Dortmunder Ärzte arbeiten in Nepal „Man empfindet eine große Demut“

Ärzte arbeiten zwei Wochen in Nepal: „Man empfindet eine große Demut“
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Seit fünf Jahren führt Dr. Katja Kerkhof ihre Praxis an der Mergelteichstraße. Hier trifft die Fachärztin für Anästhesie und Allgemeinmedizin irgendwann Marianne Großpietsch. Ein Name, der wie kein anderer in Dortmund für die Shanti Leprahilfe steht. Schnell ist klar: Die 50-jährige Kerkhof, die schon im Johannes- und Josefs Hospital und in Kalifornien gearbeitet hat, wird nach Nepal gehen.

Dort, wo Marianne Großpietsch vor 30 Jahren mit der Shanti Leprahilfe irgendwo zwischen einem Tempel und einem Slum ihr Krankenhaus aufbaute; eine Einrichtung, die heute viel mehr ist als eine Klinik. Es gibt Werkstätten, Schulen und eine Kita. „Es ist unglaublich, was sie auf die Beine gestellt hat“, sagt Kerkhof.

Für sie ist klar, hier will sie hin, den Menschen helfen. Sie überzeugt ihren Mann, der ebenfalls Arzt ist, mitzukommen. Und so verbringen die beiden die Tage vom 22. Oktober bis zum 6. November 2022 nicht in Dortmund, sondern in Katmandu. Eine Erfahrung, die die beiden so geprägt hat, dass schon jetzt klar ist: Im Oktober 2023 werden sie wieder da sein.

Geduldig warten die Menschen stundenlange im Freien bei brütender Hitze auf medizinische Hilfe. Viele sind in Rot gekleidet, es sei, so berichtet Katja Kerkhof, die Farbe der Freude.
Geduldig warten die Menschen stundenlang im Freien bei brütender Hitze auf medizinische Hilfe. Viele sind in Rot gekleidet, es sei, so berichtet Katja Kerkhof, die Farbe der Freude. © Kerkhof

Eine andere Welt

Katja Kerkhof und ihr Mann Thorsten müssen sich zunächst allerdings gedulden, bis die Reisepläne umzusetzen sind. Die Corona-Pandemie macht ihnen einen Strich durch alle Planungen. Im Herbst 2022 ist es dann soweit: sieben Stunden Flug nach Dubai, fünf weitere nach Katmandu. Weit weg von Deutschland, nicht nur räumlich – es ist eine andere Welt.

Aber: „Wir waren sofort drin“, erinnert sich die 50-Jährige an den Empfang vor Ort. „Die Menschen haben uns so unfassbar freundlich begrüßt“, sagt Kerkhof. Es habe ein richtiges Begrüßungsfest gegeben. Man empfinde wirklich große Demut angesichts dieser freundlichen Menschen. Es sei diese Herzlichkeit, „die uns hier manchmal so fehlt“.

Blumenkränze für die Ärzte aus Deutschland: Es gab ein richtiges Begrüßungsfest für Katja und Thorsten Kerkhof in Katmandu.
Blumenkränze für die Ärzte aus Deutschland: Es gab ein richtiges Begrüßungsfest für Katja und Thorsten Kerkhof in Katmandu. © Kerkhof

Innerhalb von zwei Tagen habe sich überall herumgesprochen, dass europäische Ärzte vor Ort seien, erinnert sich die 50-Jährige. Stundenlang hätten die Menschen angestanden, in brütender Hitze, ohne jedes Klagen. Und die erste Frage sei gewesen, „wie es uns, also den Ärzten, gehe“. Kerkhof schüttelt auch nach ihrer Rückkehr aus Nepal noch immer unmerklich den Kopf. Kilometerweit seien die Menschen oft gelaufen, und das ohne Schuhe.

Viele hätten sich für diesen Arztbesuch schick gemacht, tragen rote Kleidung, traditionell ein Ausdruck der Freude. Freude über die medizinische Hilfe – in einem Land ohne Krankenversicherung, zwar mit Ärzten, aber mit Behandlungskosten, die die finanziellen Möglichkeiten der Familien bei weitem übersteigt. Dr. Katja Kerkhof berichtet von einem durchschnittlichen Monatsverdienst von 50 Dollar.

