Trio mit Musik und Texten erlebte eine Premiere in der Gnadenkirche
Konzert
Die 38 Besucher der Gnadenkirche erlebten am Sonntag eine Premiere: Nach nur drei Proben wagte sich ein Trio auf die Bühne.

Thomas und Jutta Wilbertz sowie Barbara Seppi (v.l.) gestalteten das Konzert in der Gnadenkirche. © Sabine Bornemann
Altistin Barbara Seppi hatte nach dem kurzfristigen Ausfall ihres Pianisten ihre Freundin Jutta Wilbertz und deren Mann Thomas für die Gestaltung ihres Jiddischen Konzerts gewonnen.
Nach nur drei Proben wagte sich das Trio auf die Bühne. Die Kabarettistin und Krimiautorin Jutta Wilbertz begleitete auf dem Akkordeon und sang die zweite Stimme. Sie erklärte im Anschluss: „Dieses Projekt war der Auftakt zu etwas Neuem.“ Es wird also eine Fortsetzung dieser Zusammenarbeit geben. Thomas Wilbertz ist bildender Künstler und unterstützte die Frauen auf Klarinette und Gitarre.
Keine perfekte Aufführung
Naturgemäß kam bei dieser ad hoc-Aktion keine perfekte Aufführung zustande, aber darum ging es auch nicht. Barbara Seppi beschäftigt sich schon seit vier Jahren intensiv mit der durch den Holocaust fast verlorenen gegangenen jiddischen Sprache und besucht dazu Workshops. Sie liebt diese große Ausdruckskraft, die starken Bilder und die Mischung von Lebensfreude mit Traurigkeit und Reflektion.
So war es ihr ein Anliegen, genau am 80. Jahrestag der Deportation der verbliebenen Dorstener Juden, dem 23.1.1942, an diese früheren Nachbarn zu erinnern. Barbara Seppi verlas alle ihre Namen, die auf den Dorstener Stolpersteinen verzeichnet sind, und hielt einen Moment lang inne.
Doch das Programm enthielt nicht nur grausige Erinnerungen, sondern auch den berühmten „Tanz auf dem Vulkan“. Bei dem Stück des Kabarettisten Friedrich Hollaender „An allem sind die Juden schuld“ lagen Witz und Tragik ganz nah beieinander: Der damalige Zeitgeist wurde sehr treffend auf die Schippe genommen.
Altbekannte Swing-Nummern
Barbara Seppi und Jutta Wilbertz sangen auch altbekannte Swing-Nummern wie „Ikh sing“ oder „Bei mir biste sheyn“ und hatten viel Spaß dabei. Inzwischen gibt es aber auch junge Künstler wie zum Beispiel den Berliner Songwriter Daniel Kahn, der jiddische Lieder schreibt. Beeindruckend war sein Stück „Foterlender mayne“ (Meine Vaterländer), in dem er ausdrückt, dass er an verschiedenen Orten zu Hause ist, aber sie nicht wirklich lieben kann.
Texte waren in die Musik eingebettet
Eingebettet in die Musik waren auch Texte. Barbara Seppi erzählte von Jenny Aloni, die am Tag nach der Reichspogromnacht 1938 vor der Brandruine ihres Elternhauses in Paderborn das Gedicht „Nach dem Sturm“ geschrieben hat.
Auch Paul Celan hat einen drastischen Text über die Shoa verfasst: „Die Todesfuge“. Bei Sätzen wie „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“ bleibt einem etwas im Halse stecken. Mit einem sehr schönen Klarinettensolo konnte Thomas Wilbertz diese Stimmung wieder auffangen. Ganz am Schluss sang die ganze Gnadenkirche „Shalom Aleichem“ - „Friede sei mit dir!“