
Monika Nasrallah hat bei der Zwangsversteigerung am Dienstag im Gemeinschaftshaus Wulfen ein Einfamilienhaus in Dorsten-Rhade ersteigert. © Berthold Fehmer
Zwangsversteigerung: Monika Nasrallah überbietet männliche Konkurrenz
Zwangsversteigerung
Als vermeintliches „Schnäppchen“ wurde ein Einfamilienhaus in Dorsten vor der Zwangsversteigerung bezeichnet. Monika Nasrallah überbot die männliche Konkurrenz. Aber zu welchem Preis?
Dienstagmorgen, 8.45 Uhr. Ort: Gemeinschaftshaus Wulfen. Hier, in einem der größten Säle Dorstens, ist der Zwangsversteigerungstermin angesetzt für ein freistehendes Einfamilienhaus in Dorsten-Rhade. Zehntausende Leser hatten sich im Vorfeld für die Ankündigung interessiert. Ein Indiz dafür, dass es bei der Zwangsversteigerung vor Bietern nur so wimmeln würde?
Um es kurz zu machen: Nein. Insgesamt fünf Interessenten, vier Männer und eine Frau, sind erschienen und haben im Saal viel Platz. Auch Rechtsanwältin Eva Welzer ist für die Gläubigerin (Adaxio AMC GmbH) aus Wiesbaden angereist. Seit vielen Jahren arbeitet Welzer im Bereich Zwangsversteigerungen, sagt aber: „Man lernt nie aus.“ Das Verfahren sei kompliziert und „hoch-taktisch“.
720 Quadratmeter Grundstück
Die „Spielregeln“ werden von der Rechtspflegerin des Amtsgerichtes Dorsten vorgestellt. Ebenso das Haus, um das es geht: 720 Quadratmeter Grundstück, 157 Quadratmeter Wohnfläche, zwei Garagen. Das Haus stammt aus dem Jahr 1937, der Anbau aus 1969. Das online einsehbare Gutachten beschreibt auch die Schwachpunkte - etwa „partielle Feuchtigkeit“ im Keller oder den „überalterten“ Ausbau des Hauses.
Um 9.09 Uhr eröffnet die Rechtspflegerin die Bietstunde. Auf 240.000 Euro ist der Verkehrswert festgelegt, doch Eva Welzer macht den potenziellen Bietern direkt klar, dass zu diesem Preis niemand heute das Haus erwerben kann. „Ich bin beauftragt von der Gläubigerin. Ich bin nicht zu Verhandlungen berechtigt“, sagt sie gleich zu Beginn. Ihr Auftrag sei, bei einem Höchstgebot unter 260.000 Euro „den Zuschlag zu verhindern“.
Ungewöhnlich sei das nicht, hatte Welzer im Vorfeld berichtet. Angesichts des Immobilien-Booms habe sie bei ähnlichen Terminen sogar schon den Auftrag erhalten, bei Geboten unter 150 Prozent vom Verkehrswert den Zuschlag nicht zu gestatten. Das wären im vorliegenden Fall dann 360.000 Euro! Angesichts der Erhöhung der Zinsen sei aber derzeit ein kleiner „Schock“ im Immobiliengeschäft zu beobachten, so Welzer.
Erstes Gebot ist nicht zufällig gewählt
Das erste Gebot eines Geschäftsführers einer Dorstener Immobilienfirma sind 170.000 Euro. Diese Summe ist nicht zufällig gewählt. Denn sie liegt knapp über sieben Zehnteln des Verkehrswerts: von 240.000 sind das 168.000 Euro.
Wenn das Höchstgebot bei diesem Termin unter 168.000 Euro geblieben wäre, könnte bei einem Folgetermin die Wertgrenze von mindestens fünf Zehnteln (120.000 Euro) fallen, bei der die Rechtspflegerin den Zuschlag von Amts wegen bei diesem Termin noch ablehnen müsste. Heißt: Ein „echtes Schnäppchen“ mit weniger als 50 Prozent des Verkehrswerts wäre dann theoretisch möglich.
Aber gleichzeitig könnte sich auch die Zahl der potenziellen Bieter erhöhen. Welzer: „Wenn die Grenzen gefallen sind, wird das Geschäft für viele interessant.“ Allerdings: Für 170.000 Euro dürfte Welzer das Haus an diesem Tag auftragsgemäß nicht verkaufen. Der zweite Bieter, ebenfalls ein Dorstener, nennt 171.000 Euro als Summe.
„Dann biete ich die 260.000 Euro“
Um 9.45 Uhr tritt dann die Dorstenerin Monika Nasrallah nach vorn zur Rechtspflegerin und bietet 175.000 Euro. Die Rechtspflegerin weist nun darauf hin, dass sie das Gebot dreimal aufrufen werde. Beim dritten Mal sagt Monika Nasrallah: „Dann biete ich die 260.000 Euro.“ Als das Gebot zum dritten Mal ausgerufen wird und keiner der anderen Bieter erhöht, wird die Zwangsversteigerung um 9.54 Uhr geschlossen. Und Nasrallah erhält letztlich den Zuschlag.
„Ich habe noch keine konkreten Pläne“, sagt Monika Nasrallah kurz nach der Versteigerung über ihre neue Immobilie. Das Haus kennt sie, da sie in der Nachbarschaft wohnt. „Ich will es erst mal weiter vermieten.“
Berthold Fehmer (Jahrgang 1974) stammt aus Kirchhellen (damals noch ohne Bottrop) und wohnt in Dorsten. Seit 2009 ist der dreifache Familienvater Redakteur in der Lokalredaktion Dorsten und dort vor allem mit Themen beschäftigt, die Schermbeck, Raesfeld und Erle bewegen.
