7 Jahre danach: Wie geht es den Envio-Betroffenen?
Video-Reportage zum Umwelt-Skandal
Der PCB-Skandal beim Recyclingbetrieb Envio im Dortmunder Hafen gilt als einer der größten Umweltskandale der letzten zehn Jahre in Deutschland. Doch was ist heute – knapp sieben Jahre nach der Aufdeckung – übrig von der Empörung? Und was hat das Gift mit den Menschen gemacht? Unsere große Video-Reportage.

Die ehemalige Firmenzentrale von Envio in Dortmund © dpa
Hintergrund: Die Geschichte des Envio-Skandals
Öffentlich wurde der Skandal im Mai 2010. Nachdem in der Umgebung des Hafens, unter anderem in benachbarten Kleingärten, über mehrere Jahre erhöhte PCB-Konzentrationen festgestellt worden waren, wurde nach Staubproben auf dem Gelände des Recyclingbetriebs Envio eine PCB-Belastung festgestellt, die den tolerablen Wert um ein Vielfaches überstieg. Die Konsequenz: Am 20. Mai 2010 verfügte die Bezirksregierung Arnsberg die sofortige Stilllegung des Recyclingbetriebs an der Kanalstraße.
Bei weiteren Untersuchungen erhärtete sich der Verdacht, dass die Firma massiv gegen Betriebs-Genehmigungen und Auflagen verstoßen und dabei auch ihre Mitarbeiter einer Gesundheitsgefährdung ausgesetzt hatte. In der Tat wurde bei Blutuntersuchungen der Mitarbeiter festgestellt, dass die PCB-Werte bei fast allen um das 8500-fache erhöht waren.
Höchste je in Deutschland gemessene PCB-Belastung
Der Extremfall: 225 Milligramm PCB pro Liter Blut – dieser Wert wurde bei einem Envio-Mitarbeiter festgestellt – ist die höchste in Deutschland je gemessene Belastung und übersteigt den Normalwert um das 25.000-fache.
Die Folgen waren weitreichend: Für die betroffenen Mitarbeiter und deren Angehörige, aber auch Beschäftigte von Nachbar-Firmen und Anwohner, wurde ein Untersuchungsprogramm gestartet, um die PCB-Belastung zu ermitteln. Weil die Beschäftigten die PCB-Belastungen mit nach Hause getragen hatten, mussten reihenweise Wohnungen dekontaminiert werden.
13 Menschen sind an Krebs erkrankt
164 Betroffene werden bis heute vom Institut für Arbeits- und Sozialmedizin der RWTH Aachen unter der medizinischen Leitung von Prof. Thomas Kraus betreut und regelmäßig untersucht. Insgesamt wurden 304 Menschen bisher in Aachen behandelt. 13 von ihnen sind nach Angaben der Uniklinik Aachen zwischen 1996 und 2015 an Krebs erkrankt. Des Weiteren kümmerte sich von Januar 2011 bis August 2015 Ombudsmann Erwin Pfänder im Auftrag von Stadt und Bezirksregierung um betroffene Mitarbeiter und Anwohner.
Am Pranger stand nicht nur die Firma Envio Recycling GmbH, die im Oktober 2010 Insolvenz anmeldete, sondern auch die Bezirksregierung Arnsberg als Kontrollbehörde. Ein Gutachter ermittelte 2011 schwerwiegende Defizite bei der Kontrolle.
In der Folge stockte das Land das Personal im Arbeits- und Umweltschutz-Bereich wieder deutlich auf. Landesweite Überwachungsaktionen und mobile Einsatz-Trupps sollen die Kontrolle kritischer Betriebe verbessern.
Sanierung des Geländes kostet 7,5 Millionen Euro
Im Februar 2014 wurde der erste Schritt zur Sanierung des Geländes unternommen: Zunächst sicherte der Insolvenzverwalter der Envio Recycling GmbH noch verwertbare Güter aus dem Envio-Erbe, später ließ die Bezirksregierung das restliche Material entsorgen und die betroffenen Hallen reinigen.
Im Jahr 2017 sollte eigentlich der letzte Sanierungsschritt folgen, zu dem auch der Teilabriss von PCB-belasteten Hallen gehört. Doch das ist nicht passiert. Und wer die vielen Millionen Euro Kosten für die Komplett-Sanierung bezahlt, ist ebenfalls noch offen. Sie bleiben wahrscheinlich am Steuerzahler hängen.
Gerichtsprozess gegen Envio-Manager
Im Mai 2015 begann vor dem Dortmunder Landgericht der Strafprozess gegen die Verantwortlichen der Firma Envio. Die Staatsanwaltschaft wirft Ex-Geschäftsführer Dirk Neupert und drei weiteren Managern Körperverletzung und schwere Umweltverstöße vor. Die weisen die Vorwürfe zurück. Am Ende wurde das Verfahren im April gegen eine Geldauflage eingestellt. Die 21 Nebenkläger bekamen exakt 80.010 Euro.