Sebastian Grabert leitet den Finanzierungs- und Kapitalmarktbereich bei der Compleo Charging Solutions AG. Er äußert sich zur Entwicklung des Aktienkurses und den Sorgen der Anleger. © Compleo
Dortmunder Wirtschaft
Absturz der Compleo-Aktie: „Habe einen Verlust von über 40 Prozent“
Anleger sind besorgt, die Aktie des aufstrebenden Dortmunder Ladesäulenherstellers Compleo rutscht immer tiefer in den Keller. Wir haben das Unternehmen und einen Anlagenexperten befragt.
Für 42,70 Euro ist die Aktie des Dortmunder Ladesäulenherstellers Compleo beim Börsengang vor 15 Monaten ausgegeben worden. Und die Euphorie rund um das Unternehmen war im Herbst 2020 groß. Selbst die ARD-Tagesthemen berichteten über den Neuling auf dem Börsenparkett.
Der Aktienkurs ging steil nach oben, verdoppelte sich noch im Jahr 2020 und erreichte im August 2021 einen Wert von fast 110 Euro. Seitdem geht es jedoch bergab. Lieferengpässe - vor allem für notwendige Halbleiter - erforderten es, die Umsatzziele für 2021 nach unten zu korrigieren. „Jetzt ist die Aktie sogar im freien Fall. Was ist da los?“, fragt sich ein Dortmunder Aktionär entsetzt.
Im Vertrauen in das Unternehmen, das seit 2009 an der Obersten-Wilms-Straße in Brackel zu einem der führenden deutschen Anbieter von Ladelösungen für Elektrofahrzeuge aufgestiegen war, hatte der Anleger, der namentlich nicht genannt werden möchte, Ende Oktober 2021 Aktien zum Wert von je 77,37 Euro gekauft. „Der Kurs liegt inzwischen bei 38,10 Euro. Das bedeutet für mich einen Verlust von über 40 Prozent. Das ist doch nicht normal - schon gar nicht für ein Unternehmen im Zukunftsmarkt Elektromobilität!“, sagt er.
Compleo kaufte zwei Firmen für strategisches Wachstum
Tatsächlich ist die Compleo-Aktie allein seit dem Jahresbeginn noch einmal kräftig abgerutscht - von 58,20 Euro auf eben 38,10 Euro am Montag, 24. Januar. Sie liegt also mittlerweile deutlich unter ihrem Ausgabewert.
„Die aktuelle Kursentwicklung hat etwas mit der Situation an der Börse insgesamt zu tun. Die Anhebung des Leitzinses in den USA trifft uns, weil sich damit durch indirekte Wirkungsketten die Finanzierungskonditionen verschlechtern“, sagt Sebastian Grabert, der den Finanzierungs- und Kapitalmarktbereich bei Compleo Charging Solutions AG leitet.
Trotz des massiven Kursrutsches sieht man beim Ladesäulenhersteller Compleo keinen Grund zur Panik. „Der Markt für Ladesäulen ist ungebrochen. Die private Nachfrage und die öffentliche Förderung sind da“, sagt Compleo-Finanzchef Sebastian Grabert. © picture alliance / Friso Gentsch/dpa
Er erläutert, dass Compleo im vergangenen Jahr mit „wallbe“ und der E.ON-Tochter Innogy eMobility Solutions für das strategische Wachstum zwei Firmen gekauft habe. „Die Anleger haben der dafür notwendigen Kapitalerhöhung auch zugestimmt. Wegen der Kapitalerhöhung vergrößerte sich aber die Anzahl der Aktien. Das heißt, der Unternehmensanteil pro Aktie wurde kleiner. Damit fiel der Aktienwert“, so Sebastian Grabert.
Finanzexperte: „Der Wachstumsmarkt wird abgestraft“
Insgesamt habe also die Leitzins-Erhöhung in den USA in Verbindung mit dem Kapitalbedarf eines im Wachstum befindlichen Unternehmens zu dem Kursrutsch der Aktie geführt. „Wer abhängig ist von externen Finanzierungs-Quellen, für den wird die Refinanzierung teurer und damit schwieriger. Wir als Wachstumsunternehmen sind mehr betroffen, weil Zinsen plötzlich attraktiv sind und Aktien abgestraft werden“, sagt Sebastian Grabert.
