Nils Huxolls Selbstversuch in Dorsten Ehrenamtspreisträger gibt sich als Demokratiefeind aus

Auf der anderen Seite der AfD-Proteste: Selbstversuch von Nils Huxoll
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Eine hellblaue Jacke, ein Pappschild mit einer schwarzen Aufschrift. So ausgestattet hat sich Nils Huxoll am Samstagvormittag (27.1.) auf der Essener Straße in der Dorstener Altstadt aufgehalten. Und zwar direkt in der Nähe des Infostandes, den die AfD-Ratsfraktion am Holocaust-Gedenktag aufgebaut hat. Der Slogan auf Huxolls Schild: „Demokratie abschaffn. Jetzt“.

So kennt man den 36-Jährigen allerdings nicht. Der Dorstener ist unter anderem ein Gesicht von „Müllfrei Dorsten“, einer gemeinnützigen Organisation, die bereits Hunderte Kilogramm Müll aus der Natur gefischt hat. Für fast 100.000 aufgesammelte Zigaretten ist er zudem von der Stadt Dorsten mit dem Ehrenamtspreis ausgezeichnet worden. Auch in der Kirche ist er aktiv.

Politisch links und Demokratiefreund

Rechte Politik, Faschismus, Rassismus und Demokratiefeindlichkeit lägen ihm fern, sagt Nils Huxoll im Gespräch mit dieser Redaktion. Politisch ordne er sich eher links und als Demokratiefreund ein. Und deshalb sollte ein winzig kleines Fragezeichen in der Ecke auf den satirischen Charakter seines Schildes hinweisen.

Mit seinem Schild hat sich Nils Huxoll in der Nähe des AfD-Standes aufgehalten.
Mit seinem Schild hat sich Nils Huxoll in der Nähe des AfD-Standes aufgehalten. © Julian Preuß

Doch warum hat er sich am Samstag als jemand ausgegeben, der mutmaßlich AfD-nahe Werte nach außen hin vertritt? Die Antwort gab er noch am gleichen Tag auf seinem Instagram-Account: Es war ein Selbstversuch.

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Mehr als elf Jahre lang habe er die AfD toleriert und auch versucht, mit Parteimitgliedern und Sympathisanten zu reden, sagt Nils Huxoll. Mit dem konspirativen Treffen in Potsdam, bei dem unter anderem hochrangige AfD-Mitglieder die Ausweisung von Millionen Menschen geplant haben, „ist für mich eine Grenze überschritten worden“. Er sagt: „Der Geschichtsunterricht hat mich sensibilisiert, dass der Faschismus ein Problem ist. Wenn der hochkommt, müssen wir was machen.“

5000 Menschen demonstrieren

Und genau das haben am Freitagabend (26.1.) rund 5000 Menschen auf dem Marktplatz getan. Bei einer Kundgebung haben sie sich klar gegen Rechtsextremismus und für die Demokratie positioniert. Buhrufe und Pfiffe erntete die AfD währenddessen für ihr Vorhaben, am Holocaust-Gedenktag einen „Bürgerdialog“ durchführen zu wollen.

„Ich bin morgens aufgestanden und konnte mich nicht nicht verhalten“, sagt Nils Huxoll. Deshalb habe er den Entschluss gefasst, sein Demo-Schild von Freitag mit einem AfD-nahen Spruch umzugestalten.

Seine zentrale Frage: „Was passiert, wenn man mutmaßlich AfD-Positionen zuspitzt, auf ein Plakat schreibt und sich damit vor einen Stand der AfD stellt? Und das am Holocaust-Gedenktag?“

Kein Platzverweis von Polizei und Ordnungsamt

Nils Huxoll erzählt: „Ich habe mit allem gerechnet.“ Beispielsweise, dass ihm sein Schild aus der Hand gerissen wird, dass er weggejagt wird oder dass ihm Polizei und Ordnungsamt einen Platzverweis erteilen. Nichts davon sei eingetreten, sagt er.

Die drei anwesenden AfD-Ratsvertreter Heribert Leineweber, Bernd Oesing und Marco Bühne hätten ihn weitestgehend ignoriert. Anders habe dies bei einigen Passantinnen und Passanten oder aber den ebenfalls anwesenden AfD-Gegnern ausgesehen.

Denn: Gut ein Dutzend Menschen protestierten gegen den Stand der Partei - ebenfalls ausgestattet mit Schildern und Transparenten. Zudem hatte die Partei „Die PARTEI“ einen Infostand aufgebaut.

„Genau richtig so. Endlich.“

Nils Huxoll berichtet von einer sonderbaren Begegnung mit einer Fußgängerin. Sie habe ihn ungefragt an den Bauch gefasst und gesagt: „Genau richtig so. Endlich.“ Ungläubig und perplex habe er reagiert und entgegnet: „Meinen Sie das ernst?“ Erst danach habe die Passantin ihre Aussage relativiert.

Aber auch bei den AfD-Gegnern habe sein Auftreten heftige Reaktionen hervorgebracht. Lautstark hätten Mitglieder vom Bündnis „Wir in Dorsten gegen Rechts“ verbale Gegenwehr geleistet. Auch wenn er keine persönlichen Anfeindungen erfahren habe, seien von Passantinnen und Passanten beleidigende Worte in einer aufgeheizten Stimmung gefallen.

Der Dorstener schildert seine Gedanken dazu: „Ich bin schockiert, wie emotionalisiert Menschen agieren, die gegen die AfD sind.“ Er erinnert daran, dass auch AfD-Mitglieder und AfD-nahe Personen ebenfalls Menschen sind und dass auch für sie das Grundgesetz gilt.

Eine positive Erkenntnis zieht Nils Huxoll trotzdem aus seinem Selbstversuch. Die Menschen seien am Samstag wieder in den Diskurs gekommen.

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