Anklagen gegen 5 Polizisten im Fall Mouhamed D. Tod des 16-Jährigen geht vor Gericht

Anklagen gegen 5 Polizisten im Fall Mouhamed D.
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Der 16-jährige Mouhamed D. ist am 8. August in Dortmund von einem Polizisten erschossen worden. Zuvor habe der unbegleitete Flüchtling gedroht, sich im Innenhof seiner Wohneinrichtung mit einem Messer selbst zu verletzen. Nach ersten Angaben der Polizei Dortmund soll er im Verlauf des Einsatzes Polizeikräfte angegriffen haben.

An der Rechtmäßigkeit des Einsatzablaufs hat der ermittelnde Oberstaatsanwalt Carsten Dombert jedoch relativ früh Zweifel geäußert: „Die Lage war statisch. Der Jugendliche saß da und tat nichts.“

Nun werden nach Informationen unserer Redaktion fünf beteiligte Polizisten angeklagt. Gegen denjenigen, der mit seiner Maschinenpistole geschossen hat, erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage wegen Totschlags. Am Tattag im August war er 29 Jahre alt, seitdem ist er wegen der Ermittlungen vorläufig vom Dienst suspendiert.

Reizgas und Elektro-Taser

Eine Beamtin, die zunächst Reizgas auf den 16-Jährigen gesprüht hatte, wird wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt - ebenso wie der Kollege und die Kollegin, die anschließend je einen Elektro-Taser abgefeuert haben.

Blick in den Innenhof, in dem Mouhamed D. erschossen wurde.
Der Tatort ist von Mauern und einem massiven Metallzaun begrenzt. Das Auto rechts im Bild muss beim Einsatz nicht an derselben Stelle gestanden haben wie bei der später erfolgten Aufnahme. © Kevin Kindel

Der Einsatzleiter, der Anordnungen zum Ablauf getroffen hatte, muss sich wegen Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung verantworten. Diese vier Beschuldigten sind nach dem 8. August in andere Tätigkeitsbereiche innerhalb des Polizeipräsidiums versetzt worden.

Angriff oder Flucht?

Die Pressestelle der Polizei Dortmund kündigt an, eine aktuelle Stellungnahme zu veröffentlichen, sobald der Behörde eine offizielle Benachrichtigung über die Anklage vorliegt. Bis dahin möchte man sich nicht zum Fall äußern. Ein Anwalt, der einen der Beschuldigten vertritt, hat der Deutschen Presse-Agentur den Eingang der Anklage bereits bestätigt.

Die Auswertung einer Tonaufnahme hatte ergeben, dass der erste Schuss aus der Maschinenpistole nur 0,7 Sekunden nach dem zweiten Taser-Einsatz erfolgt ist. Zentral in dem Fall ist die Frage, ob Mouhamed D. die Polizisten tatsächlich angreifen oder nur aus der Situation fliehen wollte, als er aus seiner gehockten Position aufstand und sich in Bewegung setzte, bevor er erschossen wurde. Die Staatsanwaltschaft geht von der zweiten Variante aus.

Versammlung angekündigt

Nach der tödlichen Eskalation sind mehrere Demonstrationen gegen die Polizei in Dortmund organisiert worden. Der „Solidaritätskreis Mouhamed“ hat für Mittwochabend (15.2.) zu einer neuen Kundgebung gegenüber der Wache Nord aufgerufen. „Wir werden laut sein. Wir werden diesen ersten Erfolg feiern“, heißt es: „Und wir werden eine lückenlose Aufklärung fordern.“

Organisator William Dountio sagt in einer ersten Reaktion: „Das gibt mir ein Stück Vertrauen in die Justiz und die Staatsanwaltschaft zurück und bestätigt mich in dem Gefühl, dass der leitende Staatsanwalt Carsten Dombert den Fall gewissenhaft behandelt.“

William Dountio organisierte Demonstrationen.
William Dountio organisierte Demonstrationen nach den tödlichen Schüssen auf Mouhamed D. in der Nordstadt. © Kevin Kindel

Dountio steht auch in Kontakt mit der Familie von Mouhamed D. im Senegal. Die Anklage gebe ihnen „ein Stück mehr Hoffnung, dass der Fall aufgeklärt wird“, sagt der Dortmunder. Kurz nach der Tat war kritisiert worden, dass die Polizei des Kreises Recklinghausen in diesem Fall gegen die Kollegen aus Dortmund ermittelt. „Bis zuletzt waren wir im Solidaritätskreis sehr angespannt und uns nicht sicher, ob es eine Anklage geben wird“, so Dountio.

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