Auf der sachlichen Ebene gab es in der Sitzung des Rats am Mittwochabend (29.11.) nicht mehr viel zu verhandeln. CDU, SPD, Grüne und FDP hatten im Vorfeld für einen gemeinsamen Beschlussvorschlag gesorgt, nach dem die Fraktionen für 2024 und 2025 auf 5 Prozent ihrer Zuwendungen verzichten, um Sparmaßnahmen beim Kindertheater zurücknehmen zu können. 15.000 Euro sollen in den Jugendzentren Das Leo und Treffpunkt Altstadt für konkrete Kinder- und Jugendprojekte bereitgestellt werden.
Mit 30.000 Euro soll zudem die Energie(spar)beratung der Stadt gestärkt werden. Ein Konzept ist bis Jahresmitte 2024 vorzulegen. Und die Kürzungen im Personalbudget sollen flexibel gehandhabt werden, um bei besserer Finanzlage die zusätzlichen Wiederbesetzungssperren abfedern zu können. Ansonsten folgten die Politiker den Sparvorschlägen, die Kämmerer Karsten Meyer gemacht hatte.
20. Haushaltsrede
„Alle müssen ihr Scherflein bringen“, sagte Bernd Schwane (CDU) zum „großen Spar-Konzert“, dem man „mit Heulen und Zähneknirschen zustimme“. Zum 20. Mal hielt Schwane eine Haushaltsrede im Rat: „Nach Feiern ist mir nicht zumute.“ Nach dem „Marathon“, mit dem Dorsten sich 2021 aus der Haushaltssicherung befreit und den Schuldenberg von 342 Millionen auf jetzt 83 Millionen Euro gesenkt habe, gebe es nun wieder keine Alternative zum Sparen.
Auf die verzweifelte Lage der Kommunen sei oft genug hingewiesen worden, so Schwane: „Berlin und Düsseldorf haben sich das immer geduldig angehört. Was dann unternommen wurde, waren aber eher Tropfen auf den heißen Stein. Ich meine, dass die Landesregierung nicht wirklich etwas an der finanziellen Ausstattung der Kommunen geändert hat. Und der Gesetzgeber in Berlin ist nicht müde geworden, weitere Gesetze auf den Weg zu bringen.“ Schwane: „Der Bund lässt uns hängen.“
„Blind für Krisensituationen“
Seine erste Haushaltsrede hielt Dirk Groß (SPD): „Dorsten kommt nur mit einem Befreiungsschlag von außen aus der Defizitfalle heraus.“ Auch er sah Bund und Land in der Verantwortung. „Liebe CDU, gehen Sie bitte weg von der Abschätzigkeit über alles und jeden, der Schulden oder die Streckung von Verbindlichkeiten auch nur erwägt. Es gibt keine mathematische Generationen-Gerechtigkeitsformel, wir müssen immer genau hinschauen, wofür und in welchem vertretbaren Maß wir unterwegs sind.“ Die Schuldenbremse sei blind für Krisensituationen.

Die Aufforderung, die Kommunen langfristig auskömmlich auszustatten, werde man „mit Nachdruck an die Kolleginnen und Kollegen in Land und Bund weitergeben“, versprach Thorsten Huxel (Grüne). Er hatte Popcorn mitgebracht: „Spätestens bei einem meiner Folgeredner werden Sie es wohl dann definitiv brauchen, um durchzuhalten.“
Die Grünen hatten die fünfprozentige Absenkung der Fraktionszuwendungen beantragt - der AfD-Antrag zum gleichen Thema sei eher „cringe“ beziehungsweise zum Fremdschämen. Huxel: „Ideenklau mit Zugabe? Immerhin mit dem netten Nebeneffekt, dass die AfD sich am Ende nicht viel schlechter steht als vorher.“
„Hetze und nichts anderes“
Verteilt wurde das Popcorn bei der Rede von Heribert Leineweber (AfD). Dieser sprach von einer „sintflutartigen Migrationswelle“, die zu finanziellen Lasten führe. „Damit betreibt man Hetze und nichts anderes“, entgegnete Dirk Groß (SPD) und verglich die Ausgaben für Migration mit anderen Kosten: „100 Milliarden Euro für die Bundeswehr - das ist doch nicht nichts. Selbst wenn morgen kein Migrant mehr käme, hätten wir die Krisen doch nicht vom Tisch.“ Groß in Richtung Leineweber: „Sie bedienen lieber das kleine ABC der Rechtsextremen.“

Leineweber führte auch Verlust von 19,4 Millionen Euro durch Schweizer-Franken-Kredite ins Feld, bei denen die Politiker ihrer Kontrollfunktion nicht nachgekommen seien. Von Stockhoff wurde er (erneut) darauf hingewiesen, dass die Kredite nach damaliger Rechtsprechung Geschäft der laufenden Verwaltung gewesen seien. Die Politik habe unmittelbar reagiert, als die Probleme auftauchten.
