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Sterbebegleiterinnen erzählen: „Ich habe Rotz und Wasser geheult“
Ambulanter Hospizdienst
Menschen auf dem letzten Weg begleiten, das machen Hospizhelfer. Zwei von ihnen erzählen von ihrer oft kräftezehrenden Arbeit, der „knallharten“ Ausbildung und warum sie lieben, was sie tun.
Sterben und Tod, das sind immer noch Tabuthemen in der Gesellschaft. Die Angst und die Unsicherheit sind groß.
Wer ehrenamtlich als Sterbebegleitung im Einsatz ist, tröstet, liest vor und hört zu
Der ambulante Hospizdienst unterstützt Sterbende und deren Angehörigen. Speziell fortgebildete Ehrenamtler begleiten die Familien auf dem letzten Weg. Dabei nehmen sie keine pflegerischen Aufgaben wahr, sondern kümmern sich als Zuhörer, Vorleserin, Trösterin.
Barbara Jenau (63) und Sabine Kristen (42) sind zwei der Ehrenamtlerinnen des ambulanten Hospizidienstes in Dorsten. Während Barbara Jenau schon fünf Jahre dabei ist, hat Sabine Kristen ihre Weiterbildung kürzlich erst beendet. Zwar startete sie bereits vor einem Jahr mit der Ausbildung zur Sterbebegleiterin, aber Corona verzögerte alles.
„Der Unterricht war teilweise knallhart, aber menschlich“
Eigentlich sollte der Kurs von Oktober 2019 bis März 2020 laufen. Dienstags von 16 bis 19 Uhr trafen sich die acht angehenden Sterbebegleiter, zusätzlich sind zwei Wochenenden Teil der Ausbildung sowie ein Praktikum.
„Der Unterricht war teilweise knallhart, aber menschlich“, berichtet Sabine Kristen, die einige Momente noch gut vor Augen hat. „Einmal sollten wir einen Abschiedsbrief an eine Person schreiben, die uns wichtig ist“, erinnert sich die 42-Jährige. Sie habe an ihre Schwiegermutter geschrieben, „den Brief habe ich immer noch.“ Den Brief zu schreiben, das habe ihr sehr gutgetan, obwohl es ein „Thema war, das es in sich hatte.“
„Ich habe Rotz und Wasser geheult“, gibt Sabine Kristen zu. Die Weiterbildung sei nicht leicht und rückblickend weiß sie, dass sie das alles vor allem durch die Kraft der Gruppe geschafft habe.
Sterbebegleitung kann ein einziges Treffen oder Besuche über Jahre bedeuten
Doch was motivierte die Frauen dazu, Sterbebegleiterin zu werden? Barbara Jenau erzählt, dass sie vor Jahren über die Zeitung von diesem Ehrenamt erfahren habe. Vor gut fünf Jahren habe sie sich dann entschieden, die Weiterbildung zu machen.
Die gelernte Krankenschwester hat seitdem viele Menschen begleitet; manche traf sie nur ein einziges Mal, andere besuchte sie über ein Jahr hinweg regelmäßig.

Barbara Jenau arbeitet seit gut fünf Jahren als Sterbebegleiterin. © privat
„Anderthalb Jahre habe ich eine sehr alte Dame im Altenheim begleitet. Hinterher war sie wie eine Oma für mich“, erinnert sich die 63-Jährige. „Wir haben Kontakt über Augen und Haut aufgenommen, weil sie nicht mehr gesprochen hat“, beschreibt sie ihre Art der Kommunikation.
Dass Barbara Jenau das Ehrenamt am Herzen liegt, spürt man schnell, wenn sie von ihren Begegnungen erzählt. „Ich fühle mich verbunden mit den Menschen. In meinem Beruf hatte ich nicht so viel Zeit für jeden Einzelnen.“
Im ersten Gespräch bespricht sie mit den Menschen, was sie für sie tun kann. „Manch einer will, dass ich etwas vorlese oder wir hören gemeinsam Musik.“ Sie biete aber auch Fußmassagen an. Eine krebskranke Frau habe mit ihr über ihre Vorstellungen von der eigenen Beerdigung gesprochen. „Der Ehemann hat nie über das Thema gesprochen, nur über die Krankheit“, erinnert sie sich.
Jenau verwundert das nicht: „Viele Menschen können nicht direkt über Tod und Sterben sprechen. Sie vermeiden, die Worte in den Mund zu nehmen.“
Sabine Kristen engagiert sich momentan in den Kindertrauergruppen, die im Leo stattfinden. Dort bastelt sie mit den Kindern. Eine Therapeutin habe ihr nach einem Gespräch einen Flyer vom Hospizdienst in die Hand gedrückt. Sie habe gemeint: „Du hast viel Potenzial. Wäre das nichts für dich?“ Und offenbar hatte die Frau ins Schwarze getroffen. Neben der Arbeit in der Trauergruppe engagiert sich Sabine Kristen mittlerweile auch in einem Hospiz in Recklinghausen.
„Was ich immer ans Herz lege: über den Verlust und die Gefühle sprechen“
Sterbe ein Mensch, den Barbara Jenau lange begleitet hat, brauche sie erst mal eine Pause. „Ich muss dann abschließen können“, erklärt sie. Und noch eines sei ihr wichtig: Sie begleite nie mehrere Personen zur gleichen Zeit. Für die Person und die Familie sei sie dann aber auch immer erreichbar, wenn es zu Ende gehe.
Zusätzlich ist sie zwei- bis viermal im Jahr im monatlich stattfindenden Trauercafé im Einsatz.
Bei dem offenen Treffen komme man zusammen, um sich zu einem Thema auszutauschen. „Manchmal ist es ganz lebendig, manchmal traurig“, beschreibt die 63-Jährige die Atmosphäre. Beim letzten Treffen tauschten sich die Hinterbliebenen darüber aus, wie man nun durch die dunkle Jahreszeit kommen könne.
„Die Feiertage jetzt tragen nicht gerade zur Stimmungsaufhellung bei“, weiß Jenau. Dieses Mal seien aber gut Ideen zusammengetragen worden: Waldspaziergänge zum Beispiel und ganz wichtig – seine Erinnerungen pflegen. Und: „Was ich immer ans Herz lege: über den Verlust und die Gefühle sprechen.“
Geboren und aufgewachsen im Bergischen Land, fürs Studium ins Rheinland gezogen und schließlich das Ruhrgebiet lieben gelernt. Meine ersten journalistischen Schritte ging ich beim Remscheider General-Anzeiger als junge Studentin. Meine Wahlheimat Ruhrgebiet habe ich als freie Mitarbeiterin der WAZ schätzen gelernt. Das Ruhrgebiet erkunde ich am liebsten mit dem Rennrad oder als Reporterin.
