
© Anke Klapsing-Reich
Dorstener Petrinum-Schüler machen auf der Bühne „Die Welle“
Theater-AG Petrinum
Nach langer Flaute kommt wieder Wind in die Theaterlandschaft des Gymnasiums Petrinum: Thomas Boos hat das Steuer übernommen und macht mit der neu gegründeten Schultheater-AG „Die Welle“.
Thomas Boos scheucht die Schüler auf die Bühne: „Auf die Positionen!“ Zeit zum Bummeln gibt’s nicht, schließlich ist die Premiere für den 3. April angesetzt und dann muss „Die Welle“ schwappen. Seit Anfang dieses Jahres kommt die klassenübergreifend besetzte, neu gegründete Theater-AG jeden Montagnachmittag in der Schulaula zusammen, um das Stück nach dem gleichnamigen Roman von Morton Rhue einzustudieren.
Thomas Boos ist freiwilliger und ehrenamtlicher Regisseur
An mangelnder Beschäftigung kann es nicht liegen, dass sich der selbstständige Architekt freiwillig und ehrenamtlich als Regisseur anbot, um das Schülertheater wieder zum Aushängeschild des Petrinums zu machen. Denn das ist es in früheren Zeiten einmal gewesen: 1978 hatte der mittlerweile verstorbene Lehrer Heinz Schneemann die Theater-AG ins Leben gerufen. Sein Kollege Bertold Hanck stand ihm zur Seite. Nach 17 Jahren und mehr als 50 Aufführungen vor rund 10.000 Zuschauern stellten die beiden Regisseure 1996 den regelmäßigen Theaterbetrieb ein.

Amy (Aileen Busch, r.) und Janet (Rosa Schmidt) checken die Smartphone-News. © Anke Klapsing-Reich
„Seitdem gab es immer mal wieder vereinzelte Theaterprojekte, aber keine beständige AG“, sagt „Ex-Petrinese“ Thomas Boos (Abiturjahrgang 1981). Auch er spielte damals begeistert mit und ist auch bis heute in der Erwachsenentheatergruppe „Die schwarzen Prinzen“ des Cornelia-Funke-Baumhauses dem Theaterspiel treu geblieben.
Jubiläumsaufführung „Romulus“
Vor zwei Jahren, als das Petrinum seinen 375. Geburtstag feierte, ließ sich der inzwischen pensionierte Bertold Hanck noch einmal zu einer Jubiläumsaufführung mit altbekannten „Strategen“ überreden: „Romulus“ von Friedrich Dürrenmatt war ein voller Erfolg und ein Riesenspaß, der bei Thomas Boos - der den römischen Kaiser mimte - den Wunsch weckte, das kurze Revival als regelmäßige Geschichte fortzuschreiben.
„Mal wieder Regie zu machen, das hat mich richtig gereizt“, sagt Thomas Boos. Erfahrungen in diesem Fach habe er beim Dorstener Sommertheater gesammelt, das er in den 1980/90er-Jahren gemeinsam mit Raymund Ridderskamp - erst open air im Amphitheater Maria Lindenhof und später in der Galerie am Brunnenplatz - organisierte und bespielte.
„Schulleiter Markus Westhoff fand die Idee der Bühnenbelebung toll und gab grünes Licht“, erzählt Janet Weißelberg, die damals als Schülerin ebenfalls zum Ensemble zählte und heute als Lehrerin am Petrinum arbeitet. Mit ihrer Kollegin Caroline Wiesweg steht sie sozusagen als Regie-Assistenz Thomas Boos zur Seite.

Diskussion im Klassenzimmer © Anke Klapsing-Reich
Wo bleibt Konstantin? „Der ist krank“, wissen die Mitschüler. Okay, dann muss der Regisseur eben dessen Text für die Probe übernehmen. Die einzelnen Rollen sind umfangreich und nicht von Pappe. Doch es waren die Jugendlichen selbst, die sich nach sorgfältigem Abwägen für das Theaterstück „Die Welle“ entschieden haben. „Es ist modern, kritisch und bringt eine Botschaft rüber“, nennt Paul Kahla die Hauptgründe für diese Wahl. „Und es ist hochaktuell, denn im Grunde genommen könnte uns das, was im Stück geschieht, auch heute selbst passieren“, meint Philiene Wickler.
Alles beginnt mit einem Film über den Holocaust. Der junge Lehrer Ben Ross - in Dorsten ist’s die junge Lehrerin Mrs. Ross (Thalina Trapp) - zeigt den Schülern der Gordon High School Bilder von ausgemergelten Juden im KZ. Laurie Saunders von der Schülerzeitung will nicht glauben, dass Menschen zu derlei Grausamkeiten fähig sind. Um das herauszufinden, startet Ross ein Experiment, das auf fast unbemerkte Art und Weise Methoden der Diktatur installiert. Der Klassenverband kippt, das Experiment gerät außer Kontrolle, bis die Situation auf schreckliche Weise kippt ...
Sprechübungen mit Sektkorken im Mund
Zehn Jugendliche - Luis Meißner ist als Gastspieler vom Berufskolleg ausgeliehen - schlüpfen in die Rollen der Protagonisten. Da ist beispielsweise Lina Kempchen, die hat schon Bühnenerfahrung und mimt im Stück die Außenseiterin Laurie. Auch Paul Kahla (Brian) und Matthias Bockamp (Brad) sind keine Anfänger: „Die beiden haben schon in ,Romulus‘ mitgemacht“, sagt Thomas Boos und Paul ergänzt: „Ich war Zeno, der Kaiser von Ostrom.“
Marlena Mach genießt die Erfahrungen der Aufwärmübungen, des Improvisierens, des Einstudierens von Mimik und Gestik und der Sprechübungen, „mit Sektorken im Mund, das macht richtig Spaß“. „Irrsinnigen Spaß“ macht die Zusammenarbeit mit den Schülern auch Thomas Boos und seinen „Regie-Assistentinnen“: „Alle sind so begeistert bei der Sache. Ich freue mich jeden Montag wieder neu auf die Probe“, sagt der Regisseur, der mit dem Part des Schuldirektors auch selber eine kleine Rolle übernimmt - so wie es Alfred Hitchcock in seinen Filmen getan hat.

Diskussion im Klassenzimmer © Anke Klapsing-Reich
So, jetzt aber konzentriert zurück zur Probe, die Premiere steht vor der Tür: „Das Einfrieren zu bewegungslosen Schaufensterpuppen klappt schon ganz gut“, lobt der Regisseur die jungen Akteure. Doch beim soldatischen Stechschritt - da könnten Brad und Brian ihre Beine ruhig noch ein wenig höher schmeißen.
In Dorsten aufgewachsen, in Trier studiert, im Dortmunder Pressehaus „Reportage und Reise“ gemacht und 1999 zurückgekehrt. Seitdem begrüße ich die Leser gerne mit „Guten Morgen“-Glossen“ und anderen Geschichten aus dem Kultur- und prallen Alltagsleben.
