Mit einem lauten Krachen fällt ein Teil der ehemaligen Ladenpassage in sich zusammen. Staub wird aufgewirbelt. Er brennt in den Augen und im Hals. Vier Bagger machen den Wulfener Markt seit einigen Monaten dem Erdboden gleich. Und sie schreiten voran. Von dem Nord- und Südflügel ist nicht mehr übrig außer eine Menge Schutt.
Dagmar Stobbe blickt auf meterhohe Haufen aus Metall, gefüllte Müllsäcke und viele weitere Materialien. Vom Laubengang über den verlassenen Ladenlokalen beobachtet sie den Abriss, den sie als Projektleiterin verantwortet. „Das sieht wüst aus“, sagt sie, „hat aber alles System.“
Abbruch bis Ende September
Denn es werde nicht einfach die Abrissbirne geschwungen, um bis Ende September Platz für Neues zu schaffen. Dann solle der reine Abbruch vollzogen sein. Das zumindest ist der Plan.
Dieser sieht ebenfalls vor, dass so viel Material wie möglich recycelt werden soll. Deshalb werde der Schutt so gut es geht sortiert. Stobbe spricht von 40 bis 50 Fraktionen, in die die Gebäudereste aufgeteilt werden.

Vor allem gesundheitsschädliche Stoffe wie alte Mineralwolle oder Asbest würden aussortiert, damit sie auf Deponien außerhalb Dorstens entsorgt werden können. Stobbe erklärt: „Die Fasern der damals verwendeten Mineralwolle bröseln auseinander. Sie können so - ähnlich wie Asbest - beim Atmen in die Lunge gelangen und Schäden anrichten.“
Arbeit in Schutzmontur
Für die Arbeiter, die den Abriss voran treiben, stellt diese Tatsache eine Herausforderung dar. Insbesondere bei den derzeitigen Temperaturen, die regelmäßig die 30-Grad-Marke überschreiten. Denn arbeiten dürfen sie mit der Mineralwolle und Asbest nur in Vollschutz. Die Arbeiter tragen also Einmalanzüge mit Kapuze und eine Maske, die sie beim Atmen vor dem gefährlichen Staub schützt. Eine schweißtreibende und anstrengende Kombination.

Zusätzlich seien Zwischenwände herausgenommen worden, um größere Arbeitsbereiche zu schaffen. Diese seien dann abgegrenzt und die Luft gefiltert worden.
Außerdem werde aktuell viel mit Wasser gearbeitet, um die Belastung durch den Staub zu reduzieren. Mithilfe von C-Schläuchen befeuchten die Arbeiter die Bereiche, in denen sich die Bagger durch den Beton fressen. Durch einen Schlauch können bis zu 100 Liter Wasser pro Minute auf dem Schutt landen.

Bewohner erinnern sich gerne
Durch eines der Treppenhäuser geht Stobbe wieder ins Erdgeschoss - dorthin, wo vor Jahrzehnten noch das Leben blühte. Viele Bewohnerinnen und Bewohner erinnern sich noch immer gerne an ihre Zeit im Wulfener Markt zurück. Beispielsweise an Wohnungen mit Fußbodenheizung und Balkon, oder aber an die Eisdiele im Eingangsbereich, die über Jahre hinweg eine Konstante gewesen sei.
Nun gleicht der Wulfener Markt einem gigantischen Lost Place, einem verlassenen Ort, der langsam aber sicher verschwindet. Auf dem Weg durchs Treppenhaus nach unten finden sich dennoch ganz vereinzelt noch Spuren von Leben in Form Taubenkot.
Wir haben zuletzt fast wöchentlich Begehungen gemacht, unter anderem mit dem Tierheim“, sagt Stobbe, „um Tauben aus dem Gebäude zu holen“. Sie versichert: Im Sinne des Tierschutzes werde „alles getan, was möglich ist.“
„Unbegründete Sorge“
Vor und während des Abrisses hatte es immer wieder Kritik von Anwohnerinnen gegeben, die das Gegenteil behauptet hatten. „Völlig unbegründet“, nennt Stobbe diese Sorge.
Eine Wendeltreppe führt von der ersten Etage auf die unterste Ebene eines ehemaligen Ladenlokals. Auf dem verdreckten Boden liegen Estrichblöcke. Sie sind etwa 70 mal 70 Zentimeter groß und zehn Zentimeter tief. Auch sie werden eingesammelt.

In der Ladenpassage angekommen, wird nochmal deutlich, wie groß die sortierten Schutthaufen wirklich sind. Der Platz für sie ist allerdings begrenzt. Deshalb müssten immer erst passende Zugänge geschaffen werden, um das Material abtransportieren zu können.
Auch deshalb nagen die Bagger immer weiter an der Substanz der ehemaligen Ladenpassage, bis der Wulfener Markt dem Erdboden gleich gemacht worden ist.
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