
© Oskar_Neubauer
Wie sollen die Straßen im Kronprinzenviertel heißen? Eine Frau hat schon eine Idee
Neues Innenstadt-Wohngebiet
Bis das neue Kronprinzenviertel mit seinen 630 Wohnungen steht, werden noch ein paar Jahre vergehen. Um die zukünftigen Straßennamen hat sich eine Dortmunderin schon jetzt Gedanken gemacht.
Noch gehört viel Fantasie dazu, wenn man an der Station Stadthaus in die S-Bahn-Linie 4 steigt, bei der Fahrt in Richtung Körne nach links aus dem Fenster schaut und auf diese große, weite Brachfläche schaut.
Ein komplettes Quartier inklusive Kita entsteht
Hier, auf dem ehemaligen Gelände des Güterbahnhofs Süd, sollen in den kommenden Jahren Häuser mit insgesamt 630 Wohneinheiten entstehen. Ein komplett neues Quartier inklusive Kita wird aus dem Boden gestampft. In gut einem Jahr wird der erste Beton gegossen. Die Zufahrt für Autos soll über den Heiligen Weg erfolgen. Doch bei dieser einen Straße auf dem gut 17.000 Quadratmeter großen Gelände wird es nicht bleiben. Nur: Wie sollen die Straßen in dem neuen Viertel eigentlich heißen?
Genau darüber hat sich Heike Wulf Gedanken gemacht. Die Dortmunderin arbeitet als Autorin und als Lese- und Literaturpädagogin. Zudem organisiert sie seit 2011 Lesungen in der Steinwache, um an die Bücherverbrennung vom Mai 1933 zu erinnern. Beim Schreiben des letzten Vortrages ist ihr die Idee gekommen, die sie dann Ende September zur Sitzung der Bezirksvertretung Innenstadt-Ost einreichte.
Vieles dreht sich „nur“ um die Geschwister Scholl
Ihre Rede drehte sich Ende Mai um die Weiße Rose, die berühmte Widerstandsbewegung während des Dritten Reiches, die vor allem mit dem Verteilen von Flugblättern – zunächst in München – den Menschen die Augen öffnen und auf die Verbrechen der Nazis aufmerksam machen wollte.
Für viele sei die Weiße Rose laut Heike Wulf aber eng mit den Geschwistern Sophie und Hans Scholl verbunden. In zahlreichen deutschen Städten sind Straßen und Schulen nach den Geschwistern Scholl benannt. In der Innenstadt gibt es eine Geschwister-Scholl-Straße mit dazugehöriger Stadtbahn-Haltestelle, in Brackel gibt es die Geschwister-Scholl-Gesamtschule.
Kommt die Alexander-Schmorell-Allee?
„Bei den anderen Mitgliedern der Weißen Rose ist das nicht der Fall“, schreibt Heike Wulf in ihrem Bürgerantrag. „Mein Wunsch ist, dass die Stadt Dortmund ein Ort wird, wo wir auch der anderen Mitglieder der Weißen Rose gedenken, wo Straßen auch nach ihnen benannt werden“, sagt sie im Gespräch mit dieser Redaktion. Vielleicht gibt es bald also eine Christoph-Probst-Straße oder eine Alexander-Schmorell-Allee? Schmorell hat gemeinsam mit Hans Scholl die Texte für die ersten Flugblätter geschrieben, Sophie Scholl selbst kam erst später dazu.
Die Bezirksvertreter jedenfalls haben das Thema auf Wiedervorlage gelegt. Schließlich gibt es derzeit noch gar keine Straßen, die tatsächlich benannt werden können.
Auch an jüdische Schriftsteller soll gedacht werden
Heike Wulf geht aber schon weiter. Warum nicht auch an Autoren denken, deren Bücher 1933 verbrannt worden sind, wie Anna Seghers? Oder angesichts der Nähe des Viertels zur jüdischen Gemeinde an jüdische Schriftsteller wie Erich Mühsam erinnern? „Auch die Nähe zum Wasserturm, der den Nazis als Sammelpunkt für Dortmunder Bürger jüdischen Glaubens diente, prädestiniert diesen Ort. Von hier wurden sie in die Konzentrationslager deportiert“, schreibt Heike Wulf.
Vielleicht, auch wenn noch viel Fantasie dazu gehört, werden die Gedanken während der nächsten Fahrt mit der S-Bahn vorbei am ehemaligen Güterbahnhof um Namen kreisen – und nicht um Häuser.