Im Büro-Klo eingesperrt: Schwerkranke Dorstenerin erst nach 12 Stunden befreit

© Falko Bastos

Im Büro-Klo eingesperrt: Schwerkranke Dorstenerin erst nach 12 Stunden befreit

rnDramatischer Rettungseinsatz

Den Toilettengang im Büro hatte sich Susanne Schmellenkamp ganz anders vorgestellt. Doch dann musste die schwerkranke Dorstenerin dort zwölf Stunden ausharren.

Hervest

, 09.10.2019, 04:45 Uhr / Lesedauer: 2 min

Als Susanne Schmellenkamp gegen Mittag die Toilettentür in ihrer Arbeitsstätte schloss, freute sie sich noch. „Endlich eine Tür“, sagt sie. Wochenlang habe diese gefehlt, weil das Bad saniert worden war. Dass der neuen Tür die Klinke fehlte, wurde ihr Sekundenbruchteile später klar. Zu spät: Die sich nach innen öffnende Tür war zugefallen und ließ sich nicht mehr öffnen.

Eingesperrt auf wenigen Quadratmetern. In einem fensterlosen Bad. Und schnelle Hilfe war nicht in Sicht. Denn im Büro war die 49-jährige Dorstenerin allein. Und das Café im Stockwerk darunter hatte Ruhetag. Ihr Handy lag auf dem Schreibtisch.

„Die ersten zwei Stunden war ich noch zuversichtlich“, sagt Schmellenkamp. „Mittags kommt meist der Handwerker vorbei“, beruhigte sie sich. Doch niemand kam. Stunde um Stunde verging. Verzweiflung. „Ich habe geschrien“, berichtet sie. Doch niemand konnte sie hören.

Erfolglose Befreiungsversuche mit dem BH-Bügel

Sie beschließt, etwas zu unternehmen. Ein Teppichmesser des Handwerkers liegt im Bad herum. Auch mit dem Bügel ihres BHs versucht sie, die Tür zu öffnen. Doch als Werkzeug taugt beides nicht. „Letztendlich war das nur Ablenkung, um die Zeit totzuschlagen“, meint die 49-Jährige. Die Tür einzutreten, habe sie gar nicht erst versucht, mangels Erfolgsaussicht. „Damit hätte ich nur meine Kräfte verschwendet.“

Und mit denen muss sie haushalten. Denn Susanne Schmellenkamp leidet an Multipler Sklerose, kann sich nicht lange auf den Beinen halten. Ihr Glück im Unglück: Ihre Medikamente, unter anderem Schmerzmittel, hatte sie bei sich. „Außerdem hatte ich Wasser und konnte es wieder loswerden“, nimmt sie ihr Martyrium inzwischen mit Humor.

„Im Schlafzimmer wäre es schlimmer gewesen.“ Wenn auch gemütlicher. „Der Steinboden war verdammt kalt“, berichtet die Dorstenerin. Sie wickelte sich in Handtücher, um nicht zu frieren. Und arrangierte sich mit der Situation. Immer wieder beruhigte sie sich selbst. „Sich reinzusteigern, bringt nichts. Ich kann ja doch nichts ändern“, sagte sie zu sich.

Als sie gerade ihr Nachtlager errichtet hatte, hörte sie Stimmen

„Irgendwann habe ich darüber nachgedacht, was ich zum Abendessen koche, wenn ich wieder zu Hause bin“, sagt sie. „Ich musste mich ja ablenken, hatte Hunger.“ Das Zeitgefühl hatte sie da schon weitgehend verloren. Als sie gerade ihr Nachtlager errichtet hatte, hörte sie Stimmen. Augenblicke später standen vier Polizisten, eine Notärztin und drei Sanitär vor ihr. Es war 0.30 Uhr. Zwölf Stunden hatte Susanne Schmellenkamp in dem Badezimmer ausgeharrt.

Als sie nicht von der Arbeit nach Hause kam und auch zu einem abendlichen Spanischkurs nicht erschienen war, hatte ihr Ehemann Jürgen sich Sorgen gemacht. „Da wird man richtig nervös. Ich bin herumgelaufen wie ein Tiger im Käfig“, sagt er. Er befürchtete das Schlimmste und rief beim Krankenhaus an.

Dank an die Rettungskräfte

Als auch das keine Spur brachte, alarmierte er die Polizei und meldete seine Frau als vermisst. Die fand das Auto der Dorstenerin in der Nähe ihrer Arbeitsstelle an der Halterner Straße in Hervest und klingelte die Mieter des Büros aus dem Bett, um an den Wohnungsschlüssel zu kommen.

„Das war ganz sicher kein Standard-Einsatz“, kommentiert dies Polizei-Sprecherin Ramona Hörst. „Dass vermisste Personen nach kurzer Zeit wohlbehalten auftauchen, passiert zum Glück viel häufiger.“

Erschöpft, aber unversehrt trafen die Einsatzkräfte die 49-Jährige an. „Wer weiß, wofür die Erfahrung gut war“, sagt Susanne Schmellenkamp. „Aber bis ich das verarbeitet habe, dauert es noch ein bisschen.“ Nun möchte sie den Rettungskräften danken, die sie befreit hatten. Noch einmal will sie sich darauf aber nicht verlassen: „Jetzt lege ich immer etwas zwischen die Tür.“

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