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Helmut Feldmann (73) will sich töten – das Bundesverfassungsgericht soll es ihm nun erlauben
Sterbehilfe
Der unheilbar erkrankte Helmut Feldmann möchte nicht qualvoll ersticken wie seine Schwester - und klagt seit Jahren auf das Recht auf einen würdevollen Tod. Nun naht das Urteil.
Das kennt Helmut Feldmann sonst nicht von sich. Von Tag zu Tag wird der 73-Jährige nervöser. Unruhiger, je näher es auf Aschermittwoch (26. Februar) zugeht. Diesen Tag sehnt er seit gut vier Jahren herbei. Endlich soll das Bundesverfassungsgericht das Sterbehilfe-Gesetz kippen, das ihm einen menschenwürdigen Tod verweigert, sagt er. Er will nicht „so elendig krepieren“ wie seine Schwester, die erstickte. Deshalb klagt er in Karlsruhe.
Helmut Feldmann liebt das Leben, aber er leidet seit 24 Jahren an der unheilbaren Lungenkrankheit COPD. Den Tod seiner Schwester vor Augen, setzt Feldmann alles daran, selbstbestimmt aus dem Leben gehen zu dürfen. Dann, wenn er meint, dass das Leben für ihn nicht mehr lebenswert ist.
Bereits 2012 ist Feldmann dem Verein Sterbehilfe Deutschland beigetreten. Für die einmalige Gebühr von 1000 Euro erwarb er die Möglichkeit, eine Injektion zu bekommen für den Tag, an dem er nicht mehr kann.
Die todbringende Spritze müsste er sich selbst geben. Er würde langsam einschlafen und nicht mehr aufwachen. Das war damals legal. Doch mit der umstrittenen Neuregelung der Sterbehilfe, die der Bundestag Ende 2015 verabschiedete, ist dieser Ausweg versperrt.
„Bis zum Letzten“
Seitdem steht die „geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“ unter Strafe. Damit wollten die Parlamentarier das Geschäft der Sterbehilfevereine verbieten. Kein Kranker soll sich von der Gesellschaft unter Druck gesetzt fühlen, sein Leben vorzeitig zu beenden.
„Bis zum Letzten“ will Helmut Feldmann gegen dieses Gesetz kämpfen und dafür, dass die Sterbehilfe in Deutschland legalisiert wird. Der Elektrotechniker ist in Dortmund als engagierter Bürger bekannt.
Er hat die silberne Parteinadel des SPD-Ortsvereins Körne/Wambel, war dort über 20 Jahre im Vorstand aktiv, ist Ehrenvorsitzender der dortigen Arbeiterwohlfahrt und des Körner Kultur- und Kunstvereins. Vor drei Jahren ist er aus gesundheitlichen Gründen zu seinen Kindern nach Marl gezogen. Seine Tochter ist Altenpflegerin. Auch in Marl ist er Beisitzer im SPD-Vorstand.
„Ich weiß, wie das in der Politik läuft“, sagt er, „die größten Lobbyisten im Bundestag sind die Pharmazeutik und die Kirche.“ Er wisse von Patienten, die „im Sterben noch eine Chemo verabreicht bekommen haben.“ Er will nicht hinnehmen, dass „ein paar Politiker in Berlin mir die Autonomie nehmen“.
Chance von 80 Prozent
Mit drei anderen Schwerstkranken und Unterstützung des Sterbehilfevereins hatte er Verfassungsklage in Karlsruhe eingereicht – einen Tag, nachdem das neue Sterbehilfe-Gesetz in Kraft getreten war. Zwei der vier Kranken sind inzwischen tot, der dritte ringt mit einem bösartigen Tumor.
Helmut Feldmann schätzt die Wahrscheinlichkeit, dass das Verfassungsgericht das Sterbehilfe-Gesetz kippt, auf 80 Prozent. Sein Anwalt sei da vorsichtiger, sagt er.
Feldmann stützt seinen Optimismus auf zwei Urteile. So hat der Bundesgerichtshof im Juli 2019 einen Arzt in zwei Fällen ärztlich assistierter Selbsttötung freigesprochen.
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte bereits im März 2017 geurteilt, dass der Staat die Ausgabe eines todbringenden Medikaments wie Natrium-Pentobarbital „in extremen Notlagen“ nicht verweigern darf.
Werte verschlechtert
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte dennoch das zuständige Bundesinstitut angewiesen, alle entsprechenden Anträge abzuwehren. Helmut Feldmann stellte daraufhin Strafanzeige gegen Spahn wegen Rechtsbeugung. Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin sah aber keine Anhaltspunkte für verfolgbare Straftaten.
Was macht Helmut Feldmann, wenn das Bundesverfassungsgericht seiner Auffassung nicht folgt? „Darüber habe ich mir bewusst noch keine Gedanken gemacht“, sagt er. Am Donnerstag (20.2.) war er zuletzt bei seinem Lungenfacharzt. Die Werte sind wieder schlechter geworden.
Stellvertretende Leiterin der Dortmunder Stadtredaktion - Seit April 1983 Redakteurin in der Dortmunder Stadtredaktion der Ruhr Nachrichten. Dort zuständig unter anderem für Kommunalpolitik. 1981 Magisterabschluss an der Universität Bochum (Anglistik, Amerikanistik, Romanistik).
