Umstritten ist die geplante BP-Norderweiterung in Gelsenkirchen, wo eine Pyrolyse-Anlage entstehen soll. Dort sollen Kunststoffe bei 600 Grad chemisch gespalten werden, woraus Pyrolyse-Öl für die Weiterverarbeitung im BP-Werk gewonnen werden soll.
Um mit Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch zu kommen, hatte das Unternehmen am Dienstag in die Mehrzweckhalle in Altendorf-Ulfkotte eingeladen. Als „unglücklich“ bezeichnete Bürgermeister Tobias Stockhoff den Termin im Vorfeld, da er parallel zum Dorstener Planungsausschuss stattfand.

Anstelle eines Vortrags oder einer Präsentation gab es Bereiche, wo Experten Rede und Antwort standen. Stephan Hüsken (Ruhr Oel GmbH - BP Gelsenkirchen) erklärte, warum BP die Pläne für die Norderweiterung des Raffineriestandorts vorantreibt, nachdem der erste Versuch 2015 vor Gericht gescheitert war. Klimaneutralität bis 2050 und der Erhalt des Standorts mit rund 2.000 Beschäftigten nannte Hüsken als Ziele, wobei auf dem nördlichen Gelände rund 200 Arbeitsplätze nicht von BP-Seite, sondern durch die amerikanische Partnerfirma Brightmark geplant seien.
„Wir müssen uns anpassen“
„Wir müssen uns anpassen“, sagt Hüsken. Das Kreislaufwirtschafts-Projekt auf einer Fläche im Landschaftsschutzgebiet, die rund anderthalb Fußballfelder groß ist, sei nur ein Teil von vielen Maßnahmen, die am Standort geplant sind.
Der Bebauungsplan, auf dessen Verabschiedung Hüsken im Februar oder März 2024 hofft, legt übrigens nicht fest, dass dort eine Pyrolyse-Anlage gebaut werden soll, sondern „zukunftsgerichtete industrielle Anlagen“ geschaffen werden können, die „im funktionalen Zusammenhang zu den petrochemischen Anlagen im Bestandswerk von BP sehen“. Ein Amprion-Konverter für den Korridor B wäre damit dort beispielsweise nicht möglich, obwohl die Altendorfer ihn lieber an dieser Stelle als 400 Meter neben ihrem Ortskern sehen würden.

Wilfried Graf aus Altendorf-Ulfkotte sorgt sich vor allem vor zusätzlichem Geräuschpegel. Bereits jetzt werde im bergbaubetroffenen Bereich ständig Grundwasser gepumpt. „Dann versucht man zu schlafen - es geht aber nicht.“ Anstelle eines Brightmark-Vertreters - die Firma glänzte durch Abwesenheit - ging Marc Schäfer vom Ingenieurbüro Fichtner auf solche Sorgen ein.
Von Altendorf aus werde man aus seiner Einschätzung den Kamin der Pyrolyse-Anlage sehen können, der nachts zur Flugsicherung beleuchtet sein soll, so Schäfer, aber an spürbare zusätzliche Lärm-Emissionen in Altendorf glaubt er nicht. Angeliefert werden sollen bis zu 400.000 Tonnen Kunststoff pro Jahr über die A52 - und das schon vorgewaschen und in Pellet-Form. Ein Waschen oder Schreddern vor Ort sei nicht vorgesehen.
Pyrolyse hatte schlechten Ruf
Die Pyrolyse habe in den 80er- und 90er-Jahren einen schlechten Ruf erworben, sagte Marc Schäfer. Damals sei versucht worden, Hausmüll zu verarbeiten: „Das hat nicht funktioniert.“ Im Anschluss hätten die meisten die Finger von dem Thema gelassen, aber nun werde wieder intensiv an dem Thema geforscht.
„Ich habe Sorge, dass das hier eine Versuchsanstalt wird“, sagte Wilfried Graf, während Günther Josten (ebenfalls aus Altendorf) beipflichtete: „Und wir die Versuchskaninchen.“ Dass in Scholven die weltgrößte Pyrolyse-Anlage entstehen soll, bedeute nicht, dass dies einen experimentellen Charakter habe, entgegnete Schäfer: Es seien mehrere parallele Linien geplant - man könne das System „gut skalieren“.
„Strikte Lieferverträge“
Vom Kunststoff werden am Ende nicht nur Pyrolyse-Öl und CO2 übrig bleiben, sondern auch Reststoffe, die laut Marc Schäfer deponiert werden müssen - wo, müsse noch geklärt werden. Auch giftige aromatische Kohlenwasserstoffe werden darin enthalten sein. Wie man ausschließen wolle, dass bei den angelieferten Kunststoffen keine Chlor- und Fluor-Verbindungen entstünden, wurde Schäfer gefragt: „Mit strikten Lieferverträgen.“ Eine zusätzliche Feinstaub-Belastung ergebe sich durch die Pyrolyse-Anlage nicht, so Schäfer, da die Abgase gefiltert würden.
Die Anlage soll nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigt werden. Stephan Hüsken geht davon aus, dass frühestens 2027 die ersten Bagger rollen könnten. Marc Schäfer sprach davon, dass der Bau einer solchen Anlage etwa zwei Jahre dauern werde, die Inbetriebnahme werde noch einmal ein bis anderthalb Jahre dauern.

Kritische Anmerkungen aus Dorsten gab es bereits im Sommer zur Frage, was bei Starkregen-Ereignissen passiere. Hüsken deutete auf der Karte auf einen gelb-markierten Bereich im Norden des Geländes, der für die Regenrückhaltung zuständig sein soll. Hier solle das Wasser gesammelt und dann dosiert an den Rapphoffs Mühlenbach abgegeben werden. Weiter nördlich soll auf dem Gelände der Bereich begrünt werden. Die Anpflanzung von heimischen Gehölzen sei dort geplant.

Deutlich wurde im Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern, dass gegen die Idee des Recyclings von Kunststoffen grundsätzlich niemand etwas hatte. Aber noch Befürchtungen bestehen: Heinrich Koch aus Herten-Bertlich fragte gezielt nach mögliche Störungsfällen. Wenn Gase abgefackelt werden müssten, würde man das wohl auch in Altendorf sehen, sagt Schäfer, doch das sei auch eine Frage der Detailplanung, wenn die Störfackel womöglich eingehaust werden könne.
Wilfried Graf und andere Altendorfer treibt auch um, dass die Pyrolyse-Anlage neben dem geplanten Konverter und den Deponieplänen nur ein weiterer Baustein an Großprojekten ist, die auf den Dorstener Ortsteil zukommen. Und dass die Belastungen sich addieren könnten.
Bevor die Anlage wirklich steht, werden aber noch zahlreiche Genehmigungen erfolgen müssen. Bis jetzt habe es bereits 13 Gutachten gegeben, so Hüsken.
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