Rechtsextremer Vordenker zu Gast bei Dortmunds AfD-Abgeordnetem Helferich Götz Kubitschek soll Vortrag in Dorstfeld halten

Rechtsextremist Kubitschek soll Vortrag in Helferichts AfD-Wahlkreisbüro halten
Lesezeit

Deutschlandweit wird aktuell über die Verfassungsmäßigkeit der AfD und ein mögliches Parteiverbot diskutiert. Zehntausende Menschen sind in verschiedenen Städten auf die Straße gegangen. In Dortmund ruft ein breites Bündnis für Samstag zu einer Demonstration gegen die AfD und Rechtsextremismus auf.

Am Abend zuvor soll mit dem rechtsextremen Verleger Götz Kubitschek einer der Vordenker der „Neuen Rechten“ für einen Vortrag nach Dorstfeld kommen. Diesen soll er im Wahlbüro des AfD-Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich halten. Es ist ein Besuch, der offenbar nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollte.

Dieser Redaktion liegen Screenshots einer Einladung zu besagtem Vortrag vor, die in einem internen Telegram-Chat geteilt worden sein soll. „Bitte behandle diese nur für dich bestimmte Einladung vertraulich“, endet die Einladungsnachricht.

Geschrieben haben soll sie Nils Hartwig, der stellvertretende Bundessprecher und stellvertretender Landesvorsitzende der Jungen Alternative (JA) in NRW. Die Jugendorganisation der AfD wird in Nordrhein-Westfalen seit Mitte Dezember vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall beobachtet.

„Bedingungen und das Wesen einer Wende“

In der vermeintlich von Hartwig verschickten „persönlichen Einladung“ werden die Junge Alternative und Helferich als Gastgeber genannt. Letzterer bestätigt auf Anfrage, Gastgeber zu sein, Hartwig antwortet auf eine Mail mit Fragen bis zum Redaktionsschluss dieses Textes (17.1., 19 Uhr) nicht.

Mit Götz Kubitschek wolle man „grundsätzlich über die Bedingungen und das Wesen einer Wende“ nachdenken, heißt es in der Einladung. 10 Thesen sind dazu von Kubitschek angekündigt. Auch Kubitschek selbst, dessen Verlag Antaios und das durch ihn gegründete „Institut für Staatspolitik“ vom Verfassungsschutz beobachtet werden, ließ eine Anfrage unserer Redaktion zu dem geplanten Vortrag bis zum Redaktionsschluss dieses Textes unbeantwortet.

Mit Blick auf hohe Umfragewerte und die anstehenden Wahlen in Ostdeutschland wird in der Einladung gefragt: „Wird 2024 das Jahr der politischen und kulturellen Wende? Unter welchen Bedingungen kann es der AfD gelingen, mit den Wahlsiegen eine patriotische Erneuerung unserer Verhältnisse in die Wege zu leiten?“

Kubitschek fordert offen „Remigration“

Die interne Nachricht ist am 16. Januar auf X durch „IB Doku“, einer Rechercheplattform zur Identitären Bewegung, veröffentlicht worden. Dabei handelt es sich um ein Kollektiv, das Entwicklungen zur „Neuen Rechten“ dokumentiert und dafür auch in Chat-Gruppen mitliest.

Laut Erich Nietsche von „IB Doku“ sei die Nachricht am 5. Januar verschickt worden – also fünf Tage vor der Veröffentlichung des zuletzt vielfach diskutierten und beachteten Artikels „Geheimplan gegen Deutschland“ durch die Recherche-Plattform „Correctiv“.

Sie hatte aufgedeckt, dass bei einem konspirativen Treffen in Potsdam, bei dem unter anderem Mitglieder der AfD und der Wertunion anwesend waren, über Pläne einer millionenfachen Ausweisung von Asylbewerbern, Ausländern mit Bleiberecht und „nicht assimilierte Staatsbürger“ gesprochen worden war.

Ansichten, die auch Kubitschek teilt. „Um über Remigration zu sprechen, braucht man kein ,Geheimtreffen‘“, lautete die Überschrift eines Artikels, den er am 11. Januar auf der rechten Plattform Sezession veröffentlichte. An den Themen, über die in Potsdam gesprochen worden sei, sei nichts „verboten, gefährlich, verwerflich oder unstatthaft“.

„Einer der wichtigsten Strategen für AfD“

Nach Auffassung des Extremismusforschers Prof. Dr. Dierk Borstel von der FH Dortmund sind darunter nichts anderes als Deportationen zu verstehen. Folge man der Argumentation Kubitscheks „sind auch die Konsequenz seiner Gedanken am Ende Deportationen“, sagt Borstel.

