
© Michael Schnitzler
35 Euro für eine Massenpanik – Youtuber wegen Böller-Knall in Thier-Galerie vor Gericht
Vorfall mit 24 Verletzten
Vor sechs Monaten sorgte ein Youtuber für eine Massenpanik mit 24 Verletzten in der Thier-Galerie. Nun wird ihm der Prozess gemacht. Es gibt neue Details, wie es zum folgenschweren Vorfall kam.
Das große Gerenne und Geschubse beginnt gegen 17.40 Uhr. Es ist der 15. Dezember 2018, Vorweihnachtszeit, als in der vollen Thier-Galerie plötzlich eine Massenpanik ausbricht.
Im Untergeschoss des Einkaufszentrums in der Dortmunder City gibt es einen lauten Knall. Augenzeugen berichten später, dass Jugendliche die Rolltreppen hochgestürmt kommen, sie schreien Sachen wie „Anschlag“, „Bombe“, „lauft“, und „Hier fallen Schüsse!“. Verängstigte Besucher strömen zu den Ausgängen der Thier-Galerie. Es gibt Berichte, dass draußen Menschen kollabieren und in Tränen ausbrechen.
Am Ende gibt es 24 Verletzte. Sie erleiden unter anderem Stauchungen und Prellungen, aber auch psychische Störungen wie Panikattacken und Schlafstörungen.
Staatsanwaltschaft: Angeklagte nahmen Verletzte billigend in Kauf
Auslöser der Massenpanik soll Jounes A. sein. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ist davon überzeugt, dass der 17-jährige Youtuber aus Wolfsburg, dessen Kanal auf der Video-Plattform über 350.000 Abonnenten hat, für ein sogenanntes Prank-Video Jugendliche dazu angestiftet hat, einen Böller im vollen Einkaufszentrum zu zünden und so zu tun, als sei es ein Anschlag. Für diesen Streich nahm A. laut Staatsanwalt Christian Wolters billigend in Kauf, dass „durch die zu erwartende Massenpanik und das Fluchtverhalten der Menschen Personen zu Schaden kommen könnten.“
Deshalb hat die Staatsanwaltschaft gegen den Youtuber und einen 18-jährigen Freund Anklage erhoben, wegen gefährlicher Körperverletzung und Störung des öffentlichen Friedens wegen Androhung von Straftaten. Für den Prozess vor dem Jugendschöffengericht am Amtsgericht Wolfsburg gibt es zwar noch keinen Starttermin, er soll laut Wolters aber noch in diesem Sommer liegen.
Idee für vorgetäuschten Anschlag soll spontan entstanden sein
In der Anklage schildert die Staatsanwaltschaft genau, wie es zu dem furchtbar schiefgelaufenen Scherz gekommen ist: Der Youtuber sprach in der Dortmunder City verschiedene junge Passanten an, während sein Freund ihn dabei filmte. Einer der Angesprochenen sagte A., dass er einen „Polenböller“ dabei habe, der für seinen besonders lauten Knall bekannt ist.
Der angeklagte Youtuber kam daraufhin laut Staatsanwalt Wolters „spontan auf die Idee, den Knallkörper in der Thier-Galerie zu zünden und die Gruppe, die sich um ihn versammelt hatte, wegrennen zu lassen, um so bei den Besuchern der Galerie den Anschein zu erwecken, in der Galerie werde gerade ein Anschlag verübt.“ Die Panik unter den Besuchern wollte er dann filmen, um sie später als Prank-Video auf seinem Youtube-Kanal zu veröffentlichen. Sein mitangeklagter Freund filmte, was weiter geschah.
Ein „Zwanni“ extra fürs Zünden auf dem Fußboden
Inzwischen hatte der Youtuber eine ganze Gruppe von Jugendlichen im Schlepptau. Im Untergeschoss der Thier-Galerie bot der 17-Jährige demjenigen 15 Euro, der den Böller anzündet und dann wegläuft.
Als in der Gruppe diskutiert wurde, dass der Böller doch auch in einem Mülleimer gezündet werden könnte, sagte der Youtuber, er würde noch „einen Zwanni“ drauflegen, wenn der Böller direkt auf dem Fußboden gezündet würde. Ein Dortmunder Jugendlicher aus der Gruppe ging auf das Angebot ein. Auch als daraufhin die Massenpanik ausbrach, filmten der Youtuber und sein Freund weiter.
Ermittlungen in Dortmund laufen weiter
Während in Niedersachsen der Prozess kurz bevorsteht, laufen in Dortmund die Ermittlungen gegen die zehn am „Prank“ beteiligten Dortmunder weiter, ebenfalls wegen schwerer Körperverletzung und Störung des öffentlichen Friedens. Sie sollen nach Angaben des Dortmunder Staatsanwalts Henner Kruse Mitte Juli abgeschlossen sein.
1984 geboren, schreibe ich mich seit 2009 durch die verschiedenen Redaktionen von Lensing Media. Seit 2013 bin ich in der Lokalredaktion Dortmund, was meiner Vorliebe zu Schwarzgelb entgegenkommt. Daneben pflege ich meine Schwächen für Stadtgeschichte (einmal Historiker, immer Historiker), schöne Texte und Tresengespräche.
