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Absurder Lärmschutz: Bau-Experten wettern gegen die „Dortmunder Mauer“
Initiative gegen Bauvorschriften
Lebendige Stadtquartiere statt öder Wohnstraßen und Gewerbegebiete. Das wünscht sich Baufachleute. Und sie haben dabei auch heimische Planungssünden wie die „Dortmunder Mauer“ vor Augen.
Wolfgang Sonne spricht von der „Dortmunder Mauer“. „Mitten in der Stadt eine mehrere hundert Meter lange Lärmschutzwand zu errichten wie beim jetzt geplanten Kronprinzenviertel, ist einfach absurd“, sagt der Architektur-Professor der TU Dortmund.

Zum Kronprinzenviertel soll das Gelände des früheren Güterbahnhofs Süd bald werden. Doch zum Schutz der geplanten Wohnhäuser muss eine mehrere Meter hohe Lärmschutzwand zum benachbarten Großmarkt (Bildmitte) gebaut werden. © Hans Blossey
Schuld sind das Baurecht und die geltende Lärmschutzverordnung. Danach sind nämlich mehrere Meter hohe Lärmschutzwände nötig, um das geplante Wohngebiet auf dem früheren Güterbahnhof Süd vom LKW-Verkehr auf dem angrenzenden Großmarktgelände abzuschirmen. Wenn dieselben LKW direkt durch die neuen Wohnstraßen fahren würden, wäre das nicht nötig, macht Sonne die Absurdität der geltenden Vorschriften deutlich.
Sonne gehört deshalb als Vertreter des Deutschen Instituts für Stadtbaukunst zu den Mitinitiatoren einer Erklärung, mit der eine Reform des Baurechts geordert wird. Und die findet immer mehr Anhänger: Ende Juni hat sich auch der Bund Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure in NRW (BDB.NRW) bei einem Treffen im Baukunstarchiv am Ostwall der Initiative angeschlossen.

Gabriele Richter, Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Baumeister, und Prof. Wolfgang Sonne mit der Erklärung für ein neues Baurecht. © Oliver Volmerich
Der Erklärung zum Städtebaurecht haben schon mehr als 58 Bauexperten aus 48 Städten angeschlossen - „auch Planungsdezernent Ludger Wilde für die Stadt Dortmund“, berichtet Sonne.
Während die Planungen für das Kronprinzenviertel, die sich nicht zuletzt wegen der Lärmschutzauflagen lange verzögert haben, eher ein Negativbeispiel sind, gibt es in Dortmund aber auch positive Beispiele für eine lebendige Stadt, wie sie sich die Bauexperten wünschen. Vorbild sind die Gründerzeit-Viertel wie im Bereich Saarlandstraße, Kaiserstraße, Kreuz- und Klinikviertel oder in der Nordstadt mit einem Nebeneinander von Wohnen, Geschäften und Handwerk.
Urbanes Quartier als erster Schritt
Eine solche Mischung würde heute an „überholten planungsrechtlichen Restriktionen scheitern“, beklagen die Bauexperten. Deshalb sei eine grundlegende Novelle der Baunutzungsverordnung und der Technischen Anleitung Lärm nötig. „Schon kleine Änderungen könnten weiterhelfen“, ist Gabriele Richter als Landesvorsitzende des BDB.NRW überzeugt.
Ein kleiner Schritt ist immerhin gemacht. Seit zwei Jahren sieht das Baurecht sogenannte „urbane Quartiere“ vor, in denen ein Miteinander von Wohnen und Gewerbe möglich ist. „Doch so etwas darf nicht nur als Ausnahme, sondern muss als Regel möglich sein“, fordert Sonne.
Angewendet werden könnte die neue Einstufung als „urbanes Quartier“ nach ersten Überlegungen der Stadtplaner etwa bei dem neuen Wohnviertel, das als Erweiterung des Borsigplatz-Quartiers auf einem Teil der früheren Westfalenhütte entstehen soll.
Oliver Volmerich, Jahrgang 1966, Ur-Dortmunder, Bergmannssohn, Diplom-Journalist, Buchautor und seit 1994 Redakteur in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten. Hier kümmert er sich vor allem um Kommunalpolitik, Stadtplanung, Stadtgeschichte und vieles andere, was die Stadt bewegt.
