
© dpa (Symbolbild)
Astrazeneca für alle: Patienten-Ansturm auf Dortmunds Arztpraxen
Corona-Impfungen
Ab sofort kann sich jeder mit Astrazeneca impfen lassen - diese Nachricht hat am Freitag für Ausnahmezustand in Dortmunds Praxen gesorgt. Bei manchem Arzt gab es ein entscheidendes Problem.
Ute Siegmund war am Freitag schon am Vormittag reif fürs Wochenende: „Ich brauche jetzt erstmal einen Eimer Kaffee“, scherzte sie, als wir sie gegen 11.15 Uhr telefonisch erreichten.
Siegmund arbeitet als Arzthelferin in der Hausarztpraxis von Ostrowski in Lütgendortmund. Am Freitagvormittag war sie jedoch Vollzeit-Telefondame: 400 Anrufe nahmen sie und ihre Kolleginnen in nur dreieinhalb Stunden an - „100 bis 150 sind die normale Spitze“, erzählte Siegmund. „Der Ansturm war unerträglich groß, er hat den ganzen Betrieb lahmgelegt.“
Am späten Donnerstagnachmittag hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn verkündet, dass der Corona-Impfstoff von Astrazeneca ab sofort an jedermann verimpft werden kann - abseits aller Priorisierungen und Altersbeschränkungen.
Diese Ankündigung sorgte am Freitag bei vielen anderen Dortmunder Hausärzten für Ausnahmezustand. Eine Auswahl der Reaktionen aus den Vorzimmern, wenn wir denn überhaupt telefonisch durchkamen: „unfassbar“, „wir sind hier kurz vorm Burnout“, „es ist furchtbar“.
Dortmunds Praxen haben teilweise gar kein Astrazeneca
Viele Dortmunder versuchten ihr Glück spontan vor Ort. „30 Leute kamen einfach vorbei und fragten, ob wir sie nicht kurzfristig impfen können“, berichtet Arzthelferin Siegmund. Doch so einfach sei das nicht: „Wir haben aktuell gar kein Astra!“
Vor diesem Problem stand auch Arzt Sascha Meinighaus von der „Hausarztpraxis Nord“ an der Mallinkrodtstraße. „Es ist sehr suboptimal kommuniziert worden“, sagte er zu Spahns Ankündigung. „Wir Ärzte brauchen mindestens eine Woche Vorlaufzeit.“
Aktuell verimpfen Meinighaus und sein Kollege nur Biontech in ihrer Praxis. Wenn sie sich entscheiden sollten, auch Astrazeneca anzubieten, sei der Impstoff frühestens Anfang übernächster Woche da.
Ob sie das tatsächlich tun, stehe noch nicht fest: Corona-Impfungen seien „megaaufwändig“, sagte Meinighaus, und liefen parallel zum ohnehin schon fordernden Tagesgeschäft. Entsprechend seien die aktuell 36 Biontech-Impfungen pro Woche schon eine Kraftanstrengung für die Praxis.
Andere Dortmunder Praxen verzichten ganz darauf, etwa die Praxis Sentürk in Eving. Trotzdem habe es auch dort „einen Telefonsturm“ mit Impf-Anfragen gegeben, berichtete der Arzt Dr. Nuritin Karaca. „Wir verweisen alle ans Impfzentrum.“
„Wir impfen hier in einer Tour durch!“
Wie hoch her es in Dortmunds Praxen am Freitag ging, zeigte ein Anruf in der Praxis Kilwinger in Aplerbeck. Nein, sagte die nette Dame am Telefon, sie habe leider überhaupt keine Zeit zum Telefonieren: „Wir impfen hier seit 7.30 Uhr in einer Tour durch!“
Auch in der Praxis Gehlen-Staerk in Kirchhörde „steht das Telefon nicht still“, sagte die medizinische Fachangestellte Anja Poggel. Bei den Anruferinnen und Anrufern gebe es eine Mischung aus Freude, endlich geimpft werden zu können, und Sorge vor möglichen Nebenwirkungen.
Dazu landen minütlich Mails mit Impf-Anfragen im Postfach der Praxis, auch von Menschen, die dort bisher noch nicht Patienten waren. „Ich habe das Gefühl, dass da einige Rundmails dabei sind“, sagt Poggel. Je größer der Verteiler, desto größer die Chance, in irgendeiner Arztpraxis einen Impftermin zu bekommen, scheint die Hoffnung der Absender zu sein.
In der Kirchhörder Praxis, die laut Poggel diese Woche 36 Biontech- und 50 Astrazeneca-Dosen verimpft hat, landen alle Anfragen auf einer Warteliste, die mittlerweile über 330 Namen enthält und nach mehreren Kriterien wie Alter und Vorerkrankungen sortiert ist.
Impftermine mache man aktuell nur von Woche zu Woche, schließlich wisse man nie, wie viel Impfstoff man tatsächlich bekomme, so Poggel. Nur wenn kurzfristig Patienten absagen, gebe es Spontan-Impfungen: „Heute hatten wir zwei Astra-Impfungen übrig, da haben wir zwei Patienten von der Warteliste angerufen, die waren 30 Minuten später da.“
1984 geboren, schreibe ich mich seit 2009 durch die verschiedenen Redaktionen von Lensing Media. Seit 2013 bin ich in der Lokalredaktion Dortmund, was meiner Vorliebe zu Schwarzgelb entgegenkommt. Daneben pflege ich meine Schwächen für Stadtgeschichte (einmal Historiker, immer Historiker), schöne Texte und Tresengespräche.