An ihre erste Patientin erinnert sich Kerkhof noch gut: „Es war eine Frau mit einem Baby. Sie hat sich Sorgen gemacht, sie wollte einfach nur wissen, ob ihr Kind gesund ist.“ Die Sorge ist nicht unbegründet, wohl die Hälfte der Kinder sei in Nepal unterernährt, wie Kerkhof sagt.

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In diesem Fall gibt es keinen Grund zur Sorge, in anderen Fällen reiche es, einem Menschen einfach die Hand zu reichen in einem Land, in dem das Kastendenken zwar verboten, aber noch immer weit verbreitet sei und Berührungen von Menschen niedriger Kasten manchen noch immer unmöglich scheinen.

Und es gibt die Diagnosen, die zum Handeln zwingen: Lepra, bakterielle Infektionen jeder Art, und natürlich auch Covid. Katja Kerkhof berichtet von hygienischen Zuständen, die man sich in Deutschland kaum vorstellen könne: Sie erzählt von Ratten, die ständig herumrennen, und von Hunden, die extra dafür da seien, die Ratten in Schach zu halten. Von Karies bei Kindern, dessen Ausmaß man sich in Deutschland nicht vorstellen könne. Mit medizinischen Folgen, die nicht nur die Zähne betreffen.

Selbst die, die es ins Krankenhaus schaffen, sind auf Hilfe aus der Familie angewiesen. Kerkhof: „Hier sorgen Verwandte für Essen und Pflege der Patienten.“ Oft absolvierten sie nach kurzer Anleitung auch die Physiotherapie. Die Selbstverständlichkeit, mit der man hier in Deutschland medizinisch versorgt werde, mache angesichts dieser Zustände demütig und dankbar. „Man fühlt sich regelrecht schlecht, wenn man an das denkt, was einen sonst so ärgert im Leben“, sagt die Ärztin.

Besonderer Moment in den Bergen

An einen Tag erinnert sich Katja Kerkhof besonders. Sie sind mal wieder mit allem, was die Transportfahrzeuge hergeben, unterwegs: Mediziner, Pfleger, Übersetzer und allem an medizinischem Gerät, was in die Autos passt – bis hin zum Zahnarztstuhl. Es geht hoch in die Berge mit dem Konvoi.

Als Katja Kerkhof einen Patienten behandeln will, legt sie ihre persönlichen Utensilien auf den Boden: „Meine Jacke, mein Portemonnaie mit Ausweis und ein bisschen Geld. Als sie sich irgendwann umdreht, sind Jacke und Portemonnaie weg. „Ich habe gedacht, na egal, es waren nur ein paar Münzen und so, was soll’s.“

„Ich habe mich richtig geschämt", sagt Katja Kerkhof. Sie hatte gedacht, jemand habe ihre Sachen einfach mitgenommen. Stattdessen hob der Junge (rechts im roten Pullover) ihre persönlichen Gegenstände vom Boden auf, und hielt sie solange fest, bis die Ärztin mit der Behandlung eines Patienten fertig war. Dann überreicht das Kind ihr die Sachen.
„Ich habe mich richtig geschämt“, sagt Katja Kerkhof. Sie hatte gedacht, jemand habe ihre Sachen einfach mitgenommen. Stattdessen hob der Junge (rechts im roten Pullover) ihre persönlichen Gegenstände vom Boden auf und hielt sie solange fest, bis die Ärztin mit der Behandlung eines Patienten fertig war. Dann überreichte das Kind ihr die Sachen. © Kerkhof

Wenige Augenblicke später blickt sie in das Gesicht eines Jungen: Er trägt, zusammengerollt unter den Armen ihre Jacke und alles andere. „Das kann doch nicht einfach auf dem Boden liegen“, habe der Junge ihr gesagt. Er wartet, bis Katja Kerkhof mit ihrer Arbeit fertig ist und übergibt ihr ihre Sachen. „Ich habe mich richtig geschämt“, sagt die Dortmunderin.

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