Schwane kritisierte Leineweber scharf: „Sie wollen die Bevölkerung kirre machen. Sie wollen den Staat umkrempeln. Sie wollen nicht mehr unsere Demokratie.“ Anstatt Leineweber „hier blubbern zu lassen“, kündigte Schwane an: „Wir müssen Ihnen die Maske vom Gesicht reißen.“ Schwane zu Leineweber: „Sie sollten sich schämen.“
Antrag zurückgezogen
In seiner Haushaltsrede hatte Leineweber seinen AfD-Antrag zur Reduzierung der Fraktionszuwendungen noch genannt. Bereits 2020 habe man diesen Antrag gestellt. „Im Rahmen unseres Antrags schlagen wir zusätzlich eine strukturelle Änderung vor, die dazu führen würde, dass größere Fraktionen nicht überproportional alimentiert werden.“ Gemeint war damit, dass die AfD den Sockelbetrag bei allen Fraktionen unabhängig von der Größe angleichen wollte. Dann zog Leineweber den Antrag aber zurück.
Bürgermeister Tobias Stockhoff nahm das zur Kenntnis, wollte aber dem Eindruck entgegentreten, die AfD sei „Sparweltmeisterin bei den Fraktionen“. Leinewebers Aussage, die großen Fraktionen seien überproportional begünstigt, sei falsch. Die 23 Sitze der CDU im Rat seien 52,3 Prozent der Ratsmitglieder. Die Fraktion erhalte mit 25.150 Euro nur 40 Prozent der 62.700 Euro. Die AfD-Fraktion habe hingegen drei Ratsmitglieder, 6.8 Prozent der Sitze, „und erhält, lieber Herr Leineweber, 9 Prozent der Zuwendung mit 5.350 Euro.“ Sie sei also überproportional daran beteiligt.
Mit Leinewebers Sparvorschlag „würde die CDU 38 Prozent erhalten, also weniger, und die AfD-Fraktion noch 13 Prozent der Gesamtmittel.“ Stockhoff: „Ihre Aussage ist damit widerlegt.“ Leinewebers Vorschlag sei „die Axt an der kommunalen Demokratie“, so Stockhoff: „Ihr Antrag ist schlichtweg nicht redlich gewesen.“
Provokation und Gesang
Manuel Seth (Die FRAKTION feat. DIE LINKE) setzte in seiner Rede auf Provokation. Zum Thema Transformation Dorstener Sakralbauten sagte er: „Ich hatte schon die glänzende Idee, wie man das transformieren könnte. Als erstes schnappen wir uns die St. Agatha in der Innenstadt. Super Lage. Ziehen da ein paar Zwischendecken ein mit Balkon-Feeling und von Hotel- bis Bordell-Atmosphäre wäre alles möglich.“ Boris Benkhoff von der selben Fraktion stimmte das Lied an „Das bisschen Haushalt ist doch kein Problem.“
Friedhelm Fragemann (SPD) bat anschließend zu prüfen, „inwieweit wir uns solchen Clownerien aussetzen müssen.“ Bürgermeister Tobias Stockhoff entgegnete, dass es dazu eine sehr eindeutige Rechtsprechung gebe, die so etwas erlaube. „Am Ende darf das jeder Ratsherr und jede Ratsfrau für sich entscheiden. Man gibt hier für sich eine Visitenkarte ab.“
Eine Gegenstimme
Der Haushaltssatzung stimmten nach zweistündiger Beratung alle Ratsmitglieder zu bis auf zwei Enthaltungen von „Die FRAKTION feat. DIE LINKE“ und bei einer Gegenstimme von Lutz Ludwig (FDP). Ludwig: „Wir haben kein Einnahmenproblem, wir haben ein Ausgabenproblem.“ Sparen in der aufgezeigten Weise gehe „an der Realität vorbei und belastet künftige Generationen über Gebühr“.
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