Per Messenger schickt Tanja Wedmann ein Video. Zu sehen sind darauf mehrere Tauben. Sie sitzen auf einem Balkongeländer, heben kurz ab und landen dann hinter der Balkonmauer. Die Tiere halten sich in der Abriss-Ruine des Wulfener Marktes auf. „Ein Unding“, meint Wedmann. Die Anwohnerin fürchtet, dass viele der Tiere durch die Abrissarbeiten getötet worden sind.
Die Tauben im Wulfener Markt sorgen schon seit Längerem für Diskussionen. Meist gelten sie als „Ratten der Lüfte“, werden verbunden mit Dreck und Krankheiten. Sie fallen allerdings unter das Tierschutzgesetz. Ihr Tod darf also durch den Abriss des Wulfener Marktes nicht in Kauf genommen werden.
Tierschützer sind informiert
Doch weil sie genau das befürchtet, hat Wedmann der Stadt Dorsten bereits im September 2022 ein rücksichtsloses Verhalten gegenüber den Tauben vorgeworfen. Diese hatte vor Beginn der Abrissarbeiten eine Fachfirma beauftragt, um Kot, Kadaver und Nester zu entsorgen. Trotzdem hat sich acht Monate später Wedmanns Meinung kaum geändert. Deshalb hat sie sich an Tierschützer Timo Tasche von der Tierhilfe Ruhrgebiet gewendet.
Tasche kümmert sich ehrenamtlich um viele Arten von wilden Tieren und ist in ganz Nordrhein-Westfalen unterwegs. Auf seinem Facebook-Profil teilt er Fotos von seinen Einsätzen. Anfang Mai findet sich ein erster Beitrag zum Wulfener Markt. Darin schreibt er: „Es kann nicht sein, das dort unkontrolliert die Abrissbirne geschwungen wird und Tiere könnten in größter Gefahr sein. Wir bemühen uns derzeit um einen Ortsbegehungstermin, um die Sache zu sondieren.“

Und genau diese Termine hat es vor Ort gegeben, wie Ludger Böhne, Pressesprecher der Stadt Dorsten, auf Nachfrage bestätigt. An zwei Terminen habe es Begehungen gegeben. Mit dabei seien der Tierschutzverein, die „Taubenfreunde Marl“ und eine Veterinärin gewesen. Böhne schildert das Ergebnis: Vier Nester seien gefunden worden.
Jungvögel sind geschlüpft
Zudem seien in zwei Nestern auf den Balkonen Jungvögel geschlüpft. Diese beiden Nester hätten sich allerdings in Bereichen befunden, in denen aktuell noch nicht gearbeitet werde. Böhne erklärt weiter: „Es wäre möglich, diese Jungvögel in Obhut zu nehmen. Dies ist allerdings nicht erforderlich, da sie in wenigen Tagen flügge sein werden und selbstständig wegfliegen können.“
Darüber hinaus beschreibt Tierschützer Tasche im Gespräch mit dieser Redaktion, was er während der Vor-Ort-Termine gesehen hat. „Wir haben einige tote Tiere gefunden, aber auch einige Tauben gesichert und Jungtiere mitgenommen.“
Die Stadt erklärt, dass keine weiteren Brutplätze gefunden worden seien. „Der Abbruch wird überdies von einem Gutachter begleitet und es besteht ein guter Kontakt zum Tierschutzverein, sodass gegebenenfalls neu errichtete Nester frühzeitig beseitigt werden können.
„Sind auf einem guten Weg“
Tasche bestätigt das kooperative Miteinander mit der Stadt. „Wir sind auf einem guten Weg, wenn es weiter so läuft.“ Gemeinsam sei man so verblieben, dass die Tierschützer informiert würden, sobald neue Brutstellen, Jungvögel oder verletzte Tauben auftauchen.
Allerdings sei es laut Tasche sinnvoll, die Gebäudekomplexe abschnittsweise einmal pro Woche zu kontrollieren. Denn noch immer fliegen Tauben durch die offenen Fenster und bauen neue Nester. Deshalb werden die Tierschützer um Timo Tasche und Anwohnerin Tanja Wedmann die Tauben im Wulfener Markt auch weiterhin genau beobachten.
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