So gelingt die Martins-Gans auch ohne Stress Dortmunder Koch Günther Overkamp gibt Tipps

So gelingt die Gans auch ohne Stress: Koch Günther Overkamp gibt Tipps
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Erstmal sollte man unbedingt wissen, dass Gänse nicht im Stall gehalten werden können. Sie sind immer nur draußen. Ist eben Freilandgeflügel, kein Käfig-Tier! Das ist doch schon mal schön.

Was man auch wissen sollte: Ob Sie jetzt die eine und beste Gans bei Ihrem Bauern erstehen oder eine tiefgekühlte im Supermarkt kaufen, tut der Qualität – das muss man ehrlicherweise sagen - keinen Abbruch. Aber dennoch gilt bei der Herkunft: Je näher je besser. Schon allein wegen der Transportwege.

Außerdem freut sich doch der Markthändler Ihres Vertrauens auf Sie. Man hat auch einfach ein besseres Gefühl, wenn man eine frische Gans nach Hause bringt. Und Gefühle essen bekanntlich auch mit.

Für Besserwisser: Dass die Martins-Gans so heißt wie sie heißt, hat etwas mit dem bäuerlichen Wirtschaftsjahr zu tun. Löhne, Zinsen und Steuern wurden am Tag des heiligen Martin gezahlt, teilweise auch in Naturalien. Dazu gehörten eben auch Gänse, damit man sie praktischerweise nicht durch den Winter füttern musste.

Da schnattern sie noch munter an frischer Luft in Lodz in Polen. Da, wo der Theo immer hinfährt, holt Günther Overkamp bei Gänsewirt Andrzej Kowalczyk die Gänse für seine Dortmunder Gäste.
Da schnattern sie noch munter an frischer Luft in Lodz in Polen. Da, wo der Theo immer hinfährt, holt Günther Overkamp bei Gänsewirt Andrzej Kowalczyk die Gänse für seine Dortmunder Gäste. © Overkamp

Jetzt ist die Gans also zuhause angekommen und muss, obwohl kurzfristiges Familienmitglied, meist auf dem Balkon übernachten, weil sie nicht in den Kühlschrank passt. Damit kommen wir zur Größe: Ein Kilo je Person reicht.

Völlig überbewertet wird die Füllung. Zumindest für den Geschmack des Gänsefleisches. Es sei denn, sie wird noch mitgegessen. Und dann ist es ja schon wieder eine Spezialität. Jeder hat da andere Vorlieben. Ganz wichtig ist allerdings die Zutat „Beifuß“! Sie trägt wesentlich zur Bekömmlichkeit des Gänsefettes bei und sollte am besten als ganzer Stängel im Innern der Gans verschwinden.

Warum ist westfälische Küche so „lecka“ und wie führt man ein Traditions-Gasthaus? Darüber – und über manches mehr – schreibt der Koch Günther Overkamp in seiner Kolumne „Overkamps Lecka-reien“. Hier finden Sie alle Folgen.

Das aufwändige Zunähen kann man sich übrigens auch sparen. Passiert nix, wenn Fleischsaft und Fett rauslaufen. Natürlich darf dann nicht Füllung bis zum Überquellen rein.

Ich nehme übrigens Boskop-Äpfel, blättrig geschnittene Zwiebeln, Majoran, Beifuß, Salz, Pfeffer, Zucker für die Füllung. Wird bei uns dann auch mitgegessen. Von außen sehr sorgfältig würzen mit Salz, Pfeffer, Zucker. Und zwar bis in die letzte Ritze.

Umdrehen kann man sich sparen

Jetzt zur Garzeit: Sie hängt ganz erheblich vom Ofen, der Größe der Gans, dem Gefäß und der Temperatur ab. Wichtig ist, dass der gesamte Bratensaft aufgenommen werden kann. Ich finde darum einen großen Bräter am besten und einfachsten für die Handhabung und eine geringere Temperatur besser als eine hohe. Bedeutet: längere Garzeit.

Wir gehen jetzt mal von einer 4-Kilo-Gans aus. Die würde ich mit einer Tasse Wasser im Bräter bei 130 Grad Umluft ca. 3 Stunden vorgaren, Brust nach oben. Das Umdrehen kann man sich übrigens auch sparen. Hält nur auf.

Martins-Gans in den Bräter

Dann rausnehmen, den Bratensaft loskochen und etwas verfeinern mit Orangensaft, Apfelsaft oder auch mit einem Gläschen Grand Manier oder Calvados. Dann mit Mondamin abbinden. Die Sauce bleibt in einem extra Topf und die Gans kommt wieder in den Bräter zurück. Jetzt 30 Minuten lang stufenweise die Temperatur erhöhen auf 180 Grad, damit sie schön knusprig braun wird.

Sollten sich die Gäste verspäten, kann die Gans bei 130 Grad, dann aber am besten zugedeckt, in Wartestellung gehalten werden. Und wenn‘s dann soweit ist, Deckel abnehmen und schrittweise wieder hoch mit der Temperatur.

Wenn man möchte, kann man jetzt die Grillfunktion des Backofens nutzen, um den letzten erwünschten Bräunungsgrad zu erreichen. Aber aufgepasst: nach Dunkelbraun kommt Hellschwarz! Ist aber auch nix wirklich Schlimmes: Denn in der Dortmunder Gastronomie erwartet Sie „Gans lecka“!

In diesem Sinne: Bis denne!

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