aus Mitleid.“
Zunächst knüpfte der gelernte Elektrotechniker Kontakt zu mehreren Bundestagsabgeordneten, die er noch aus seiner aktiven Zeit beim SPD-Ortsverein Körne/Wambel kannte. So erfuhr er, dass die Karlsruher Entscheidung in Berlin noch kein Thema in den Ausschüssen gewesen sei.
Dr. Wolfgang Schäuble mit einer Anzeige gedroht
Für Feldmann eine nicht akzeptable Entscheidung: „Denn das Bundesverfassungsgericht hat ja angeordnet, dass das alte Gesetz nicht mehr gilt.“
Also wandte sich der Dortmunder schriftlich an die Bundesärztekammer, das Bundesverfassungsgericht und den Bundestagspräsidenten Dr. Wolfgang Schäuble (CDU), wobei Feldmann offenbar kein Blatt vor den Mund nahm.
„Mein letzter Satz an Dr. Schäuble lautete: ‚Falls Sie nicht tätig werden, zeige ich Sie wegen Rechtsbeugung an.‘“

Vom SPD-Gesundheitsexperten Prof. Dr. Karl Lauterbach erhielt Feldmann ein sehr persönliches Antwortschreiben. © Michael Schuh
Auch der SPD-Gesundheitsexperte Prof. Dr. Karl Lauterbach erhielt einen Brief - und antwortete sehr persönlich. „Mit Deiner Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht hast Du vielen Menschen eine Stimme für ein Sterben in Würde gegeben“, schrieb der Sozialdemokrat und sagte seine Unterstützung zu: „Ich bin bereits in Kontakt mit damaligen Mitstreitern, um nach der Sommerpause einen Antrag für die Erlaubnis des ärztlichen Suizids vorzubereiten.“
Und tatsächlich ist Feldmanns erneutes Aufbegehren offenbar von Erfolg gekrönt. „Inzwischen habe ich eine Nachricht vom Petitionsausschuss erhalten, den Dr. Schäuble ins Leben gerufen hat. Da wird dann unter anderem mein Schreiben einfließen.“
Feldmann glaubt an einen Entschluss in absehbarer Zeit
Helmut Feldmann ist nun guter Dinge, dass die Bundesärztekammer in absehbarer Zeit einen Entschluss fasst, der „dem Urteilsspruch Würde trägt“. Sprich: Alle 17 deutschen Ärztekammern nehmen das Recht auf selbstbestimmtes Sterben in ihre Statuten auf.
Erst dann wird es Helmut Feldmann endlich ruhiger angehen lassen und die Jahre, die er vielleicht noch hat, genießen.
Mitglied des Vereins Sterbehilfe
- Helmut Feldmann ist Mitglied des Vereins Sterbehilfe. Dieser Verein würde ihm die todbringende Substanz zur Verfügung stellen, sollte der Dortmunder aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr leben wollen.
- Wer nicht Mitglied sei, erhalte von dem Verein diese Substanz auch nicht, erläutert der 74-Jährige. Diese Menschen seien darauf angewiesen, dass ihnen ein Arzt diese verschreibt.