
© Iris Suthoff
Distelwiese auf Gut Königsmühle: Coronavirus sorgt für Geister-Stimmung
Werkstätten Gottessegen
Auf Gut Königsmühle ist es still geworden. 132 Menschen mit Behinderungen, die hier sonst arbeiten, müssen wegen des Coronavirus zu Hause bleiben. Die Sehnsucht auf allen Seiten wächst.
Seit über vier Wochen gilt wegen des Coronavirus nun schon das Betretungsverbot von Werkstätten für Menschen mit Behinderungen. Auch die Zweigstelle Distelwiese der Werkstätten Gottessegen auf Gut Königsmühle in Ellinghausen ist davon betroffen.
Normalerweise füllen 132 Menschen mit Handicap täglich, außer an den Wochenenden, die Räume der Papierproduktion sowie den Betrieb der Gärtnerei und Landschaftspflege mit Leben.
Doch seit dem 18. März 2020 ist es hier ungewohnt still. Die Beschäftigten bleiben zu Hause bei ihren Eltern, in den Heimen oder Wohngemeinschaften.
Betreuer meistern doppelte Herausforderung
Von einer „Geister-Stimmung“ sprechen die 22 Betreuer, die weiterhin vor Ort sind und eine doppelte Herausforderung meistern: Zum einen halten sie auf unterschiedlichen Wegen den Kontakt zu ihren Schützlingen, zum anderen übernehmen sie ihre Arbeit, damit die Produktion weiterlaufen kann.
Auf allen Seiten wächst die Sehnsucht. „Unsere Beschäftigten vermissen nicht nur ihren Arbeitsplatz. Die Werkstätten sind ihr zentraler sozialer Mittelpunkt. Hier treffen sie Freunde, teilweise ihre Partner, auch die Betreuer sind wichtige Bezugspersonen“, erklärt Leiter Axel Homann.

In den riesigen Gewächshäusern gibt es in diesen Tagen viel Arbeit: Vivien Both pflanzt hier gerade Tomatensetzlinge ein. Die Gärtnerei hat 17 unterschiedliche Tomatensorten eingekauft. © Iris Suthoff
Umgekehrt vermissen auch die Mitarbeiter ihre Schützlinge. „Es ist eine beidseitige Bindung“, so Homann. Er wollte aber nicht falsch verstanden werden. Es sei richtig, dass man in der jetzigen Situation kein Risiko eingeht. „Wir wollen uns nicht beschweren.“
Behinderte Menschen haben ihre vertraute Tagesstruktur verloren
Die Mitarbeiter mit Unterstützungsbedarf träfe die Corona-Krise am härtesten von allen: Von jetzt auf gleich hätten sie ihre vertraute Tagesstruktur verloren, so Homann. Deshalb sei es umso wichtiger, in diesen schweren Zeiten den Kontakt zu den größtenteils mehrfach behinderten Beschäftigten zu halten.
Axel Homann nennt Beispiele, wie das in der Corona-Krise funktioniert: „Wir bringen einigen die Arbeit nach Hause. Dafür packen wir Pakete, liefern sie aus und holen sie nach getaner Arbeit wieder ab.“ Die Mitarbeiter hätten so eine Beschäftigung, die für sie gleichzeitig ein Stück Normalität bedeute.
„Andere Kollegen telefonieren mit unseren Beschäftigten, um als Gesprächspartner einfach mal ein offenes Ohr für sie zu haben.“

Arbeitsteilung: Manuela Kühling schneidet den Mundschutz zu. © Iris Suthoff
Auch gemeinsame Spaziergänge, natürlich mit dem gebotenen Abstand, oder Hilfe bei Einkäufen machten die lange Trennung etwas erträglicher.
35 Arbeitskräfte weniger sind ein Kraftakt
Was die reine Arbeit betrifft, so fehlten die Beschäftigten in diesen Tagen besonders in der Gärtnerei. 35 Arbeitskräfte weniger machten sich deutlich bemerkbar. „Für die fünf Gruppenleiter und fünf Praktikanten ist das gerade ein Kraftakt“, sagt Axel Homann.
Tomaten, Zwiebeln, Kartoffeln, Lauchzwiebeln, Salat – das alles werde in den Gewächshäusern und auf den Feldern gerade ausgesät oder eingepflanzt. Bei der Ernte des Demeter-Gemüses seien die Beschäftigen hoffentlich wieder dabei, so Homann.

Viel vielerorts werden auch in der Distelwiese Behelfsmasken hergestellt. Ute Vöckel näht den Mundschutz. © Iris Suthoff
Ob das erntefrische Gemüse wie im vergangenen Jahr auch für den offenen Verkauf angeboten wird, sei von den weiteren Entwicklungen abhängig - zum Beispiel davon, ob der Kindergarten auf Gut Königsmühle in der Corona-Krise wieder öffnen darf. Denn gerade die Eltern würden sich gerne am Verkaufswagen eindecken, so Homann.
Auch die Landschaftspflege halte den Betrieb aufrecht, so der Leiter der Distelwiese. Ein Schwerpunkt sei die Pflege von städtischen Parks und Spielplätzen. „Es ist uns wichtig, auch in diesen schwierigen Zeiten unseren Beitrag für die Aufrechterhaltung des öffentlichen Lebens zu leisten.“
Neu sei in den Werkstätten Gottessegen wie vielerorts das Nähen von Schutzmasken. „Aber nur für den internen Gebrauch“, so Homann.

Saskia Kremer hat die Telefonbetreuung übernommen - bis der der reguläre Mitarbeiter zurück ist. © Iris Suthoff
Wann die Schließung der Distelwiese wieder aufgehoben werden kann, ist noch ungewiss. Mit einer zeitnahen Lockerung der Maßnahmen, die dann für alle Beschäftigten in den Behindertenwerkstätten gilt, rechnet Axel Homann aber nicht.
1968 geboren und seit über 20 Jahren Redakteurin bei Lensing Media. Zuständig für den Dortmunder Westen mit seinen Stadtbezirken Lütgendortmund, Mengede und Huckarde sowie für die Stadt Castrop-Rauxel.
