In den Pfarrerberuf habe ihn wohl Gott geführt, ist Karl-Erich Lutterbeck mehr als vier Jahrzehnte später überzeugt. Von dieser höheren Macht erhofft er sich jetzt auch Anstöße für einen neuen Lebensabschnitt, der am 1. Februar beginnt. Pfarrer Karl-Erich Lutterbeck geht in den Ruhestand.
Als der junge Karl-Erich sein Abitur in der Tasche hatte, wollte er zunächst den Zivildienst hinter sich bringen, denn zur Bundeswehr zog es den Ladbergener überhaupt nicht.
Als Wehrdienstverweigerer fiel er jedoch durch die sogenannte Gewissensprüfung. In der christlich engagierten Protestantenfamilie tauchte eine Lösung des Problems auf: „Studiere doch Theologie, dann wirst Du zurückgestellt“, riet seine Mutter.
Karl-Erich schrieb sich tatsächlich in Münster ein, begann sein Studium - und: „Ein paar Wochen später wurde meine Verweigerung aufgrund des Wehrpflichtänderungsgesetzes doch noch anerkannt“, erinnert er sich, „aber da habe ich meine Pläne nicht mehr ändern wollen. Das war wohl göttliche Führung.“ Er studierte in Münster und Tübingen, heiratete und bekam mit seiner Frau die beiden ersten Kinder. Nach dem Vikariat in Lüdenscheid und dem 2. Theologischen Staatsexamen begab er sich auf Stellensuche.

„Ich erfuhr, dass in Dorsten eine Pfarrstelle frei war“, berichtet Lutterbeck. „Wir kannten Dorsten zwar kaum, konnten uns aber vorstellen, hier unsere Zelte aufzuschlagen.“ Das Presbyterium nahm die Bewerbung des jungen Pfarrers dankend an: zunächst als „Pfarrer im Hilfsdienst“, ab Februar 1989 dann offiziell als Inhaber der vakanten Pfarrstelle. Seither gehen Karl-Erich Lutterbeck und die Dorstener Protestanten ihren Weg gemeinsam.
Beeindruckende Statistik
3.000 Gottesdienste, 835 Beerdigungen, 660 Taufen, 175 Trauungen und 45 Ehejubiläen stehen in Lutterbecks inoffizieller persönlicher Statistik. Rund 800 Jugendliche hat er konfirmiert. „Inzwischen sind unter den Konfirmanden-Eltern manches Mal ehemalige Konfirmanden gewesen, die früher mit mir auf Konfirmanden- oder Sommerfreizeiten gefahren sind“, beschreibt Lutterbeck den Lauf der Zeit. Die Jugendarbeit war ihm immer eine besondere Herzensangelegenheit, der „Verwaltungskram“ dagegen eher eine unausweichliche Pflichtübung.

Biblische Texte hätten immer schon eine besondere Faszination auf ihn ausgeübt, erzählt der 66-Jährige. Sie waren ihm stets Grundlage für seine Predigten. Die vor großem Publikum zu halten, habe er sich als Student zunächst nicht vorstellen können.
Die Liebe zur Predigt sei mit der Zeit gewachsen. Für seinen Abschiedsgottesdienst am 28. Januar ist die Ansprache schon fast fertig. Ab dann gehört die Kanzel seiner Kollegin Anke Klapprodt allein.
Eine Pfarrstelle fällt weg
Die Gemeinde mit 3.200 Mitgliedern muss künftig mit einer Pfarrstelle auskommen, während Karl-Erich und Perdita Lutterbeck ihr neues Leben im Ruhestand gestalten. Die drei Kinder und Schwiegerkinder sowie die drei Enkel werden den Opa künftig häufiger zu Gesicht bekommen.
Das Fitnessstudio auch. Dort ist Karl-Erich Lutterbeck seit einem Schlaganfall vor 17 Jahren regelmäßiger Gast. Für die gesundheitsfördernden Übungen soll demnächst häufiger Zeit sein. Im Pfarrhaus an der Franz-Liszt-Straße können die Eheleute als Mieter wohnen bleiben.
Leserbriefschlacht um Brücke
Wenn Lutterbeck die eineinhalb Kilometer vom Stadtsfeld zum Gemeindezentrum zu Fuß absolviert, wird er sicher häufig mit einem stillen Schmunzeln über die Brücke zum Platz der Deutschen Einheit gehen. Stadtdirektor Karl-Christian Zahn wollte die Brücke vom neuen Busbahnhof zum Recklinghäuser Tor einst übers Gemeindegrundstück führen.
Die Ablehnung des Pfarrers und seines Presbyteriums wollte er zunächst nicht akzeptieren. „Die Debatte wurde öffentlich“, sagt Lutterbeck lachend, „und es fand eine einwöchige Leserbriefschlacht in den Zeitungen statt. Unser Standpunkt war mehrheitsfähig, der kleine Umweg galt als unbedeutend, Zahn musste klein beigeben, das Gemeindegrundstück wurde nicht durch einen öffentlichen Weg zerschnitten.“
Lutterbeck ist bis heute dankbar dafür, dass die veränderte Stadt- und Straßenplanung die Johanneskirche sozusagen in die Stadt geholt hat. Früher lag die große Kreuzung der viel befahrenen Straße direkt vor der Kirchentür, das Gotteshaus thronte mit dem umgebenden Grundstück und dem alten Pfarrhaus wie auf einer Insel außerhalb des Walls.
Pfarrzentrum ist ein Segen
Die Eröffnung des neuen Pfarrzentrums neben der Kirche zum 150-jährigen Bestehen der Gemeinde im Jahr 2004 sei eines der Highlights seiner langjährigen Amtszeit gewesen, sagt Lutterbeck rückblickend. Auch an die Gemeindeseminare unter dem Motto „Christ werden - Christ bleiben“ erinnert er sich gern. Vor allem seien es aber die Begegnungen mit vielen Menschen gewesen, die sich ihm eingeprägt hätten.
Der iranische Flüchtling christlichen Glaubens, der einige Zeit im Gemeindehaus Kirchenasyl gefunden und inzwischen in Bonn eine Familie gegründet hat, gehört ebenso zu diesen Menschen wie die vielen Dorstener, die seinen Lebensweg gekreuzt und ihn inspiriert haben.
Ihnen wird er als Ruheständler erhalten bleiben. Im aktuellen Gemeindebrief hat Lutterbeck verraten, wie er sich das vorstellt: „Ich möchte mir einen wachen Blick dafür bewahren, wahrzunehmen, wo Gott Möglichkeiten für mich sieht, anderen Menschen zum Segen zu werden.“ Da wird sich was finden.
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