Jüdisches Museum Dorsten gibt NS-Raubgut an rechtmäßige Besitzer zurück
Buch kehrt heim nach Frankfurt
Nach einer langen Reise von Frankfurt über Israel nach Dorsten kehrte ein Buch aus dem Bestand des Jüdischen Museums Westfalen jetzt zu seinen rechtmäßigen Besitzern zurück.

Das Dorstener Museum hatte die Populär-wissenschaftlichen Monatsblätter 1988 über ein Münsteraner Antiquariat erworben. © Jüdisches Museum Westfalen
Im Jahr 1988 hat das Jüdische Museum Westfalen zum Aufbau seiner Sammlung über ein Antiquariat in Münster ein Buch erworben. Inzwischen konnte es als ein historisches Stück identifiziert werden, das aus der Bibliothek der Israelitischen Gemeinde Frankfurt am Main stammt. Dorthin ist es jetzt wieder zurückgegeben worden.
Zu verdanken ist dies unter anderem den 1998 vereinbarten „Washingtoner Prinzipien“, die Maßgaben zur Suche und Identifizierung von Kulturgütern definierte, die vor allem jüdischen Opfern des Nationalsozialismus abgepresst und geraubt worden waren.

Dr. Katrin Pieren und Marc Grünwald mit dem Buch und Restitionsurkunde. © Jüdisches Museum Westfalen
Bei dem Fund handelt es sich um die Populär-wissenschaftliche(n) Monatsblätter, die aus der Bibliothek der Israelitischen Gemeinde Frankfurt am Main stammt. Der jüdische Theologe Adolf Brüll (1846-1908) gab die kulturhistorische Zeitschrift Ende des 19. Jahrhunderts heraus.
Besitzerstempel im Einband gaben wertvolle Hinweise
Im Einband des Buches mit zehn gebundenen Monatsheftchen konnten zwei aufschlussreiche Besitzerstempel identifiziert werden. Ein Stempel weist auf die „Bibliothek der „Israelitischen Gemeinde Frankfurt am Main“ als ursprüngliche Besitzerin hin.

Der Gemeindestempel aus Frankfurt am Main sorgte für den entscheidenden Hinweis. © Jüdisches Museum Westfalen
Das Exemplar ist eines der wenigen erhaltenen historische Dokumente aus der am 6. November 1942 von den Nationalsozialisten aufgelösten Israelitischen Gemeinde. Deren Bibliothek umfasste im Jahr 1937 einen Bestand von nahezu 15.384 Exemplaren und bildete einen wichtigen kulturellen Lernort.
Ein Fotovergleich des Gemeindestempels mit einer historischen Aufnahme in einer Datenbank bestätigte den Verdacht, dass es sich bei dem Buch um NS-Raubgut handelt. Auf der Innenseite des Bucheinbandes findet sich auch ein violetter Stempel mit dem hebräischen Wort für „herausgenommen“.
Es liegt nahe, dass das Buch um 1949 als „Outshipment“ (Ausfuhr) durch die jüdische Treuhandorganisation Jewish Cultural Reconstruction nach Israel überführt wurde, dort in einen Bibliothekbestand kam und später in den Handel gelangte. Viele Bücher aus israelischen Beständen tragen diesen Stempel.
Rückgabe entspricht den „Washingtoner Prinzipien“
Den Washingtoner Prinzipen verpflichtet, setzen die Jüdische Gemeinde Frankfurt am Main und das Jüdische Museum Westfalen, das das Buch am 2. September offiziell in den Gemeindebesitz zurückgegeben hat, dem Unrecht ein wichtiges Symbol entgegen und werden mit der Rückgabe der moralischen Verantwortung gegenüber jüdischen Kulturgütern gerecht.
Marc Grünbaum, Mitglied des Vorstand der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, lobte das Dorstener Museum für die Rückgabe: „Ich würde mir wünschen, dass der Schritt, den das Jüdische Museum Westfalen heute getan hat, Vorbild für die vielen anderen Institutionen ist, ihre Bestände zu prüfen. Dazu gehört neben guten Absichten seitens der Institutionen deren bessere finanzielle Ausstattung, um die personal- und zeitintensive Provenienzforschung vorantreiben zu können.“
Im Dorstener Haus wird Provenienzforschung betrieben
Dr. Kathrin Pieren, Leiterin des Jüdischen Museums Westfalen: „Dank der großzügigen Förderung des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste war es auch unserem kleinen Haus möglich, eine Stelle für Provenienzforschung einzurichten. Die Resultate der bisherigen Forschung haben unseren Verdacht bestätigt, dass es leider auch in unserer Sammlung NS-Raubgut gibt. Umso mehr freut es uns, dass wir diese Restitution vornehmen und damit den Bibliotheksbestand der Jüdischen Gemeinde Frankfurt um ein Werk ergänzen können, das auf die lange Geistesgeschichte der Frankfurter Juden und Jüdinnen verweist. Mit dieser symbolischen Geste hoffen wir auch, die breitere Öffentlichkeit an den immer noch wenig bekannten systematischen Raub von Büchern und Kulturgütern aus jüdischem Besitz durch die Nationalsozialisten zu erinnern.“