
© Julian Preuß
Aus für „Karins Nähstube“? „Ich sterbe hier langsam den Corona-Tod“
Traditionsgeschäft in Kirchderne
Seit 34 Jahren ist „Karins Nähstube“ in Dortmund-Kirchderne eine Institution im Stadtteil. Doch wegen Corona fehlen Karin Czajka die Kunden. Folgt jetzt die Schließung?
In dem kleinen Ladenlokal an der Straße „Im Karrenberg“ 78 in Kirchderne klingelt das Telefon. „Nein, ich habe nachmittags nicht mehr auf“, sagt Karin Czajka kurz darauf am Hörer. Die 81-Jährige hat die Öffnungszeiten ihrer kleinen Schneiderei verkürzt. Und das nicht wegen ihrer Gesundheit oder ihres Alters.

Wegen fehlender Kundschaft öffnet „Karins Nähstube“ nur noch vormittags. © Julian Preuß
„Ich sterbe hier langsam den Corona-Tod“, sagt Czajka auf ihr Geschäft bezogen. Ihr geht es wie vielen anderen Betrieben während der letzten Monate: Aufträge bleiben aus. „Die Leute gehen weniger raus, brauchen keine neuen Klamotten. Dementsprechend weniger lassen sie ändern. Und wenn sie etwas kaufen, bestellen sie es im Internet.“
Nachmittags kommen kaum noch Kunden
Mittwochs bleiben die Rollläden grundsätzlich unten und der Laden geschlossen. An den anderen Werktagen sitzt Czajka von 9 bis 12 Uhr hinter ihrer Nähmaschine. Samstags arbeitet sie ebenfalls zu dieser Uhrzeit, um auch Berufstätigen die Chance zu geben, Kleidungsstücke bei ihr abzugeben.
Früher hatte sie ebenfalls noch von 14 bis 17 Uhr geöffnet. „Das lohnt sich aber nicht mehr. Nachmittags kommen nur noch ein oder zwei Menschen vorbei - wenn überhaupt.“
Die Folge: Die Einnahmen fehlen, aber die Ausgaben bleiben. Der Januar sei mit Blick auf den Umsatz generell ein schwacher Monat, sagt die in Niedersachsen geborene Czajka. Aber in diesem Jahr habe sie so wenig verdient, dass sie nur geradeso ihre Miete habe zahlen können.
„So macht mir das keinen Spaß mehr“, erklärt Czajka mit Wehmut in der Stimme. Dabei hat sie sich in Kirchderne einen kleinen Lebenstraum erfüllt. Mit 47 Jahren machte sich die gelernte Schneiderin in den Räumlichkeiten einer ehemaligen Poststelle und einer späteren Fahrschule selbstständig.
Das Nähen von Masken wird zur neuen Leidenschaft
Auf Wunsch arbeitet Czajka Hemden um, kürzt Ärmel oder setzt neue Reißverschlüsse in Jacken ein. Während der Corona-Pandemie entdeckte sie ein neues Feld und sogar eine kleine Leidenschaft für sich: das Nähen von individuellen Mund-Nase-Bedeckungen.
Zeitweise nähte Czajka mehr als 20 Stück pro Tag. Aus unterschiedlichen Stoffen, in verschiedenen Farben und mit vielfältigen Mustern. Etwa zehn Minuten habe die Schneiderin für ein Exemplar benötigt.
Besonders bliebt seien die schwarz-gelben BVB-Masken gewesen. „Ich habe aber auch Masken für Halloween oder Weihnachten genäht“, erzählt Czajka. Doch seit in Geschäften, Gaststätten sowie Bus und Bahn nur noch medizinische Masken erlaubt sind, ist dieser Geschäftszweig weggebrochen. Und damit auch ein großer Teil ihrer Einnahmen.
Auf Facebook schilderte Czajkas Sohn ihre Not in einem emotionalen Beitrag. Innerhalb von zwei Tagen sammelten sich unter ihm 20 Kommentare an (Stand 3.2.). „Bitte durchhalten. Die Nähstube gehört einfach zu Kirchderne. Corona ist bald überwunden“, schreibt beispielsweise ein Nutzer. Bezüglich einer möglichen Schließung formuliert eine weitere Nutzerin: „Das wäre sehr, sehr schade! Karin‘s Nähstube arbeitet schnell, in Top-Qualität und zu einem sehr fairen Preis!“
Czajka gibt ihren Laden noch nicht auf
Obwohl es für Czajka immer schwieriger werde, denkt sie noch nicht ans Aufgeben: „Ich versuche es noch bis zum Frühjahr. Vielleicht habe ich dann wieder mehr Arbeit.“ Fit genug fühle sie sich dafür auf jeden Fall.
Der 81-Jährigen würde etwas fehlen, sollte sie den Laden schließen müssen. Czajka beschriebt sich als einen unruhigen Menschen. „Ich kann nicht nur zuhause sitzen und brauche immer eine Aufgabe“, erklärt sie. Die haben ihr in den letzten 34 Jahren die Kundinnen und Kunden gegeben. „Und ich würde gerne noch das 35-jährige Bestehen feiern“, sagt Czajka.
Denn „Karins Nähstübchen“ ist nicht nur eine Institution im Stadtteil, sondern gleichzeitig eine echte Herzensangelegenheit.
Geboren in der Stadt der tausend Feuer. Ruhrpott-Kind. Mag königsblauen Fußball. Und Tennis. Schreibt seit 2017 über Musik, Sport, Wirtschaft und Lokales. Sucht nach spannenden Geschichten. Interessiert sich für die Menschen und für das, was sie bewegt – egal in welchem Ort.