Die Altstadt, direkt am Kanal, mit zahlreichen Geschäften, Ärzten und Restaurants, bekommt durchweg gute Noten von ihren Anwohnern. Kritik gibt es vor allem an der hohen Verkehrsbelastung.
Claudia und Thomas Esser sind vor sechs Jahren von Altendorf-Ulfkotte an die Grenze zwischen Altstadt und Feldmark gezogen. Dort leben sie im Eigenheim mit drei Kindern (zwei, acht und zwölf Jahre). Bereut haben sie den Schritt nicht.
„In Altendorf musste man für alles fahren, hier ist alles fußläufig erreichbar. Die Kinder können sich ab einem bestimmten Alter relativ selbstständig fortbewegen, wir vermissen eigentlich nichts“, sagt Claudia Esser.
Die 44-Jährige ist nicht nur Pfarreiratsvorsitzende der Gemeine St. Agatha und gelernte Bauingenieurin, sondern hat als Illustratorin auch einen eigenen kleinen Betrieb am Zechengelände in Hervest. Ihr 49-jähriger Mann ist Diplom-Ingenieur und pendelt jeden Tag nach Dortmund.
Das Ehepaar kann gut verstehen, dass die Altstadt beim Ortsteil-Check gut abgeschnitten hat. Volle Punktzahl gab es beispielsweise für die Nahversorgung, aber auch die Verkehrsanbindung (9 Punkte) kommt gut weg. Das ist nicht in allen Ortsteilen Dorstens so. Alle Ergebnisse aus Dorsten, Schermbeck, Raesfeld und Kirchhellen finden Sie hier.

„Bester Stadtteil“, schreibt ein Teilnehmer der Online-Umfrage. Die Lebensqualität erhielt im Ortsteil-Check neun von zehn Punkten. © Detlev Wischerhoff
Punktabzüge gab es vor allem aufgrund der hohen Verkehrsbelastung sowie bei der Kinderbetreuung (beide 6 Punkte). Familie Esser sieht persönlich am meisten Verbesserungsbedarf bei den Spielplätzen. „Es gibt zwar viele, aber die sind oft klein und nicht gut ausgestattet. Eine Schaukel, eine Rutsche, ein Sandkasten, das war es oft“, so Claudia Esser. Die Familienfreundlichkeit erhielt im Ortsteil-Check für die Altstadt auch „nur“ 6 Punkte. Hier lag der stadtweite Durchschnitt jedoch generell mit 7 Punkten vergleichsweise niedrig.
Thomas Esser kritisiert vor allem den Bereich zwischen Media Markt und Treffpunkt Altstadt: „Der Fußweg dort ist extrem dreckig, ein richtiger Schandfleck.“ Claudia Esser ergänzt: „Ich finde es dort gruselig. Der ganze Bereich rund um den Bahnhof ist für uns kein sicherer Ort.“
Die Sicherheit wurde im Check mit 6 Punkten (stadtweit: 7) und die Sauberkeit mit 7 Punkten (stadtweit: 8) bewertet. Julian Fragemann ist Vorsitzender der SPD Dorsten-Altstadt und sieht den Bereich rund um den Bahnhof ebenfalls kritisch. Er wünscht sich eine höhere Präsenz von Polizei und Ordnungsamt in diesem, insgesamt aber auch im gesamten Innenstadtbereich.
Das wurde gut bewertet:
Nahversorgung: 10 Punkte gab es für die Nahversorgungssituation in der Altstadt. Zum Vergleich: Stadtweit waren es „nur“ 9 Punkte. „Man ist ruckzuck irgendwo, wo man einkaufen kann“, sagt Claudia Esser. Obwohl sie mit ihrer Familie an der Grenze zur Feldmark wohnt, ist sie in wenigen Minuten zu Fuß in der Innenstadt. Dort gibt es nicht nur Supermärkte, sondern auch den Wochenmarkt, Apotheken, Drogeriemärkte sowie Läden, die zum Bummeln und Shoppen einladen.
Einzig ein Discounter fehlt im Bereich der Innenstadt, was ein Teilnehmer der Online-Umfrage bemängelte. Für SPD-Politiker Julian Fragemann ist klar, warum die Nahversorgung gut abschneidet: „Fußläufig erreicht man in der Altstadt alle Ziele, insbesondere eben auch Geschäfte wie Nahversorger, von denen es ausreichend gibt“, sagt er.
Auch wenn teilweise an der Entwicklung von Nahversorgungszentren in anderen Stadtteilen gearbeitet werde, sei der Vergleich zur Altstadt derzeit schwer. „Vergleichbar große Stadtteile wie Wulfen oder Hervest verfügen bei Weitem nicht über ein so dichtes Versorgungsnetz“, so Fragemann.
Verkehrsanbindung: Für die Verkehrsanbindung gaben die Befragten 9 Punkte. Hier liegt die Punktzahl deutlich über dem stadtweiten Durchschnitt von 7 Punkten. „Man ist in einer halben Stunde im ganzen Ruhrgebiet“, sagt Claudia Esser.
Johannes Götte von der CDU Altstadt sieht vor allem die schnelle Erreichbarkeit der A31 Richtung Süden und Westen als großen Vorteil. „Auch die beiden Bundestrassen B224 und B225 sowie die L463 treffen sich in der Altstadt beziehungsweise verlaufen über die Brücken. Neben dem Auto ist natürlich noch die Bahn zu erwähnen und eine Vielzahl von Möglichkeiten für Fahrradfahrer“, sagt er.
Das wurde negativ bewertet:
Verkehrsbelastung: Den Anteil des Straßenverkehrs halten viele der Befragten für nicht erträglich. Während der stadtweite Durchschnitt bei relativ guten 8 Punkten liegt, erhält die Altstadt nur 6 Punkte. Da Familie Esser nicht im direkten Innenstadtbereich wohnt, kennt sie das Problem so nicht: „Bei uns sind Verkehr und Lärm aushaltbar. Mit drei Kindern sind wir eher die Lärmbelästigung“, sagt Claudia Esser mit einem Augenzwinkern.
Umfrage-Teilnehmer sehen das teilweise anders: „Der Verkehrslärm ist unerträglich“, heißt es da, oder „Die Lärmbelästigung ist hoch. Viele fahren schneller, trotz Tempo 30“. SPD-Politiker Fragemann kann den Ärger verstehen: „Die Lärmbelästigung sowie das hohe Verkehrsaufkommen in der Altstadt sind für die Anwohner nachvollziehbar ärgerlich.“
Das Problem sei jedoch erklärbar: Zum einen sei die Innenstadt einer Kommune in der Regel nun einmal ein gut besuchter Ort und zum anderen würden die Zulieferer der Geschäfte in diesen Bereich ein- und wieder ausfahren.

