Einen „Mega-Hype“ erlebt Stefanie Herrmann derzeit, seit sie, ihr Mann Mario und ihre Pflegekinder bei „Wir werden Camper“ im WDR-Fernsehen mit pinkem Bus und pinkem Wohnwagen auf Urlaubstour in den Niederlanden zu sehen waren. „Beim Einkaufen bilden sich Menschentrauben. Die Leute kommen und drücken einen.“
Doch nicht etwa für den pinken Wohnwagen loben die Menschen Stefanie Herrmann, sondern für ihre Familie und den Umgang miteinander. „Wir sind so bunte Vögel“, sagt Stefanie Herrmann, während sie auf der Terrasse sitzt und in den Garten blickt, der fast an einen kleinen Freizeitpark erinnert - ein echter Kindertraum. „Unsere Kinder kommen aus so schlimmen Verhältnissen - die sollen in den nächsten Jahren ein sorgloses Leben haben.“

Stefanie Herrmann (54) hat einen erwachsenen Sohn aus einer vorherigen Beziehung, aber mit ihrem Mann Mario (44) hätte sie auch gern Kinder gehabt. Doch alle Versuche waren vergebens. Für eine Adoption war Stefanie Herrmann mit 42 zu alt. So entschied sich das Paar, Pflegeeltern zu werden.
Wenn Stefanie Herrmann von Lyonel (11), Emily (9), Leya (5) und Jason (5) spricht, sagt sie „meine Kinder“. Kinder, die aus hochtraumatischen Lebenssituationen stammen. Emily wurde beispielsweise von ihrer leiblichen Mutter übelst verprügelt. Als das Paar sie aus dem Krankenhaus holte, „war der Kopf deformiert, sie war nicht weit weg vom Tod“, sagt Stefanie Herrmann. Das Paar sei psychologisch auf den Anblick vorbereitet worden, hätten aber dann erstmals die Redewendung verstanden, was es heißt, den Boden unter den Füßen zu verlieren. „Wir haben gedacht, wir fallen und hören nicht auf zu fallen.“

Leya (5), deren leibliche Mutter an Schizophrenie leidet, kam mit sechs Monaten in die Familie. „Unser Sorgenkind“, sagt Stefanie Herrmann. Eigentlich sollte Leya nur ein „Bereitschaftskind“ sein, also nur eine gewisse Zeit in der Familie bleiben. Doch das schwerkranke Kind, das mit 31 Zentimetern Größe, unter 1.000 Gramm, einer zu dicken Herzklappe und nicht ausgereifter Lunge geboren wurde, löste bei dem Paar nur einen Wunsch aus: „Wir haben gesagt: Dieses Kind machen wir gesund.“
Die Ärzte hätten gesagt, dass Leya wohl nie mehr laufen werde. Ein Therapie-Marathon später sowie nach viel Ärger mit der Krankenkasse, die eine Gehhilfe nicht zahlen wollte, und es kam der Tag des vierten Geburtstags. Der wurde mit vielen Gästen im Garten gefeiert: „Plötzlich steht sie auf und läuft.“ 16 Schritte hat Mario Herrmann damals gezählt. „Alle Gäste sind in Tränen ausgebrochen“, sagt Stefanie Herrmann und beim Gedanken daran kommen ihr und ihrem Mann selbst wieder die Tränen.
„Sie hat einen ganz starken Charakter. Unsere Löwin und Königin“, sagt Stefanie Herrmann über Leya. Sie falle aber oft noch hin oder laufe gegen Türen. Mit einem Meter Größe und 10 Kilo Gewicht sei sie auch „viel zu klein“ für ihr Alter.
Über den Hintergrund von Pflegesohn Jason (5) will das Paar nicht sprechen und er soll auch nicht im Bild gezeigt werden, weil die rechtliche Situation um ihn noch nicht geklärt ist. Bei der WDR-Produktion, bei der die Familie beim Campen von einem dreiköpfigen Team in Holland begleitet wurde, stand Jason immer hinter der Kamera, fühlte sich dort allerdings sehr wohl.

Wie kam es überhaupt zu diesem Dreh? Stefanie Herrmann hatte vor drei Jahren ihren Bus in Pink folieren lassen. Ein befreundetes Camper-Ehepaar, ebenfalls eine Pflegefamilie, ermunterte die Herrmanns, sich einen Wohnwagen anzuschaffen. Und der wurde ebenfalls von Mario Herrmann (eigentlich Kfz-Mechaniker) pink lackiert. In das Innere investierte er 250 bis 300 Stunden Arbeit, um den Wohnwagen in den von seiner Frau gewünschten „Pipi-Langstrumpf-Style zu versetzen.“
Bilder vom Wohnwagen, die Stefanie Herrmanns auf Facebook postete, erzeugten das Interesse gleich von zwei Fernsehsendern. Einer wollte nur ohne Kinder drehen und fing sich direkt eine Abfuhr ein. Das dreiköpfige Team, dass die „Wir werden Camper“-Folge mit den Herrmanns produzierte, wuchs der Familie hingegen während des Urlaubs ans Herz. „Es war ein riesengroßes Abenteuer“, sagt Stefanie Herrmanns: „Am Ende haben wir geweint und die haben mit uns geweint.“

Rund 60.000-mal ist das Video bereits bei Youtube angeklickt worden. „Wir sind überwältigt vom Feedback“, sagt Stefanie Herrmann. „Toll, dass es Menschen gibt, die sich so liebevoll um Pflegekinder kümmern“. „Ich finde, der Camper wird total zu Nebensache“ oder „Wunderbare Menschen gibt es. Musste auch ein paar Tränen verdrücken“: Solche Kommentare finden sich unter dem Video.
Wie schafft man den Alltag in so einer Familienkonstellation? „Ich stehe fünf Uhr auf - sonst würde bei uns das Chaos ausbrechen“, sagt Stefanie Herrmann: „Du musst sehen, dass du deinen Popo bewegst.“ Klare Regeln und viel Humor sind dem Paar ebenfalls wichtig. „Manche fragen: ‚Wo bleibt ihr als Paar?‘“ Dazu sagt Stefanie Herrmann: „Natürlich kommen wir oft zu kurz, aber wir würden uns nie beschweren.“
Womöglich gebe es demnächst weitere Drehs, sagt Stefanie Herrmanns etwas geheimnisvoll. Ein Film, den die Familie mit dem LWL kürzlich abgedreht hat, soll hochrangigen Politikern gezeigt werden. „Man macht als Pflegeeltern viel mit“ , sagt Stefanie Herrmanns, etwa Therapien oder Gerichtsverhandlungen mit leiblichen Eltern. Sie wünscht sich mehr Unterstützung, vielleicht einen Urlaub pro Jahr, bei dem sich fachmännisches Personal vielleicht um Leya kümmert.
Stefanie Herrmanns würde sich auch wünschen, dass mehr Familien sich als Pflegefamilien zur Verfügung stellen. „Wir sind beide behütet aufgewachsen“, sagt sie über sich und ihren Mann, und das wollen sie auch ihren Pflegekindern ermöglichen. „Wir würden noch ein Bereitschaftskind aufnehmen. Wir haben noch Herz und Platz.“
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 16. August 2023.
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