„Kubitschek denkt nicht in Legislaturperioden, seine Strategie ist langfristig ausgelegt. Sie hat ein völkisches, ein rassistisches Deutschland zum Ziel. Er ist einer der wichtigsten Strategen für AfD, Junge Alternative und Identitäre Bewegung“. Kubitschek sei Anhänger des sogenannten Ethnopluralismus. Er gehe „von einer kulturellen und rassistischen Reinheit des Volkes aus“, sagt Borstel.

„Deshalb sollen aus der Sicht der Rechtsextremisten, alle, die einen vermeintlichen Migrationshintergrund haben, in ihre Heimatländer zurück. Das betrifft alle, die mal aus Polen ins Ruhrgebiet kamen oder aus der Türkei, Italien oder Griechenland. Von denen wird behauptet, dass sie keine Dortmunder seien.“

Solche Vorträge und Treffen wie jetzt in Dortmund hätten zum Ziel, weitere Mitglieder der Bewegung zu „qualifizieren“, sagt Borstel. „Die Idee ist, dass man es über kulturelle Veränderung schafft, Stück für Stück auch Gesellschaften zu verändern und damit auch politische Strukturen. Für diese Grundidee, über Kulturarbeit ein völkisches Deutschland zu schaffen, ist Kubitschek einer der bekanntesten Vordenker.“

Rechte wollen Strukturen ausbauen

Dabei habe man auch das sogenannte „politische Vorfeld“ im Blick, sagt Borstel. „Mitglieder der Jungen Alternative haben als Schnittstelle zwischen Partei und Jugend die Aufgabe, Ideen und Begriffe an die Schulen und Hochschulen zu tragen.“

Hinzu kämen weitere Ansatzpunkte, beispielsweise über soziale Netzwerke, sagt Borstel. Dass Kubitschek nun in Dortmund auftaucht, überrascht den Extremismusforscher nicht. „Im Osten ist man schon einen Schritt weiter. Die ‚Neue Rechte‘ versuche deshalb auch im Westen bestehende Strukturen weiter auszubauen und rechtsextreme Weltbilder zu verankern.“

Dabei komme auch Helferich eine nicht unwichtige Rolle in NRW zu. Als Bundesabgeordneter verfüge er über viele Kontakte. Dadurch sei er hier „sicherlich einer der federführenden Köpfe, die auch in der Lage sind, das durchaus anspruchsvolle Niveau Kubitscheks intellektuell zu verstehen und das Potenzial darin zu sehen, es auch umzusetzen.“

Matthias Helferich ist für die AfD in den Bundestag gewählt worden, gehört aber keine Fraktion an. (Archivbild).
Matthias Helferich ist für die AfD in den Bundestag gewählt worden, gehört aber keiner Fraktion an. (Archivbild). © Schütze (A)

Keine Distanzierung

Zudem steht Helferich aus Sicht von Borstel hinter den von Kubitschek formulierten Zielen. Auf Anfrage teilte Helferich mit, die Rückführung von illegalen und kriminellen Ausländern sei kein Geheimplan, sondern die Umsetzung deutschen Rechts sowie Mehrheitswillen der Deutschen. Er kenne Kubitschek „aus Funk und Fernsehen. Er ist sehr gut“, schrieb Helferich. Mindestens ein direkter Kontakt zwischen Kubitschek und Helferich ist aber dokumentiert. Ein Video zeigt, wie sie beim Sommerfest des „Instituts für Staatspolitik“ in Schnellroda gemeinsam auf dem Podium sitzen.

Eine Distanzierung zu den in Potsdam besprochenen Inhalten ließen nach der „Correctiv“-Veröffentlichung weder Helferich noch Hartwig in den sozialen Netzwerken erkennen. „Kein Bock mehr auf ,Geheimpläne‘? Dann komm ins Team #Remigration und bekenne Dich offen zu dem Geh-Heim-Plan!“, schrieb Matthias Helferich am Dienstag (16.1.) etwa auf X. „Wir werden abschieben. Millionenfach. Ich freue mich darauf“, veröffentlichte Nils Hartwig ebenfalls am Dienstag einen Beitrag auf der Plattform.

Anm. d. Red.: Wir haben den Text nachträglich um die Information ergänzt, dass sich Kubitschek und Helferich bereits persönlich in Schnellroda getroffen haben.

Scholz lobt Demos gegen rechts: „Wir Demokraten sind viele“

Stadt gedenkt der Opfer beider Weltkriege: AfD holt Björn Höcke zu Parallelveranstaltung nach Dortmu