Teilnehmer der Umfrage kritisierten vor allem den Verkehrslärm in der Altstadt. © Manuela Hollstegge
Fragemann nennt ein Beispiel, wie man außerhalb von Fahrbeschränkungen das Problem in der Innenstadt in den Griff bekommen könnte: So gebe es beispielsweise Modelle, den Anlieferungsverkehr über Elektromobilität zu steuern.
Dabei stelle die jeweilige Kommune E-Fahrzeuge, die dann zu bestimmten Zeiten die Anlieferung der Geschäfte übernehmen würden. Die Waren würden dann zu einem Ort außerhalb verbracht (zum Beispiel in ein Lager), wo dann die eigentlichen Zulieferer die Waren abholen und auch wieder anliefern würden. „So wird der klassische Verkehr aus der Innenstadt verlagert. Für Dorsten liegt derzeit noch keine Lösung vor, ein neuer Verkehrsentwicklungsplan soll die Grundlage neuer Planungsansätze sein“, so Julian Fragemann.

© Verena Hasken
Johannes Götte von der CDU Altstadt glaubt, dass es helfen könnte, „den Ost-West-Verkehr südlich um die Stadt herum zu leiten und dem PKW-LKW-Verkehr in Nord-Süd-Richtung eine zweite Lippe/Kanal-Querung zu ermöglichen.“ Die Gutachten der Verkehrsplaner zeigten deutlich, dass die Ringstraße eine Entlastung bringen würde. Dafür gebe es aktuell jedoch keine politischen Mehrheiten.
Kinderbetreuung: Nur 6 Punkte (stadtweit 8 Punkte) haben die Umfrage-Teilnehmer für die Kinderbetreuung in der Altstadt vergeben. Familie Esser hat keine Probleme gehabt, für ihre drei Kinder einen Kita-Platz zu bekommen. „Ich weiß, dass es woanders deutlich schlechter als im Bereich der Altstadt ist“, sagt Claudia Esser.
Jenseits des Kindergartens findet sie aber, dass es für Kinder außerhalb von Vereinen wenig Möglichkeiten gebe. Die aktuelle Kindergartenbedarfsplanung zeigt jedoch, dass im Bereich der Altstadt zwischen 2018 und 2022 eine Unterversorgung absehbar ist. Dort müsse, „eine Neubaumaßnahme/Gruppenerweiterung künftig Entlastung bieten“, heißt es. Das sieht Politiker Julian Fragemann ähnlich: „Das derzeitige Platzangebot reicht unbestritten in Zukunft nicht mehr aus.“
CDU-Politiker Götte ist der Meinung, dass die Kinderbetreuung in angrenzenden Stadtteilen stattfindet. „Das hat sich historisch so entwickelt und war immer auch eine Frage des vorhandenen Platzes und der Nachfrage. Nach dem Krieg gab es noch mehrere Kindergärten in der Altstadt. Im Zuge des Wachstums der Stadt und des Trends, nicht in der Altstadt zu wohnen, wurden diese nach Außen verlagert“, erklärt er.
Historie
Mehr als 750 Jahre geschichte

Ein historisches Bild vom Dorstener Marktplatz. © Archiv
Die alte Hansestadt blickt auf mehr als 750 Jahre Stadtgeschichte zurück, ist aber in ihrer Besiedlung wesentlich älter. Hof- und Wohnanlagen, die unter den Namen Durstina und Durstinon angelegt wurden, nutzen die Lippe und die geschützte Lage. Aus dieser sicheren Siedlung entwickelte sich dann der Marktflecken, der 1251 die Stadtrechte durch den Landesherrn, Konrad von Hochstaden, erhielt und als eine „kleine Hansestadt“ wirtschaftlich erblühte. Holzhandel und Schiffbau sicherten über die Jahrhunderte hinweg den Wohlstand der Stadt. Erst mit dem Dreißigjährigen Krieg, Einquartierungen und zahlreichen Streitigkeiten der umliegenden Landesherren verarmte Dorsten. Mit dem Bau der Eisenbahnlinien 1852 begann der erneute Aufstieg. (Quelle: Stadt Dorsten)
Ich bin gebürtige Dorstenerin, lebe und arbeite hier. Dorsten und vor allem die Menschen der Stadt liegen mir sehr am Herzen. Wichtig sind mir jedoch auch die Kirchhellener. Seit mehreren Jahren darf ich über den kleinen Ort berichten und fühle mich daher sehr mit dem Dorf verbunden. Menschen und ihre Geschichten, Bildung und Erziehung – das sind Themen, die mir wichtig sind. Und das liegt nicht nur daran, dass ich zweifache Mutter bin.
