
© Grafik: Sauerland (Westnews)
Ungeliebte Sitznachbarn: Wie die anderen Parteien mit der AfD umgehen
Lokalpolitik
Die AfD ist seit ein paar Monaten erstmals im Stadtrat und in Ausschüssen vertreten. Wie gehen die anderen Parteien mit den rechten Neulingen um? Es gibt erste Antworten auf diese Frage.
Die Dorstener AfD blieb bei der Kommunalwahl zwar weit hinter den eigenen Erwartungen zurück - dennoch: Mit drei Vertretern ist die rechte Partei erstmals im Stadtrat vertreten. Für die anderen Parteien eine Herausforderung: Wie gehen sie mit den ungeliebten neuen „Polit-Kollegen“ um?
Verbale Sticheleien sind an der Tagesordnung
Nimmt man die jüngste Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses zum Maßstab, darf sich die Öffentlichkeit künftig wohl darauf einstellen: CDU, SPD, Grüne, „Die Fraktion feat. Die Linke“ und die FDP ignorieren die AfD nicht, alles andere könnten sie ihren Wählen auch schlecht vermitteln.
Sondern arbeiten sich an ihr ab, gehen aber inhaltlich auf größtmögliche Distanz zur AfD. Machen sich nicht gemein mit deren Anträgen und Anliegen (selbst wenn sie bei Sachthemen mal der gleichen Meinung sein sollten), um AfD-Positionen nicht mal im Ansatz zu legitimieren.
Und immer mal wieder gibt es verbale Sticheleien in Richtung AfD oder süffisante Angebote, den „unwissenden“ Neuen Nachhilfeunterricht erteilen zu wollen.
Was im Gegenzug die Gefahr in sich birgt und dazu führt, dass die AfD-Vertreter dieses Vorgehen für sich ausschlachten, reflexhaft mit Provokationen beantworten oder sich öffentlich als „Opfer“ oder als „einzig wahre Opposition“ hinstellen.
Kaum Zustimmung und dennoch gewählt
1. Beispiel: Für den kürzlich ausgeschiedene AfD-Ratsherrn Ernst Kirschmann rückte Bernd-Josef Oesing nach. Der Ausschuss sollte darüber entscheiden, dass an Stelle von Kirschmann neben Oesing AfD-Leute wie Marco Bühne und Holger Graf in weitere Gremien gewählt werden sollten.
Doch SPD-Fraktionschef Friedhelm Fragemann kündigte an, dass die SPD die AfD-Mitglieder wegen deren „negativen Äußerungen in sozialen Netzwerken“ nicht wählen wolle. Er werde sich enthalten. Dagegen stimmen würde er nicht, weil die AfD ein demokratisches Besetzungsrecht habe.

Bild von der ersten Ratssitzung nach der Kommunalwahl 2020. © Stefan Diebäcker
CDU-Fraktionssprecher Bernd Schwane sah dies in seinem Wortbeitrag genauso, auch die anderen abstimmungsberechtigten Parteien enthielten sich. Die AfD-Leute wurden also allein mit der Stimme von AfD-Fraktionschef Heribert Leineweber gewählt. Der nannte dies daraufhin ein „politisches Affentheater“.
Inhaltlich einig bei den Kita-Gebühren, aber...
Beispiel 2: Die Stadt schlug vor, Kita- und OGS-Elternbeiträge zu erhöhen. Die AfD beantragte, in Einzelabstimmungen über drei Forderungen abzustimmen: dass die Erhöhung abgelehnt, dass es bis 2024 keine geben werde und dass die Stadt eine Gegenfinanzierung durch Sparmaßnahmen erarbeiten solle. Letzteres sei „Aufgabe der Politik und nicht der Verwaltung“, belehrte Bürgermeister Tobias Stockhoff den Antragssteller.
Der AfD-Antrag wurde in Gänze abgelehnt. Auch von SPD und Grünen, die sich damit von der AfD nicht aufs Glatteis führen ließen. Denn sie hatten zuvor im Jugendhilfeausschuss zwar auch die Beitrags-Erhöhung abgelehnt, wären bei einer Einzelabstimmung aber in die für sie unangenehme Situation geraten, inhaltlich der AfD-Position zustimmen zu müssen, da sie ja weiter gegen die geplanten Erhöhungen waren.
Ergo: SPD und Grüne stimmten sowohl gegen den AfD-Antrag als auch gegen die Verwaltungsvorlage. „Dümmer geht es nimmer“, so die AfD anschließend auf ihrer Facebook-Seite.
Wer verliert die Kontrolle?
3. Beispiel: Die AfD beantragte, die Stadt solle halbjährlich über die Umsetzung der vom Rat beschlossenen Anträge berichten. Auch hier zogen die anderen Fraktionen in ihren Wortbeiträgen an einem Strang: Kontrolle über ihre eigenen Anträge obliege den jeweiligen Parteien, dürfe nicht auf die Verwaltung geschoben werden. Mauritz Hagemann (Grüne): „Positiv an dem Antrag ist, dass die AfD damit zeigt, wie unfähig sie ist.“
Und die AfD? „Transparenz wird anscheinend nicht gewünscht“, drehte ihr Fraktionschef anschließend bei Facebook argumentativ den Spieß für sich um.
Geboren 1961 in Dorsten. Hier auch aufgewachsen und zur Schule gegangen. Nach erfolgreich abgebrochenem Studium in Münster und Marburg und lang-jährigem Aufenthalt in der Wahlheimat Bochum nach Dorsten zurückgekehrt. Jazz-Fan mit großem Interesse an kulturellen Themen und an der Stadtentwicklung Dorstens.