Finanzexperte Boris Fahle rät Anlegern, jetzt wachsam zu sein und das Unternehmen Compleo gut zu beobachten. Allgemein sei die Stimmung an der Börse gerade negativ. „Besonders der Wachstumsmarkt wird abgestraft“, sagt er. © Consilium/Ursula Doeren
Für den Dortmunder Finanzexperten Boris Fahle, Direktor der Consilium Finanzmanagement AG auf der Stadtkrone-Ost, passt das ins Bild. „Der Wachstumsmarkt ist in der Tat stark unter Druck und wird abgestraft“, sagt er, „weil die allgemeine Marktstimmung negativ ist.“
Boris Fahle nennt nur die Stichwörter Ukraine-Konflikt und Omikron in China. „Das führt zu Gewinn-Mitnahmen und die Technologie-Unternehmen, bei denen viel Fantasie und eine hohe Bewertung im Spiel ist, die aber im Markt noch aufstrebend sind, kommen als erste in die Abstiegsspirale. Die Nervosität im Markt schwappt auf sie sofort über“, so der Anlagenexperte.
Compleo-Aktien befinden sich zu 60 Prozent im Streubesitz
40 Prozent der Compleo-Aktien sind aktuell in Händen von Großaktionären wie E.ON oder Mitgliedern des eigenen Managements. 60 Prozent befinden sich im Streubesitz. Und dass die Aktie gegenüber ihrem Höchstkurs „jetzt gedrittelt“ ist, bezeichnet der oben erwähnte Dortmunder Kleinanleger als „extrem und überdurchschnittlich hoch“.
Innerhalb einer Woche gab die Aktie zuletzt um 15,7 Prozent nach - während der Markt insgesamt nur 5 bis 10 Prozent verlor. Innerhalb eines Monats sank der Kurs um 21 Prozent und innerhalb eines halben Jahres um 52 Prozent. Dass da Tausende Kleinanleger enttäuscht sind, kann der Compleo-Finanzchef Sebastian Grabert verstehen. „Der Markt für Ladesäulen ist aber ungebrochen. Die private Nachfrage und die öffentliche Förderung sind da. Aus bisher 50.000 öffentlichen Ladepunkten in Deutschland sollen bis 2030 gut eine Million werden. Und es gibt nicht viele Anbieter wie uns“, sagt er.
Diebold Nixdorf aus den USA wird Partner von Compleo
Er betont, dass Compleo bereits über 200 lokale Stadtwerke beliefere: „Und die möchten eine Anbindung an die Software und an die Stromnetze. Dafür braucht es einen Service rund um die Ladesäulen. Das kann man nicht aus China machen, deshalb müssen wir keine Konkurrenz aus Fernost fürchten.“ Wettbewerber sind dagegen Firmen wie Alfen aus den Niederlanden oder Zaptec aus Norwegen.
Verstärkung bekommt Compleo jetzt aus den USA. Sebastian Grabert kündigt eine Partnerschaft mit Diebold Nixdorf an. Das amerikanische Unternehmen bietet weltweit IT-Technologie und -Dienstleistungen für Banken und Handelsunternehmen an. Mit dem IT-Konzern will Compleo künftig europaweit Lösungs- und Servicekonzepte für den reibungslosen Betrieb von Ladesäulen etablieren und eine Marktführerschaft aufbauen. „Die sehen in uns einen starken Player“, so Grabert.
Finanzexperte Boris Fahle rät Anlegern, jetzt wachsam zu sein und das Unternehmen weiter zu beobachten. „Allgemein ist ja ein langer Atem an der Börse wichtig. Aber, wenn man überzeugt ist, kann man den günstigen Kurs auch für Nachkäufe nutzen.“ Auf keinen Fall sollte man aber zu viel riskieren: „Man muss sein Risiko verteilen. Es gilt der Spruch: „Lege niemals alle Eier in einen Korb.“
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