Anwohnerin Uta Rotermund zeigt auf die gerodete Fläche, wo mal der schöne Garten des St.-Johannes-Hospitals war.

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Anwohner sind entsetzt über „Gartenmord“ am St.-Johannes-Hospital

rnKardiologie-Neubau

Der Garten am St.-Johannes-Hospital war immer ein grünes Kleinod in der Dortmunder Innenstadt – für Patienten und Anwohner. Letztere sind entsetzt über die braune Brache, auf die sie jetzt schauen.

Dortmund

, 15.03.2021, 11:34 Uhr / Lesedauer: 3 min

Ob auf der Nachbarschaftsplattform „nebenan.de“ oder bei Facebook – die Kommentare von Anwohnern haben den immer selben Tenor. Groß ist der Schock darüber, dass es den idyllischen Garten des St.-Johannes-Hospitals (Joho) mit dem sehr alten Baumbestand und dem Ententeich in der Dortmunder Innenstadt nicht mehr gibt. Er musste weichen für den Neubau der Kardiologie.

Der wird zwar bis Ende 2022 zwei Etagen tief unter die Erde gebaut, doch die mehr als 100 Jahre alte Platane und die anderen alten Bäume sowie den Teich bringt das nicht mehr zurück. Außerdem wird sich eine Zufahrt in das Gelände fressen, das in Teilen neu als Garten gestaltet werden soll.

„In Dortmund wurde der Klimanotstand ausgerufen und trotzdem wird die Natur überall ausradiert“, postet Monika aus dem Kreuzviertel. „Alle Beteiligten an diesem Gartenmord sollten sich schämen“, meint Petra aus dem Unionviertel.

„Ökologische Katastrophe“

Zu den Kritikerinnen der Maßnahme gehört auch die Dortmunder Schauspielerin und Kabarettistin Uta Rotermund. Sie wohnt seit 15 Jahren im Häuser-Karree, das den früheren Garten umschließt. Unter dem ehemaligen Joho-Geschäftsführer sei der Garten heilig gewesen, sagt sie. Bei jedem Blick aus dem Fenster oder vom Balkon erfreute sie sich an dem Grün und schaut jetzt auf „die ökologische Katastrophe“.

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Und nicht nur die erzürnt sie. „Die Bauarbeiten sind für Patienten und Anwohner eine ungeheure Belastung.“ Von morgens 7 Uhr bis circa 17 Uhr, und von montags bis inklusive samstags seien die Bagger und LKW im Einsatz, verbunden mit ohrenbetäubendem Lärm.

Inzwischen sind Bagger und Abrissmaschinen abgerückt. Doch als Nächstes sollen Spundwände eingeschlagen werden, hat Uta Rotermund erfahren. Das verheißt neuen Lärm – für Anwohner und Patienten.

Neubegrünung geplant

Für den Lärm entschuldigt sich das Joho. Doch beim Garten prallen Emotionen und klimapolitische Überzeugungen auf die Chancenverwertung des medizinischen Fortschritts.

Juristisch sei dieses Bauvorhaben mit Sicherheit korrekt, räumt Ute Rotermund ein, stellt aber gleichzeitig die Frage nach Sinn und Verhältnismäßigkeit: „Warum gestattet man eine solch umfassende Belastung von Patienten und Anwohnern? Nicht alles, was machbar ist, sollte umgesetzt werden.“

Von dem alten Klinikgarten ist kaum noch etwas zu erkennen.

Von dem alten Klinikgarten ist kaum noch etwas zu erkennen. © Kolle

Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal, auf Facebook von Anwohnern direkt angesprochen, schreibt zurück: „Ist denn eine neue Kardiologie so unnötig aus Ihrer Sicht?“

Gudula Stroetzel, Kommunikationschefin der St.-Johannes-Gesellschaft, hat Verständnis für die Anwohner, verweist aber auf Expansionszwänge des Krankenhauses. „Die Entscheidung, die Fläche des Gartens für die Bebauung zu verwenden, ist uns nicht leicht gefallen.“ Deshalb habe man nach einem Kompromiss gesucht und baue in die Tiefe. „Damit können wir nach Fertigstellung des Baus wieder eine attraktive Grünbepflanzung vornehmen.“

Hochmoderner Medizincampus

In den letzten Jahren habe sich der Bedarf an kardiologischer Versorgung enorm verändert, sagt die Kliniksprecherin. Heute würden deutlich mehr Menschen mit Erkrankungen des Herzens behandelt als noch vor wenigen Jahren. „Immer mehr Patienten benötigen daher eine stationäre Versorgung, die vor allem in sogenannten Herzzentren geleistet wird.“

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Die Kardiologie am Joho sei diese Entwicklung nicht nur mitgegangen, sondern habe sie mit vorangetrieben, so Stroetzel, und sei mit über 300 Ärzten, Fachpflegern und Therapeuten eine der führenden Kardiologien in NRW. „Damit ist am Joho ein hochmoderner Medizincampus entstanden. Der Neubau wird diese Anforderungen für die Zukunft sichern.“

Man könne das seit mehr als 170 Jahren an der Johannesstraße ansässige Joho oder auch nur die Kardiologie nicht einfach auf eine andere Fläche wie Phoenix-West verlagern, reagiert Stroetzel auf entsprechende Vorschläge der Kritiker.

Schwindende Wohnqualität in der Innenstadt

Uta Rotermund und andere Anwohner befürchten, dass der Neubau eine umfangreiche Be- und Abluftanlage erforderlich macht, die die verbleibende Grünfläche weiter verschandelt. Gudula Stroetzel hält dagegen: „Auch die Klimaanlage des Neubaus wird nach neuester Technik mit einer Hochleistungswärmerückgewinnung besonders innovativ gestaltet.“

Zeugen alter Gartenpracht im Klinikgarten des Johannes-Hospitals.

Zeugen alter Gartenpracht im Klinikgarten des Johannes-Hospitals. © Kolle

„Das wird nicht so, wie es vorher war“, sagt die Kliniksprecherin mit Bedauern, doch die alte Platane hätte ohnehin gefällt werden müssen, weil sie hohl gewesen sei. Und die neue Zuwegung durch den Garten sei notwendig, weil sie lebensentscheidende Rettungswege verkürzen werde. „Da sind oft Minuten wichtig.“

Keine Reaktion der Bezirksvertreter

Die Kritiker sehen in dem zerstörten Garten ein weiteres Indiz dafür, dass mehr und mehr Wohnqualität aus der Innenstadt verschwindet. Erst der Garten mit den japanischen Kirschbäumen, der am Klinikum Dortmund „weggehauen“ worden sei. Als Nächstes würden die beiden Jugendstilhäuser des Klinikums in der Alexanderstraße abgerissen wie zuvor die zwei Jugendstilhäuser in der Wilhelmstraße. Die Fläche wird heute als Parkplatz genutzt.

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Während im Fall des Johos die Anwohner durch die Zerstörung des Gartens eine Minderung ihres Wohnumfelds erleiden müssten, bedeute das für Patienten, ohne das Blätterdach der haushohen Bäume der vollen Sonnenbestrahlung, Hitze und Lautstärke ausgeliefert zu sein, sagt Ute Rotermund. Bei Politikern aus der Bezirksvertretung sei sie mit ihrer Kritik aber bislang auf taube Ohren gestoßen.