Hohe Hauspreise bei gleichzeitig deutlich höheren Zinsen führen in manchen Medien schon zu Überschriften wie „Der Traum vom Eigenheim wird unbezahlbar“. „Der kurzfristige Blick sorgt für hohe Frustration“, sagt Patrick Schmitz, Abteilungsleiter Baufinanzierung bei der Vereinten Volksbank.
Selbst vor anderthalb Jahren noch habe man mit einem Durchschnittseinkommen ein tolles Haus finanzieren können. „Das hat sich in den letzten anderthalb Jahren massiv gedreht“, so Schmitz.
Drei Faktoren
Hatte es eine Familie mit einem Durchschnittseinkommen vor 20 Jahren einfacher, ein Durchschnittshaus in Dorsten zu kaufen? Wie hat sich dies in den letzten 20 Jahren entwickelt? Drei Faktoren hat Patrick Schmitz für eine Antwort berücksichtigt: den jeweiligen Hauspreis, Zinssatz und das Durchschnittseinkommen.
Laut Grundstücksmarktbericht seien in Dorsten rund 15 Jahre alte Doppelhaushälften und Reihenendhäuser im Jahr 2003 für durchschnittlich 210.000 Euro verkauft worden, so Schmitz: zehn Jahre später für 222.00 Euro - „keine starke Wertentwicklung“. Bis 2021 erfolgt ein „sehr starker Sprung“ auf 398.000 Euro. Für 2023 hat Schmitz einen Wert von 391.000 Euro angenommen, also einen leichten Rückgang beim Preis.
Zinssatz-Entwicklung
Wie hat sich der Zinssatz entwickelt? Dieses Rechenbeispiel unterstellt einen Finanzierungsbedarf in Höhe des Immobilienkaufpreises, eine Rückzahlung innerhalb von 30 und eine Zinsbindung von zehn Jahren: Hier lag 2003 der effektive Zinssatz laut Schmitz bei durchschnittlich 5,24 Prozent, 2013 bei 2,85 Prozent, 2021 bei 1,22 Prozent und 2023 bei 4,19 Prozent.
Aus Finanzierungssumme, Zinssatz und Tilgung errechnen sich nun die monatlichen Raten, die unsere Durchschnittsfamilie in Dorsten für ihr Haus aufwenden muss: 2003 waren dies 1.140,30 Euro, 2013 912,19 Euro und 2021 1.317,02 Euro. Nun wird es bitter: für 2023 kommt Schmitz auf eine Rate von monatlich 1.889,31 Euro.
Können oder wollen?
„Es gibt nun Leute, die sagen: Bei den aktuell gestiegenen Zinsen kann ich mir das Objekt nicht mehr leisten“, sagt Schmitz. Wobei die Aussage zu differenzieren sei: „Kann ich mir das Haus nicht mehr leisten oder will ich mir das Haus nicht mehr leisten?“ Schmitz: „Wir kommen natürlich aus sehr komfortablen Zeiten.“ Da sei klar, dass bei diesem Sprung der eine oder andere Immobilieninteressent „in eine Art Schockstarre verfällt“. Die lange Niedrigzinsphase „hat vergessen lassen, dass viele Generationen sich für ein Haus durchaus strecken und verbiegen mussten“.
Doch Schmitz vergleicht nun 2003 mit 2023 und kommt auf eine Steigerung der monatlich zu zahlenden Rate um 65 Prozent. „Wenn ich mir mal die Einkommensentwicklung anschaue, haben wir von 2003 bis 2021 einen Zuwachs beim Netto-Einkommen von 55 bis 56 Prozent“, so Schmitz mit Verweis auf bundesweite Zahlen vom Statistischen Bundesamt. Laut diesem kam ein Haushalt mit vier Personen 2003 durchschnittlich auf 3.971 Euro Haushaltsnettoeinkommen und 2021 auf 6.177 Euro.
Nettoeinkommen gewachsen
Dies ist die aktuellste Zahl beim Bundesamt. Schmitz: „Wenn ich die letzten zwei Jahre dazu nehme und beim Nettoeinkommen einen Zuwachs von im Schnitt drei Prozent anlege, können wir noch mal sechs, sieben Prozent draufschlagen.“ Dann sei man nicht weit weg von den 65 Prozent Steigerung bei der monatlich zu zahlenden Rate.

Die deutschlandweite Betrachtung über die Erschwinglichkeit von Wohneigentum, der „Deutschland-Monitor“ von Deutschen Bank Research belegt dies. Hauspreise und Einkommen wurden dabei ins Verhältnis gesetzt und ein Erschwinglichkeitsindex gebildet. Das Jahr 2005 ist der Startpunkt, an dem die drei Faktoren bei 100 starten. Während das Durchschnittseinkommen relativ stetig wächst, wird die Wohnfinanzierung durch fallende Zinsen ab 2009 immer erschwinglicher. Im vierten Quartal 2020 lag der Erschwinglichkeitsindex mit 28,1 auf seinem historisch günstigsten Niveau. Durch die Zinsentwicklung liegt er jetzt zwar bei fast 97 – aber damit immer noch günstiger als vor 18 Jahren.
Wohin könnte sich der Erschwinglichkeitsindex entwickeln? Schmitz: „Ich gehe davon aus, dass die Kurve die Hunderter-Marke höchstens mal leicht durchbrechen wird. Denn ich habe keine Fantasie dafür, dass die Zinsen noch enorm weiter steigen. Und die durchschnittlichen Immobilienpreise werden sich höchstens minimal nach unten bewegen, vielleicht sogar stagnieren.“ Nicht nur Nachfrage und Angebot bestimmten den Preis, sondern auch die gesetzlichen Anforderungen an die Energieeffizienz - und damit Zustand und Modernisierungsbedarf des einzelnen Objekts.
„Wahnsinnige Wohnraumknappheit“
Schmitz: „Wir haben natürlich die Situation, dass wahnsinnige Wohnraumknappheit herrscht.“ Letztes Jahr seien 280.000 Wohneinheiten geschaffen worden. In diesem Jahr hält Schmitz diese Zahl nicht für möglich: „Experten gehen davon aus, dass wir maximal 250.000 Wohneinheiten schaffen werden - bei einem Bedarf von 600.000 Wohneinheiten.“ Das alles spreche gegen fallende Immobilienpreise.
Der Modernisierungsbedarf verschärfe die Wohnraumknappheit: 45 Prozent des Gebäudebestands in Deutschland erreiche die von der EU für 2033 diskutierte Energieeffizienzklasse D derzeit nicht. „Das wird spannend, wie sich die Politik entscheidet und welche Objekte dann noch sanierungswürdig sind.“
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